Beim Landeanflug auf Santiago de Chile am frühen Morgen sind die Anden zunächst nur als Schatten zu ahnen. Dann taucht das Morgenlicht die südamerikanischen Kordilleren in eine morgendliche Licht-Orgie aus flammenden Rotschattierungen.
Die nächsten zwei Wochen werden wir in stetiger Sichtweite der der südamerikanischen Gebirgskette zubringen: Die Sonnenfinsternis 2019 ist für uns der Anlaß, von Santiago de Chile nach Norden bis nach Antofagasta zu fahren. 1.336,5 Kilometer über die legendäre Ruta 5 / Panamericana Norte mit Abstechern zu Sternwarten und an die Küste, zwischen der atemberaubenden Natur- und Kulturgeschichte Chiles, durch mehrere Klimazonen und Gesteinsformationen und durch die Atacama-Wüste.

Eigentlich wollte ich sofort bloggen – teils schlechtes oder fehlendes WLAN, ein extrem dichter Zeitplan und zuletzt auch noch ein fieser grippaler Infekt haben mich gebremst. Darum kommt der Bericht jetzt etwas später.
Übrigens: Dass ein Flug von Deutschland nach Chile nicht klimaneutral ist, ist mir bewusst. Nach einigem Nachdenken habe ich mich trotzdem entschieden, diese Reise mitzumachen. Ich benötige keine Belehrung darüber, dass ich mit dieser Reise einen großen CO2-Fußabdruck hinterlassen habe. Als persönliche CO2-Buße möchte ich einige unserer Reise-Erlebnisse hier teilen.
Wir – das sind Rainer, Miriam, Steffen, Vincent und ich. Amateur-Astronomen, Journalistinnen, Science-Bloggerin, Nerds. Der folgende Reisebericht enthält meine persönlichen Ansichten und Wertungen.
Unsachlich. Tendiozös. Zoophil.


Banana-Gate, Essen am Humboldstrom, Mumien und keine Dinosaurier

Wall-Painting in einer Bar in Santiago de Chile (Photo: Bettina Wurche)

Chile schützt seine Flora und Fauna mit strengen Vorschriften: Man darf keine Pflanzen und Tiere einführen. Darum habe ich meine letzte Banane auch noch vor der Landung aufgegessen. Dann hole ich mein Gepäck ab und gehe reinen Gewissens und mit schwerem Koffer durch die Zollkontrolle.
Der Zoll-Hund schaut mich begeistert an und kommt mit munter flappenden Ohren auf mich zugesprungen. Ohhhh…sh…! Die Bananenschale ist noch im Rucksack. Die konnte ich im Flugzeug ja schlecht auf den Gang werfen. Der Hund beschnuppert aufgeregt meinen grünkarierten Rucksack und wedelt voller Energie.
Mein Rucksack wird sofort mit rot-weißem Klebeband strafmarkiert und ich muss mich am Straf-Katheder noch einmal hochnotpeinlich belehren lassen. Der Zöllner droht mir 400 US-Dollar Strafe an. Zu Recht – das hätte ausgerechnet mir als Biologin nicht passieren dürfen, wo mir die Gefahren invasiver Arten doch absolut bewusst sind. Banana-Gate geht für mich glimpflich aus, ich muss nicht zahlen, sondern darf nach wiederholter Verwarnung gehen. Das passiert mir garantiert nie wieder.

Unser Hotel liegt in der Innenstadt Santiagos, nahe der Kunst-Hochschule. Das Viertel erinnert mit seinen vielen Art Deco-Elementen und dem etwas abgegriffenen Charme an südeuropäische Städte wie Madrid oder Barcelona. Absolut überwältigend ist die StreetArt: Viele Fassaden sind kunstvoll bemalt. Nach dem Umzug in ein anderes Viertel ändert sich das Straßenbild: Die Häuser sind niedriger, meist nur zweistöckig und viel einfacher, dafür sind die Fassaden noch phantasievoller bemalt. In jeder Stadt sind wir wieder eingetaucht in die kunstfertige Farbigkeit der Fassaden und konnten uns nie daran sattsehen.

Unser Kulturprogramm besteht aus einigen Museumsbesuchen und Stadtrundgängen. Immer wieder habe ich das Gefühl, eigentlich in Spanien zu sein. Bis ich dann auf einer Fassade einen steinernen Vogel sehe – statt der in Europa üblichen Adler dominiert hier das unverwechselbare Profil des Kondors. Oder etwas anderes typische Chilenisches entdecke.
Santiago de Chile ist 1541 von den spanischen Eroberern gegründet worden als Santiago del Nuevo Extremo – Santiago of New Extremadura. Allerdings waren an der gleichen Stelle bereits Inca-und andere Siedlungen.
Die 7-Millionen-Santiago Metropolitan Region ist heute eine der größten Metropolen Südamerikas. Bis zum Salpeter-Boom war die Ansiedlung eher klein, trutzig und gebeutelt von zunächst Angriffen der Inca, dann von Erdbeben und regelmäßigen Überschwemmungen vor allem des Mapocho-Flusses. Ab Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts in den Kriegen und Aufständen zur Unabhängig wurde sie größer und urbaner, 1920 wohnten dann schon über eine halbe Million Menschen in Santiago.

