Teil 2: Roboter, Aliens und Frauen
Hal 9000 – eine KI mit Persönlichkeit und Frauen ohne Persönlichkeit
Nicht nur das Design des Science Fiction-Epos ist zeitlos – auch die technisch-ethische Diskussion über die Gefahren Künstlicher Intelligenz (KI) sind topaktuelle Themen. Jetzt, wo der Bau und der Einsatz von KIs in greifbare Nähe rücken, wird in der Öffentlichkeit über mögliche Folgen diskutiert. Eine Diskussion zur Technologiefolgenabschätzung, wie sie in der SF seit nahezu 100 Jahren geführt wird: Was passiert, wenn die von Menschen geschaffenen Maschinen sich gegen ihre Herrinnen und Herren wenden? Was, wenn sie zu intelligent werden und möglicherweise sogar emotional entgleisen?
Die Vorwegnahme derartiger technisch-ethischer Diskussionen im Zuge der technischen Fortentwicklung ist eine der großen Stärken hochkarätiger Science Fiction. Die von der Öffentlichkeit, Industrie und Politik meiner Ansicht nach immer noch maßlos unterschätzt wird.
Der durchgeknallte Bordcomputer HAL 9000 in 2001 reagiert zunächst verschnupft, dann paranoid und läuft zuletzt Roboter-Amok: Nachdem er die Astronauten nicht von ihrem Ziel abbringen konnte, versucht er, sie umzubringen. Der zunächst logisch agierende intelligente Roboter, dessen rot leuchtendes Auge und sanfte Stimme die Maschinen-Menschen-Interfaces sind, hält seine emotionalen Wirrungen für rational und erklärt, dass Roboter seiner Klasse keine Fehlfunktionen hätten.
Auge in Auge mit dem roten Laserlicht in der Ausstellung geht mir diese Diskussion und die Situation der Film-Astronauten durch den Kopf.
Zur Bedeutung des Namens HAL gibt es übrigens mehrere Deutungen.
„Verbreitet ist die Annahme, HAL sei eine Verballhornung des Markennamens der damals marktführenden Computerfirma IBM, da die Buchstabenfolge H-A-L das Ergebnis der Dekrementation der Buchstabenfolge I-B-M ist (die Buchstaben H, A und L stehen im Alphabet jeweils unmittelbar vor den Buchstaben I, B und M). Arthur C. Clarke hat dieser Behauptung allerdings stets widersprochen. HAL steht nach seiner Aussage für Heuristic ALgorithmic (Heuristisch Algorithmisch). Das IBM-Logo taucht außerdem mehrfach im Film auf, jedoch nicht im Zusammenhang mit HAL.“ (Wikipedia: HAL 9000).
Nur bei der Rolle der Frau ist das Science Fiction-Epos „2001“ rückwärtsgewandt – Frauen sehen hübsch aus und kümmern sich um das Wohlergehen von Männern. Die ´68 gerade aufbrandende gesellschaftspolitische Diskussion um die Gleichstellung von Frauen und Männern und Menschen mit verschiedener Hautfarbe haben Kubrick und Clarke vollständig ausgeblendet.
Stellvertretend für fast alle weiblichen Charaktere ist die in einen weich fallenden weißen Hosenanzug gekleidete Stewardess an Bord des PanAm-Raumgleiters Orion, die auf weichen weißen Sohlen umherhuscht und den Gästen auf Designer-Tabletts ihr Essen austeilt. Sie bewegt sich in Zeitlupe, ihre Füße scheinen auf dem Boden zu kleben. Wie auch die Astronauten hat sie Klettverschlüsse an den Sohlen, um auch bei niedriger Schwerkraft aufrecht gehen zu können. Darum braucht sie keine Treppen, sie geht im Treppenhaus-Äquivalent der Orion einfach die runde Wand empor.
Als dem schlafenden Dr. Floyd ein Kugelschreiber aus der Brusttasche schwebt, durchschreitet die klinisch weiße Frau lautlos die Passagierkabine, um dem Schlafenden sein Designer-Schreibwerkzeug der Marke Parker wieder zurück in die Tasche zu stecken. Ohne ihn zu wecken, selbstverständlich.
Ihre Gesichtszüge sind ebenmäßig und makellos, das Haar ist unter einer gepolsterten weißen Lederkappe versteckt. Die Polsterung soll in der ungewohnt geringen Schwerkraft den Kopf schützen.
Solch ein Lederkappen-Turban ist in der Ausstellung als Replik zu sehen. Die Person ist in dieser klinisch reinen Aufmachung genauso entindividualisiert wie die Stations-Stewardess in ihrem auffallenden rosafarbenen Kostüm.
Drei russische Wissenschaftlerinnen werden zwar mit Namen und Doktortitel begrüßt, sind aber im gefälligen Weibchen-Stil der 50-er Jahre gekleidet – im engen knielangen Rock und hohen Schuhen können sie nur mit sittsam gekreuzten Fußgelenken dekorativ dasitzen.
Offenbar konnten Kubrick und Clarke mit dem neuen Frauenbild nichts anfangen.
So gibt es in diesem Meilenstein der Science Fiction-Filmgeschichte zwar eine Künstliche Intelligenz, HAL 9000, der zunehmend menschliche Charakterzüge annimmt, aber keinen starken weiblichen Charakter. Das könnte auch der Grund sein, warum der Film wesentlich mehr männliche als weibliche Fans hat. Trotz seines atemberaubenden Designs und des für mich grundsätzlich interessanten Themas mag auch ich die Handlung nicht besonders und habe mich mit keinem der Protagonisten anfreunden können.
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