Versorgung einer außerirdischen Station mit Nahrung
Einer der Dreh- und Angelpunkte dabei sind zurzeit die astronomischen Transportkosten.
Mit der Inbetriebnahme des Weltraumfahrstuhls wäre das kein Thema mehr, dann könnte man große Nutzlasten kostengünstig ins Weltall transportieren.
Solange der Weltraumfahrstuhl noch nicht in Betrieb ist, sieht das leider ganz anders aus.
Dann müsste sich die Produktion von Nahrung in einer Weltraumkolonie grundsätzlich von der auf der Erde unterscheiden: Sehr wenige Ressourcen müssten möglichst effektiv eingesetzt werden, zumindest teilweise in geschlossenen Kreisläufen.
Zunächst einmal denkt sicherlich niemand an einen Transport von Nutztieren. Das wäre wesentlich zu aufwändig: Die hohe Nutzlast für das Tier und seine Versorgungsgüter würde den Output an Nahrung nicht rechtfertigen.
Der Gedanke an eine Kuh oder ein anderes übliches Nutztier in der Schwerelosigkeit wäre nahezu unvorstellbar: Ein Tierem, das gewohnt ist, auf dünnen, langen Beinen zu stehen, drohte neben der Raumkrankheit noch weiteres gesundheitliches Ungemach, etwas ein hohes Verletzungsrisiko. Die Vorstellung, die Fäkalien eines solchen Tieres in Schwerelosigkeit einzufragen und zu entsorgen, dürfte Herkules´ Leistung in den Ställen des Augias gleichkommen. Und auf dem Mars ginge es dem Tier dann wohl kaum wesentlich besser. Das hohe Gut des Tierwohls verbietet so etwas.
Interessanter wären schnell wachsende Fische oder andere Meeresbewohner: Sie sind die Orientierung im dreidimensionalen Raum eher gewohnt – obwohl auch Fische seekrank werden können, was der Raumkrankheit entspricht. Ein möglichst geschlossener Aquakultur-Kreislauf mit kleinen herbivoren Fischen oder Krebsen wäre dennoch für mich vorstellbar.
Auch terrestrische kleine Wirbellose könnten Nahrung liefern – dann bestünde allerdings wieder das Problem der kulturellen Schranken. Auch wenn Würmer, Maden oder Heuschrecken gute Proteinquellen sind, ist fraglich, ob jeder so etwas äße.
Eine andere Quelle für tierische Proteine wäre die Produktion von In-vitro-Fleisch, also Fleisch aus Zellkulturen von Nutztieren. Den derzeitigen Sachstand zur Produktion von In-vitro-Fleisch fasst diese Anfrage an den Bundestag vom Februar 2018 zusammen: Daran wird geforscht, es ist aber zurzeit noch kein serienreifes Produkt in Sicht.
Rein energetisch erscheint mir die Produktion von Nahrung auf der Basis von Bakterien, Pflanzen oder Pilzen effektiver als die Nutzung von Tieren oder auch In-vitro-Verfahren.
Die Idee, Pflanzen im Weltraum anzubauen, ist gar nicht neu: 1895 spekulierte der legendäre „Vater der Rakete“ Konstantin Tsiolkovsky über orbitale Gewächshäuser “Grezy o Zemle i Nebe” (Dreams of Earth and Sky).
Pflanzen haben ebenfalls erhebliche Probleme mit geringer oder ohne Schwerkraft, dazu gibt es bereits so einige Experimente auf der ISS. Arabidopsis thaliana, die Ackerschmalwand ist die Parade-Versuchspflanze und Lieblings-Modellorganismus der Genetiker, auch im Weltall. 1982 haben sowjetische Kosmonauten an Bord von Salyut 7 damit zum ersten Mal in der Raumfahrtgeschichte Pflanzen ausgesät und zum Wachsen gebracht.
Die NASA hat dann 1995 erstmals mit der Ackerschmalwand im Weltraum experimentiert.
In Prototypen für Mars-Habitate wie der Mars Desert Research Station gibt es auch bereits Treibhäuser im Experimentalstadium für den Einsatz auf anderen Planeten.
Aber eigentlich stehen im Vordergrund von Nahrungsproduktion im Weltraum weniger uns vertraute Lebensformen, sondern eher Einzeller wie Algen. Solche Algen werden bereits heute in geschlossenen Algenreaktoren gezüchtet, allerdings noch nicht als eigenständiges Lebensmittel vermarktet. Im Moment sind sie Nahrungsmittel-Ergänzungen, oft mit Mineralien und Vitaminen angereichert. Dabei können Algen noch viel mehr, mit und ohne ihren Eigengeschmack.
Algenreaktoren wären ideal für die Produktion von Nahrungsmitteln mit nur wenigen Ressourcen. Starten könnte solch eine Algenzucht mit wenig Algenmasse, die sich dann schnell vermehrt. Ihre Energie gewinnen Algen als Pflanzen aus dem Sonnenlicht, was auf dem Mars kein Problem wäre. Ein geschlossener Wasserkreislauf wäre wassersparend, außerdem brauchen die Pflanzen noch einige Spurenelemente und Mineralien zum Gedeihen.
2018 führt die NASA umfangreiche Experimente zur Algenproduktion auf der ISS durch, mit dem Ziel, den AstronautInnen frische Pflanzennahrung zur Verfügung zu stellen.
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