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Kommentare (9)

  1. #1 Dampier
    19. Juli 2019

    ¡Me muero de envidia!

    Ich wünsche dir viel Spaß im schönen Chile!

    Santiago habe ich auch als sehr angenehm empfunden, vor allem das Univiertel (versuche gerade zu rekonstruieren wo das war. Irgendwie am Fuße eines der Berge, die mitten in der Stadt stehen, wahrscheinlich der Cerro Santa Lucía). Sehe gerade rüber nach dem alten Buch über Chilotische Mythologie, das ich dort in einem Café-Buchladen gekauft habe … ay nostalgia …

    Seid vorsichtig mit Essen dort, vor allem rohen Sachen & Leitungswasser (Eiswürfel etc.). Auch wenn es kein tropisches Land ist, sollte man dir gleichen Vorsichtsmaßnahmen walten lassen. Mich hat mal ein normales verpacktes Eis am Stiel für Tage lahmgelegt.

    Bei Seafood muss man besonders vorsichtig sein, es gibt da die rote Algenblüte, die einem sehr unangenehme und langwierige Krankheiten einbringen kann. Fragt mal nach Marea Roja (Red Tide, s. EN-Wiki)

    aquatic microorganisms, such as protozoans and unicellular algae (e.g. dinoflagellates and diatoms)

    Aber genug der Warnungen, genießt es!

    Meine Lieblingsmumie war in San Pedro de Atacama ausgestellt, sie wurde “Miss Chile” genannt, und war tatsächlich selbst als Mumie noch wirklich attraktiv. 😉

    Saludos

  2. #2 Bettina Wurche
    19. Juli 2019

    @Dampier: Danke – wir sind ja schon wieder zu Hause, mittlerweile wieder gesund : ) Re Tide und die bösen anderen Krankheiten gehören eher in den Sommer – im Winter war es mir viel zu kalt für Eis. Red Tide entsteht, wenn der Ozean zu warm wird, im Sommer oder bei El Nino-Events. Dabei gab es ja schon Wal-Massensterben, vor einigen Jahren und auch schon vor 12 Millionen Jahren.
    https://scienceblogs.de/meertext/2016/01/15/337-tote-seiwale-vor-chile-sind-giftalgen-und-el-nino-schuld/
    Die Fisch- und Muschelzuchten und die Fischerei müssen dann geschlossen werden, diese Dinoflagellaten können tödlich enden, auch für menschen.
    San Pedro haben wir leider abblasen müssen, wir waren am Ende der Reise fast alle ziemlich angeschlagen, dort ging gerade Grippe um und wir haben uns alle einen Infekt eingefangen – ich musste noch zwei Ärzte konsultieren, um den Rückflug überhaupt antreten zu können. San Pedro hätten wir so gern noch gemacht! Auch die Geysire und Salzseen müssen phantastisch sein.

  3. #3 RPGNo1
    19. Juli 2019

    @Bettina Wurche
    Die Geschichte mit dem freudig wedelnden Obst-und-Gemüse-Spürhund ist ja herzallerliebst. Er hatte sein Erfolgserlebnis für diesen Tag, juchhee!

    Bei eurer Reisegruppe und bei dir wird es sich nicht so angefühlt haben, der Puls konnte wohl Techno Dance nachahmen. Aber am Ende ist ja alles gut ausgegangen, da der Zöllner es bei einer strengen Ermahnung gelassen hat.

  4. #4 Bettina Wurche
    19. Juli 2019

    @RPGNo1: Ja, ich war wohl angemessen schuldbewusst. Aber den Hund habe ich wirklich glücklich gemacht!

  5. #5 M
    Bolivien
    22. Juli 2019

    Ja, mit ihrem Schutz vor ‘fremdem’ biologischen Material haben es die regulierungssüchtigen Arschlöcher in Chile. Schwachsinniges Pack. Als ob in den letzten 500 Jahren nicht schon alles erdenkliche quer über den Planeten geschleppt wurde. Invasive Bananen, jaja.

    So einen Schwachsinn gibt es auch in Bolivien, verblödete Affen müssen ja alles nachmachen. Zum Glück gilt hier der gute Grundsatz ‘Legal, illegal, scheißegal’. Die Zöllner ignorieren Pflanzenmaterial und Nahrungsmittel. Zumindest bei mir im Koffer. Und irgendwann kriege ich das blöde Zeug auch hier ans Wachsen, das ist nämlich verflixt schwierig. Ein Bekannter hat mal Brennesseln angebaut. Selbst die muss man hegen und pflegen damit sie nicht eingehen. UV-Index 11 erledigt fast alles was die 6 Monate Jahreszeitverschiebung nicht schon packt.

