Seeleoparden (Hydrurga leptonyx) sind Top-Prädatoren des Südpolarmeeres. Die großen Robben mit dem gewaltigen Gebiss müssen sich nur noch vor Orcas fürchten, alles andere steht auf ihrem Speiseplan. Männchen werden bis zu 3 Meter lang und 270 Kilogramm schwer, Weibchen bis zu 3,60 Meter lang und über 300 Kilogramm schwer. Sie jagen vor allem Krill, Pinguine und Robben.
Um ein Tier zu beobachten oder es zu vermessen, muss man nahe herangehen. Bei einem Beutegreifer wie einem Seeleoparden ist das nicht ungefährlich, die große Robbe könnte beißen. Wenn die Wissenschaftler für jedes Datenset ein Tier betäuben müssen, birgt auch das Gefahren – ist die Dosis zu schwach, könnte jemand gebissen werden. Ist die Dosis zu hoch, kann die Robbe sterben. Außerdem verändern die meisten Tiere ihr Verhalten, sowie Menschen in der Nähe sind. Ihr übliches Verhaltensspektrum zeigen sie am ehesten, wenn sie sich unbeobachtet fühlen.
Dazu kommt, dass die Form der Forschung personal- und zeitaufwändig ist. Mit dem Einsatz von technischen Geräten können die meisten Daten viel schneller und sicherer erhoben werden.
Doug Krause vom Antarctic Ecosystem Research Division (AERD) arbeitet schon eine ganze Weile mit Seeleoparden und experimentiert dabei mit neuester Technik wie Crittercams und Dronen. Das erleichtert die Arbeit mit den großen Meeressäugern und hat bis jetzt schon viele neue und spektakuläre Forschungsergebnisse erbracht.
Eine Crittercam (von englisch: critter für „Kreatur“, „Viech“ und cam, kurz für „Kamera“) ist eine kleine Kamera, die temporär direkt am Tier befestigt wird. An Tieren mit kurzhaarigen Fellen wie Robben wird solch eine Kamera meist mit einem 2-Komponenten-Klebestoff befestigt. Sie löst sich dann von selbst nach einiger Zeit ab – spätestens beim nächsten Fellwechsel – und kann per GPS-Ortung eingesammelt werden.
Eine Crittercam wird oft auf dem Kopf befestigt – so auch bei den Seeleoparden. Die Kamera zeichnet dann das Sichtfeld der Robbe auf, wen sie trifft, was sie jagt und ansonsten so außer Sichtweite der Forscher treibt.
Die Tiere empfinden die Kameras und die Hexakopter offenbar nicht als störend, so konnten die neuen Technologien an entlegenen Plätzen der Antarktis gleich eine ganze Reihe von Beobachtungen durchführen, die ganz neue Einsichten in das Leben von Seeleoparden ermöglicht.
Mit Crittercams auf Tauchgang
Der Einsatz der Crittercams, die die gefleckten Meeressäuger mit dem kräftigen Gebiss bei ihren Tauchgängen in die Tiefen des Südpolarmeeres begleiteten, hat mit spektakulären Aufnahmen vollkommen neue Perspektiven im Leben und Jagen der Seeleoparden dokumentiert!
Doug Krause hat mit Hilfe einer solchen Kamera einen Fischzug einer Seeleopardin beobachten können: Das Weibchen schwimmt über den Meeresboden, um einen darin verborgenen Fisch zu entdecken. Schließlich steckt sie ihre Schnauze in den Schlamm, scheucht den Fisch auf, bringt ihn zur Meeresoberfläche und verzehrt ihre Beute dort.
Bis heute gibt es 35 Publikationen zur Ernährung der Seeleoparden, nur zwei von ihnen erwähnen Grundfische und nur eine Antarktisdorsche (Nototheniidae) als Robben-Nahrungsbestandteil. So war Krause überrascht über die effektive Fischfangtechnik der Robbe.
Weiterhin haben die Crittercams erstmals beobachtet, dass Seeleoparden anderen Tieren ihre Beute rauben: Kleptoparasitismus. Bisher hatten einige Robbenforscher angenommen, dass Seeleoparden vielleicht manchmal in Gruppen jagen. Diese Beobachtung zeigt nun eher, dass einer dem anderen das Futter wieder stiehlt. Mit so einem dramatischen Kampf zweier Top-Prädatoren um ein erbeutetes Pelzrobbenjungtier hatte niemand gerechnet. Krause kommentiert: Von einer friedlichen Szene geht es geradewegs in einen Kriegsfilm über – zwei Seeleoparden, die sich aggressiv kämpfen!
Außerdem schnappen Seeleoparden auch Kadaver. Das ist für Prädatoren nicht unüblich. Allerdings gehen die Seeleoparden offenbar noch einen Schritt weiter – die Robbenforscher gehen davon aus, dass die beobachteten Prädatoren getötete Tiere an einer verstecken und sammeln, um noch etwas zu essen für später zu haben. In diesem Fall war das Versteck ein Fels in 10 Metern Tiefe.
Die Crittercam hat also völlig neue Einblicke in die Ökologie der großen antarktischen Robbe ermöglicht.
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