Es besteht also sehr wohl die Möglichkeit, dass ein Alligator eine Insel des Lebens in der Tiefsee werden kann. „Thus, I am on ship, 100’s of kilometers from shore, placing an alligator 2 kilometers deep on the seafloor.” schreibt McClain auf dem Blog The Deep Sea News.
Noch wichtiger ist dieses Experiment für die Paläontologie: Im Mesozoikum, dem Erdmittelalter und der Blütezeit auch der großen Meeresreptilien, dürften solche Reptile Falls wesentlich häufiger gewesen sein dürften. Schließlich besetzten Ichthyosaurier, Mosasaurier, Plesiosaurier, Krokodile und andere Reptiliengruppen damals viele ökologische Nischen, die heute von Meeressäugern oder Fischen ausgefüllt werden.
Aus Fossilfunden ist bekannt, dass seit über 30 Millionen Jahren die Kadaver großer Meerestiere von anderen Tieren besiedelt werden: Der deutsche Paläontologe Steffen Kiel hatte 2006 an 30 Millionen Jahren alten Knochen von Walen und Vögeln die Spuren des Zombiewurms Osedax beschrieben.
2014 hatte Silvia Danise (Uni Plymouth) solche Besiedlungspuren von einem Ophtalmosaurus-Fossil beschrieben. Das Skelett dieses großen Ichthyosauriers zeigte charakteristische Bißmarken von Fisch- und Seeigel-Zähnen. 2015 beschrieben Danise und Higgs drei Fossilien mit Spuren des Osedax: Beim ersten handelt es sich um den 100 Millionen Jahre alten Oberarmknochen eines Plesiosaurus. Die anderen beiden Fossilien waren Rippen und Bauchpanzer von etwa 60 Millionen Jahre alter Meeresschildkröten.
Über die Forschungsergebnisse für aktuelle ökologische Fragen hinaus dürfte dieses Projekt also auch für viele Paläontologen sehr wertvoll sein! Über die Ökologie und die Kohlenstoff-Zyklen fossiler mariner Systeme ist schließlich noch nicht so viel bekannt.
In den modernen Meeren sind Alligatoren das, was den ausgestorbenen Meeresechsen des Erdmittelalters am nächsten kommt. Darum ist dieses Alligatoren-Experiment ein großartiges Lehrstück für die Aktuopaläontologie: Paläontologen beobachten heutige Tiere und Pflanzen, um so Erklärungen für Fossilien ableiten zu können.
In Deutschland gibt es zwei herausragende Fossil-Lagerstätten, an denen genau solche Fragestellungen von Bedeutung sind: Die weißen Plattenkalke auf der fränkischen Alb, Solnhofen, Eichstätt und Mühlheim. Und die schwarzen Posidonienschiefer der schwäbischen Alb, mit den Fundstellen Holzmaden und Dotternhausen. Beide Fundstellen sind Konservat-Lagerstätten und lassen aufgrund ihrer herausragenden Erhaltung inklusiver weicher Bestandteile wie Haut und Federn eine weitreichende Rekonstruktion mariner Ökosysteme zu. In den schwarzen Posidonienschiefern sind vor allem die Ichthyosaurier in herausragender Erhaltung zu finden, in den weißen Solnhofen-Plattenkalken sind es verschiedene große Meeresreptilien, Flugsaurier und die berühmte Archaeopteryx lithographica.
PS: Leider habe ich keine Bildfreigabe bekommen. Die Aufnahmen des verwesenden Alligators in der Tiefe des Golf von Mexiko sind hier zu sehen.
PS II (19.02): Gerade eben ist mir ein schöner Artikel zu einem Whale Fall-Experiment in die Timeline “gefallen”:
Dabei geht es um einen Finnwal namens “Rosebud” und die Bedeutung des Whale Falls als Generator der Biodiversität. Die Abfolge der Tiefsee-Buffet-Gäste ist schön beschrieben:
“The first animals to pounce had been scavengers, such as sleeper sharks and slimy, snake-like hagfish. In the course of about six months, they had eaten most of the skin and muscle. Inevitably, the scavengers had scattered pieces of flesh around the whale carcass, and native microbes had multiplied quickly around those scraps. Their feeding frenzy, in turn, had depleted oxygen in the seafloor’s top layers, creating niches for microbes that could make methane or breathe sulfate.”
https://www.newyorker.com/science/elements/a-whales-afterlife?fbclid=IwAR05NC2pBIMbVxcjqgVxZnI9Btgeo9jCkMROJ3fLTihFSBNWc-kLgYw25Eo
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