Zum Schluß der Kurzserie über Klimawandel in der Arktis noch ein Exkurs zur Wissens- und Wissenschaftskommunikation.
Für den Klimawandel brauchen wir neben den klimatologischen Methoden auch Methoden der angewandten Psychologie und Soziologie.
Wir brauchen andere Formate, andere Worte und andere Bilder. Die nicht nur ein schlechtes Gewissen, Weltuntergangsstimmung und Ohnmacht der Einzelnen verursachen.
Wir brauchen Ikonen, die auch weniger gebildete Menschen erreichen und als Vorbilder massentauglich sind. Wenn ein Spitzensportler oder Popstar sein PS-starkes Auto stehen ließe und stattdessen Fahrrad oder Bahn fährt, wäre viel gewonnen.
Wir brauchen Story-Telling, um komplizierte Fakten und abstrakte Daten in gute Geschichten zu verpacken, die leichter verständlicher sind.
Wir müssen Wege zu klimaneutralerer Lebensweise aufzeigen, die im Alltag auch funktionieren können – finanziell und logistisch. Dazu gehört ein viel besseres Angebot von öffentlichen Verkehrsmitteln – barrierefrei, bessere Taktung und niedrigerer Preis (oder kostenlos). Jobtickets für Gutverdienende gibt es, wir brauchen auch kostenlose Tickets für Menschen mit geringem oder ohne Einkommen. Manche Städte – vor allem außerhalb Deutschlands – haben damit bereits gute Erfahrungen gemacht, etwa in Tallinn oder in Singapur.
Wir müssen klimaneutrales Handeln belohnen und Klima schädigendes Verhalten stärker sanktionieren.
Städte, Kommunen und Regionen, Bundesländer und Bundesregierung sowie Interessengruppen müssen endlich bei notwendigen Einschnitten gute Alternativen anbieten – etwa beim Braunkohleausstieg den darin Beschäftigen andere Arbeitsmöglichkeiten und Sozialpläne anbieten.
Außerdem könnte man mal wieder darauf hinweisen, dass diese Arbeitsplätze mit spezifischen Berufskrankheiten bitter bezahlt werden und die Luftverschmutzung ganze Regionen gesundheitlich schwer belastet. Das Recht auf eine Arbeit im Kohlebergbau steht gegen das Recht auf faire Arbeitsbedingungen und gesunde Lebensbedingungen.
Und wir müssen Klimaschutz als Chance für alle kommunizieren.
Etwa, dass mehr Bewegung und eine geänderte Ernährung positiv für jeden Einzelnen sind.
Positive Anreize können auch ein Kaffee auf dem Weg zur Arbeit sein – im ÖPNV (Becher selbst mitbringen!) oder beim Brückenkaffee in Frankfurt am Main.
Gleichzeitig könnte ein positives Community-Gefühl erwachsen.
Mehr dazu auch unter Klimafakten: Klimakommunikation. Dort hat Michael Brüggemann (Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg mit Schwerpunkt Klima- und Wissenschaftskommunikation, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von klimafakten.de) in 6 einfachen Thesen die Kommunikationsziele auf den Punkt gebracht. Wichtig sind u. a. die Kommunikation auf Augenhöhe, das Entlarven von Verschwörunsganhängern und, dass Klimaschutz nur mit den Menschen gelingt und nicht gegen sie.
Woran sind Klimaexperten und Klimaskeptiker erkennbar?
Für die Klimadiskussion ist auch wichtig, Forschungsergebnisse, Fakten, Behauptungen und Statements einzuordnen und gewichten zu können.
Wer ist eigentlich ein Klimaexperte?
„Wie erkennt man einen echten Klimaexperten?“ hatte Stefan Rahmstorf (Klimaforscher am PIK und Science-Blogger) in einem sehr hilfreichen Beitrag gepostet.
Die FAZ brachte kürzlich den Beitrag „Die Zeugen der Zweifler“ über WissenschaftlerInnen, die den Klimawandel bezweifeln.
Der Journalist Rauchhaupt nennt dabei wichtige Klimaskeptiker aus der wissenschaftlichen Community und deren Arbeiten, die von Klimaleugnern immer wieder zitiert werden.. Sein Fazit:„Bedenklicher aber ist, dass die klimaskeptischen Arbeiten dieser Wissenschaftler bereits bei ihrer Veröffentlichung wiederum auf die größte Skepsis der Fachkollegen stießen. Lindzen wird zwar immer noch geachtet, seine die Klimaerwärmung betreffenden Arbeiten waren aber oft schon bald nach ihrem Erscheinen widerlegt.“
Wissenschaftliche Arbeit endet nicht mit der Publikation einer Arbeit. Während der Publikation und noch mehr nach ihrem Erscheinen geschieht (oft weltweit) eine Diskussion der Ergebnisse. Immer wieder werden Publikationen widerlegt, manche werden förmlich zerrissen (s. dazu meertext zum Bärtierchen-Genom und Octopus-Genom ).
Vor allem bei hoch ideologischen Themen wie dem Klimawandel sollte man bei besonders Aufsehen erregenden Publikationen oder Behauptungen immer erst einmal die Fakten recherchieren, wer was aus welchem Grund geschrieben oder gesagt hat.
Schon nach kurzer Recherche lösen sich die vermeintlichen Beweise meist in heiße Luft auf.
Auch unstrukturiert-erregte, von Verunglimpfungen durchsetzte und mit extrem vielen Fragezeichen, Fettdruck und Anführungszeichen garnierte Wortbeiträge sind bereits ein Hinweis auf eine gewisse Unsachlichkeit und darauf, dass die Sach-Expertise möglicherweise hinter der Ideologie weit zurückbleiben könnte.
Auch wer behauptet, allein die Wahrheit zu kennen und andere schnell der Lüge bezichtigt sowie das reflexhafte Beharren auf der freien Meinungsäußerung deuten meist auf Verschwörungsanhänger hin. Normale Menschen, die in demokratischen Staaten leben, wissen, dass sie ein Recht auf freie Meinungsäußerung haben und dass Sachverhalte möglicherweise unterschiedlich interpretiert werden können.
Warum VerschwörungsanhängerInnen diese spezifischen Sprachmerkmale bevorzugen, darüber vermag ich nur zu spekulieren. Aber vielleicht findet sich ein Linguist, eine Linguistin, die dazu mehr wissen?
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