Neuston – die blau-lila Lebensgemeinschaft
An der Grenze zwischen Ozean und Luft sind sie vielen Gefahren ausgesetzt. Ihre blau-violetten Färbungen an den Oberflächen tarnen sie gegen Freßfeinde aus der Luft, die oft transparenten oder weißlich-silbrigen Unterseiten tarnen gegen Freßfeinde von unten. Auftriebskörper halten sie an der Meeresoberfläche und Segelstrukturen bieten dem Wind Widerstand:
Die Veilchenschnecke hängt kopfüber an einem selbst gebauten Blasenfloß, das auch ihre Eier transportiert.
Die Seeschwalbe Glaucus hat als Auftriebshilfe lange, fadenförmige Fortsätze, die ihr Absinken verhindern. Außerdem lagert sie in diesen Fäden ihr Waffenarsenal: Nesselzellen. Glaucus frisst nämlich Physalia und nimmt dabei auch die Nesselzellen der Staatsqualle auf. Bis heute ist nicht bekannt, wie Glaucus die Übernahme der Nesselzellen anstellt, ohne dass diese explodieren und ihre Giftfracht entladen. Solche “gestohlenen” Nesselzellen heißen Kleptocniden.
Die Portugiesische Galeere Physalia selbst ist eine Staatsqualle, im Zentrum ihrer Polypengesellschaft ist eine hoch aufragende Gasblase mit Kamm.
Die Segelqualle Velella ist wesentlich kleiner, sie besteht aus einer Scheibe mit einem hoch gestellten Kamm als Segel. Die Qualle Porpita besteht aus einer Scheibe als Treibkörper, von der aus die bläulichen Polypen als Tentakeln nach unten hängen.
Sie alle fressen sich gegenseitig oder erbeuten noch kleinere Meerestiere, die mit der Blauen Flotte über den Ozean driften. Ruderfußkrebse (Copepoda), winzige Seeanemonen und Seepocken sowie Bakterienansammlungen, wie Rebecca Helm schreibt.
Nicht alle von ihnen sind klein, aber sie alle sind schwache Schwimmer und driften mit Strömungen und Wind dahin.
Das Neuston ist noch wieder in verschiedene Schichten unterteilt, in die Meeresoberfläche selbst, oder die Schicht direkt darunter (Pleuston).
Die Veilchenschnecke – ein Männchen-Weibchen mit spitzen Zähnen und „Hausboot“
Das Neuston ist eine komplexe Faunengemeinschaft, die sich selbst genügt:
Himmelblaue Veilchenschnecke Janthina, die Seeschwalbe oder Seeschmetterling Glaucus, die Segelqualle Velella, die Polypenkolonie Porpita und Physalia verbringen ihr ganzes Erwachsenenleben in diesem Floß zwischen Himmel und Ozean. Sie fressen dort und pflanzen sich fort, viele von ihnen vereinen zwei Geschlechter.
Janthina ist blind, sie ernährt sich vor allem von den kleinen Quallen Velella und Porpita. Stösst die Schnecke mit einer kleinen Qualle zusammen, greift das Weichtier zu und weidet die Unterseite des Nesseltiers ab: das Mundrohr, die Fortpflanzungsorgane und die Tentakel. Als Schnecke hat das Himmelblaue Neuston-Tier eine Radula, die der Veilchenschnecke ist mit spitzen Zähnen besetzt. Die Zähne schlägt sie in ihre Beute und schlingt dann große Brocken hinunter. „Groß“ in Relation zu ihrer Körpergröße, denn ihre blaue Schale wird maximal 4 Zentimeter groß.
Vor Nesseltieren hat sie keine Angst; manchmal räubert sie auch an der wegen ihrer Giftigkeit gefürchteten Portugiesischen Galeere.
Als Larve hat die Veilchenschnecke noch Wimpern, deren Schlag Auftrieb erzeugt. Beim Übergang zum Erwachsenenleben baut sie ihr Floß: Mit dem Vorderende des Fußes, der zu einem tiefen Löffel geformt ist, fängt sie Luftblasen ein und ummantelt diese mit Schleim. Der Schleim härtet schnell aus, so entsteht ein Floß. In ihrem Lebenszyklus ist Janthina zunächst ein Männchen, wenn sie größer ist, wird sie ein Weibchen. Ihre Eikapseln befestigt sie an ihrem Floß. Aus den Eiern schlüpfen dann die kleinen Veligerlarven und schwimmen davon, um im gelatinösen Plankton heranzuwachsen (Ankel, 1962).
Quellen:
- Rebecca Helm: How Plastic Cleanup Threatens the Ocean’s Living Islands (The Atlantic, 22.01.2019)
- The Ocean Cleanup: Environmental Impact Assessment (TOC_EIA_2018(4).pdf)
- Wulf Emmo Ankel: “Die blaue Flotte” Natur und Musuem, 92 (10) 1962
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