Dann ging es ans Marmeladekochen und zurück in die geräumige Küche des bioversum-Besucherlabors. Die Stängel und Blätter mussten getrennt werden, die Blätter sollten am nächsten Tag in die Quiche. Die gehackten Knöterichstiel-Schnippsel mussten mit Gelierzucker und Zitrone aufgekocht werden. Nach 10 Minuten war etwas Saft im Topf, die Färbung war irgendwie hellbraun-grünlich. Allerdings waren die Stielstückchen immer noch extrem zäh und holzig, an solcher Marmelade hätten unsere Gäste schwer zu kauen gehabt. Dann sollte es eben Gelee werden.
Mehrere Minuten harter Arbeit mit dem Kartoffelstampfer ergaben genug Saft, nach dem Abseihen kochte ich alles wieder auf. Ganz allmählich gelierte die Masse leicht, es war Zeit zum Probieren: Staudenknöterich schmeckt wirklich wie Rhabarber! Absolut lecker!
Nach dem Umfüllen in ein sterilisiertes Glas konnte ich die Marmelade mit der seltsamen Farbe mit gutem Gewissen den Museumsgästen kredenzen. Die gesamte Neophytenverkostung kam bei den Jubiläumsgästen ausgesprochen gut und war mal etwas ganz Anderes – typisch bioversum.
Pflanzliche Neubürger im bioversum Jagdschloss Kranichstein
Der Japanische Staudenknöterich (Fallopia japonica) ist eine invasive Art. Das bedeutet, dass er sich schnell ausbreitet und anderen, einheimischen Pflanzen den Lebensraum streitig macht. Dieser Knöterich bildet dauerhafte Rhizome und wächst entlang von Gewässern. Die Pflanze wächst schnell bis zu 3,5 Meter hoch und bildet dann große Blätter aus. Mit dieser Beschattung dominiert sie andere Arten schnell. Jeder abgerissene Trieb kann selbst ein Rhizom und damit einen neuen Bestand bilden, so breitet sich der Staudenknöterich schnell entlang von Gewässern aus. Die Pflanze stammt aus China, Korea und Japan und wurde als attraktive Gartenpflanze nach Europa gebracht.
Eine invasive Art einfach aufzuessen, ist eine besonders leckere Problemlösung.
Auch die Kartoffelrose (Japan-Rose, Sylter Rose oder Kamtschatka-Rose Rosa rugosa)
stammt aus Ostasien. Sie wurde als Zier- und Nutzpflanze nach Europa gebracht. Die Blüten und Hagebutten ergeben Marmelade und einen aromatischen Tee.
Die Kanadische Goldrute (Solidago virgaurea) kommt ursprünglich aus Nordamerika. Die bis über einen Meter hohe Pflanze mit den vielen goldgelben Korbblüten ist mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Landschaft. Weniger bekannt ist ihr Nutzen als Heilpflanze.
Die Kartoffel (Solanum tuberosum) ist eine der bekanntesten und verbreitetsten Neophyten: Die jährliche weltweite Kartoffelernte liegt bei 376 Millionen Tonnen Kartoffeln. Die nahrhafte Knolle ist eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Welt, wird aber auch als Futtermittel und Industrierohstoff genutzt. Wie bei den meisten Nachtschattengewächsen sind die grünen Triebe leicht giftig, auch die oberirdischen Früchte. Geerntet und gegessen werden die unterirdischen Knollen.
Ein Damhirsch (Dama dama) ist natürlich keine Pflanze. Diese Hirsche mit den hübschen weißen Tupfen sind tierische Neubürger, also Neozoen und stammen ursprünglich aus Asien. Die Landgrafen hatten diese mittelgroßen Hirsche – zwischen Rothirsch und Reh – in Kranichstein angesiedelt. Auch heute noch leben alle drei Hirscharten im Forst um das Jagdschloss Kranichstein
Neophyten-Knowhow für die Hosentasche
Die Bestimmungsfächer des bioversum sind Fächer aus etwa 20 Karten zur Identifizierung von Pflanzen und Tieren, 5,5 Zentimeter * 8,5 Zentimeter groß und links oben genietet – ein Fächer für die Hosentasche. Auf der Vorderseite jeder Karte sind Name und Bild der jeweiligen Pflanze, auf der Rückseite ein allgemein verständlicher Text zum Weiterlesen. Wir haben den Neophyten passende Spitznamen gegeben, die unterhaltsame Eselsbrücken sind: Der japanische Staudenknöterich mit seinem schnellen Wuchs heißt „Himmelsstürmer“, die Strahlenlose Kamille ohne weiße Zungenblüten ist der „Minimalist“.
Die Neophyten-Fächer stehen für die Museumsgäste und auch für Schulklassen kostenlos zur Verfügung und können im bioversum bestellt oder abgeholt werden. Sie sind ein Kooperationsprojekt mit unserem wissenschaftlichen Kooperationspartner KORINA, der Koordinationsstelle Invasive Neophyten in Schutzgebieten Sachsen-Anhalts.
Neophyten auf meertext?
Dieses kurze botanisch-kulinarische Intermezzo gehört zu der BlogParade #SchlossGenuss , in die Sparte Natur- und Tierwelt. Ein herzliches Dankeschön an Tanja Praske – #SchlossGenuss #Blogparade von @sgd_zu_Tisch! @TanjaPraske -für die Einladung dazu!
Seit August letzten Jahres leite ich die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing der Stiftung Hessischer Jägerhof, die die beiden Museen bioversum und MUSEUM Jagdschloss Kranichstein betreibt. Da das Jagdschloss Kranichstein noch keinen eigenen Museumsblog hat (er ist in Vorbereitung), erscheint dieser Beitrag auf meertext.
Wir sind mittlerweile auch auf facebook (bioversum Jagdschloss Kranichstein) und Twitter (@JagdschlossK, #bioversum #MUSEUM #JagdschlossKranichstein ) und arbeiten daran, uns weiter zu vernetzen. Neuerdings gibt es in unseren 450 Jahre alten Mauern sogar WLAN für die Museumsgäste.
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