Manja Voos und ihre Kollegen konnten mit dem neuen Fund WH 10001 dieses Räuber-Beute-Verhältnis noch einmal untermauern:
Bislang waren in Basilosaurus-Mageninhalten vor allem Fische von bis zu 50 Zentimeter Länge nachgewiesen – der Urwal hatte sie gejagt und im Ganzen verschluckt, so, wie heutige Orcas große Fische fressen. Das war auch in diesem Mageninhalt zu finden: Ein Kieferstück des Knochenfisches Pycnodus mokattamensis, der bis zu einem Meter lang wurde, und der Zahn eines großen Carcharocles sokolowi – eine bis zu 5 Meter lange Haiart aus der Verwandtschaft der Makrelenhaie, zu denen auch Megalodon und der Große Weiße Hai gehören.
Basilosaurus hat also sicherlich in der einstigen Lagune auch Dorudon gejagt, aber er kein direkter Vorfahr der heutigen Orcas. Orcas sind moderne Zahnwale, beide Tiere trennen 40 Millionen Jahre Evolution.
Was wir hier so gemütlich am Rechnerlesen, ist das Ergebnis knallharter Feldarbeit:
Manja Voss` trockene Beschreibung der Fundsituation deutet es an:
Die Wüste hat keine schützende Pflanzenbedeckung und liegt somit offen für die Erosion durch den Wind, der Sandkörnchen über den Boden peitscht und immer neue Fossilien aus dem schluffigen Untergrund frei schmirgelt.
Die Wal- und Seekuh-Fossilien dieses Bereich sind Knochenanhäufungen, die jeweils so isoliert liegen, dass sie einzelnen Tieren zugeordnet worden können. Bei einigen liegen die Knochen noch im Verband vor, andere Skelette sind durch Strömungen und Aasfresser auseinandergedriftet worden. WH 10001 ist ein aufgelöstes Skelett, dessen Knochen über ein kleines Areal verstreut sind. Die Knochenanhäufung ist aber nimmer noch klar einem Individuum zuzuordnen, das nächste Fossil ist eine 150 Meter entfernte Seekuh.
Die Feldarbeit in einer Wüste ist im wahrsten Sinne des Wortes Knochenarbeit. Trotz aller heutigen technischen Hilfsmittel.
Quelle:
Voss M, Antar MSM, Zalmout IS, Gingerich PD (2019) Stomach contents of the archaeocete Basilosaurus isis: Apex predator in oceans of the late Eocene. PLoS ONE 14(1): e0209021. )
Ein imaginärer Tauchgang im Tethys-Meer
Manja Voss und ihrer Co-Autoren ökologische Analyse baut auf vielen anderen Forschungsarbeiten auf: Von der sorgfältigen Analysen zur Altersstruktur der fossilen Skelette bis zu heutigen Whale falls sowie den ozeanographischen Parametern in einer Lagune und natürlcih der Taphonomie. Die Arbeit hat mir beim Lesen richtig Spaß gemacht, weil vor meinem inneren Auge ein Bild des Lebensraums vor 37,5 Millionen Jahren entstand. Vielleicht ergeben die Fakten nicht für jedermann und jederfrau soclh ein plastisches Bild. Darum ist hier meine Einladung zu einem imaginären Tauchgang mit Zeitmaschinenfunktion:
Der Basilosaurus isis durchstreift hungrig die flache, warme Lagune. Das flache Wasser schillert grünlich-türkis, der Boden ist sandig-kalkig und von glitzerndem Muschelschill bedeckt.
Der Basilosaurus ist ausgewachsen, fast 17 Meter lang, zum Sattwerden für seinen hochtourigen Wal-Stoffwechsel braucht der Meeressäuger viel Fisch und Fleisch. Der meterlange Knochenfisch Pycnodus mokattamensis und der große Hai Carcharocles sokolowi sind schon längst wieder verdaut, er braucht dringend eine neue Mahlzeit.
Der große Urwal weiß aus Erfahrung, dass hier besonders viele junge Dorudons leben, die im vermeintlichen Schutz des flachen Gewässers heranwachsen. Die jungen Urwale sind noch unvorsichtiger als ihre älteren Artgenossen und somit leichtere Beute. Aber groß genug, um eine sehr reichhaltige Mahlzeit abzugeben!
Sein an den aquatischen Lebensraum perfekt angepasstes Gehör fängt die Laute eines anderen Urwals auf – ein Dorudon! Die gewaltige Fluke wendet den schlangenförmigen Körper virtuos und lautlos, dann schwimmt der größte Meeresjäger seiner Zeit und Herrscher des Ozeans in Richtung der verlockenden Laute.
Der junge Dorudon, der mit 1,70 Metern Länge noch nicht einmal halb so groß wie seine Mutter ist, schwimmt in der Lagune umher. Der hohe Salzgehalt der Lagune gibt ihm Auftrieb, er hat noch keine dicke Fettschicht wie die älteren Tiere. In der geringen Strömung der Lagune kann er seine Schwimmmuskeln trainieren, bevor er sich in die offene Tethys wagt. Zum Atmen muss er an die Oberfläche und den größten Teil des Kopfes aus dem Wasser strecken, das Nasenloch sitzt auf der Hälfte der langgezogenen Schnauze. Dann taucht er wieder ab, von der nahenden Gefahr hört und sieht er nichts. Basilosaurus hat den kleinen Dorudon mittlerweile erspäht – er pirscht sich weiter an die Beute heran. Das letzte Stück Weg legt er in einem Sprint zurück, dann schnappen seine Kiefer zu um den Kopf des kleineren Wals. Die kegelförmigen Zähne des großen Archaeoceten piercen den Schädel, die hinten gesägten zermalmen Teile davon.
Aber der junge Urwal ist seine letzte Mahlzeit!
Mit vollem Bauch stirbt der „König der Echsen“ wenige Tage später, seine Todesursache bleibt unbekannt.
Der große Urwal sinkt auf den Boden der eozänen Lagune und verwest. Aasfresser und Verwesung hinterlassen bald nur noch das blanke Skelett, dabei wird auch die noch nicht verdaute Beute wieder freigesetzt. Schließlich verdriftet das Spiel der Wellen und Grundströmungen die Knochen des einstigen Königs der Tethys.
Die Mini-Lebewesen dieser Zeit, das Plankton, mischt sich unter die Ablagerungen und erlaubt später eine genaue zeitliche Einordnung – wie ein Kalenderblatt der Erdgeschichte.
Irgendwann ist der eozäne Whale fall vollständig von Schill, Sand und Planktonresten bedeckt und schläft in seiner steinernen Zeitkapsel, bis er 2010 von den ewigen Sandwinden der Sahara wieder freigelegt wird.
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