    Es geht bei der gesetzl. Regulation übrigens vorwiegend um Schädlinge und Krankheiten, die die Landwirtschaft evtl bedrohen könnten. Aber da ist die große Frage, ob es nicht besser ist das Gemüse und Viehzeug auf Resistenz zu züchten. Irgendwann kommt die Invasion nämlich trotz allen Vorsichtsmaßnahmen.

    Und wenn ich den Artenreichtum an Insekten, Vögeln, Spinnentieren, Schlangen etc hier vor meiner Haustür mit der Armut in Schland vergleiche, kann ich euch auch versichern, dass invasive Arten das kleinste Problem für Ökosysteme sind.

    Das präkolumbianische Museum in Santiago kann ich allerdings auch nur wärmstens empfehlen. Besonders gut hat mir die Tonfigur eines Inkas beim Kacken gefallen.

    Die ‘Seespinne’ war wahrscheinlich Lithodes santolla. Eine Krabbe, glaubich. Sehr lecker!

    Die Sofi habe ich auch gesehen. Ca 65% Bedeckung, etwas Wolken und kurz vor Sonnenuntergang. Deswegen hab ich nur ein schlechtes Handyfoto davon. Bin gespannt wie es da weiter ‘unten’ ausgesehen hat. Ich hatte dafür die Anden im Hintergrund

  6. #6 Beobachter
    im "armen Schland"
    22. Juli 2019

    zu # 5, M:

    Aha, ” regulierungssüchtige Arschlöcher in Chile. Schwachsinniges Pack” und “So einen Schwachsinn gibt es auch in Bolivien, verblödete Affen müssen ja alles nachmachen. Zum Glück gilt hier der gute Grundsatz ‘Legal, illegal, scheißegal’.” usw.
    Und im Museum: “Besonders gut hat mir die Tonfigur eines Inkas beim Kacken gefallen.”
    Die Sofi kommt nebenbei auch noch vor.

    Ein wahrlich toller Kommentar, der vor fachlicher Kompetenz, besonders gutem sprachlichen Ausdrucksvermögen und Achtung vor den Mitmenschen und der Natur geradezu strotzt (das ist sarkastisch gemeint).

  7. #7 Bettina Wurche
    22. Juli 2019

    @M: Die von mir genannte Seespinne ist tatsächlich eine Königskrabbe, die einer Seespinne (Maja) allerdings sehr ähnlich sieht. Darum heisst die Nordische Steinkrabbe/Königskrabbe auch Lithodes maja (maja = seespinnenartig). Lithodes maja ist allerdings die nördliche Art. In Chile gibt es natürlich die antarktische Art, Lithodes santolla.
    Ihrer Einschätzung der Artenschutzbestimmungen schließe ich mich nicht an – das Vorhandensein bereits zu vieler invasiver Spezies kann kein Grund dafür sein, den Schutz davor jetzt zu lockern. Der aktuelle Ausbruch von Schweinepest in Deutschland/Polen ist ein Beispiel dafür, wie wichtig und schwierig dieses Thema ist. Auch das Vogelgrippe-Auftreten der vergangenen Jahre hat das immer wieder gezeigt.

  8. #8 zimtspinne
    24. Juli 2019

    Ui, Bettina,
    ihr habt euch doch nicht exotische Pilze oder Pflanzenteile eingetan…. weil……….
    so kenne ich dich ja gar nicht (sprachlich, flapsig, 1. Absatz, letzter Teil).

    Du brauchst dich für nichts zu erklären oder rechtfertigen, und wenn du mal keine Lust zum Bloggen hast und das später nachreichst, mach das einfach.
    Wenn du schon so eine 1A Gelegeheit hast, etwas Abstand vom westlichen Trubel und Stressgedöns zu bekommen. Ist ja auch wertvolle Zeit.

    Ich beneide dich auf jeden Fall sehr gerade, aber eher so die Art konstruktiver Neid.
    Viel öfter müsste man sich mal auf die Socken machen und Wünsche, Ideen, Träume realsieren. Wenn man es schon könnte; denn das Leben ist ja auch irgendwo ein Abrisskalender.
    Du siehst, konstruktiver Neid 😉

    Hattest du denn das Gefühl, in Spanien zu sein, eher nur anfangs beim Kulturprogramm oder auch allgemein?
    Ich habe erst die Seite 1 gelesen, falls noch mehr dazu kommt…
    Ich muss auch gestehen, ich war zwar mehrfach in Spanien und auch in Barcelona, aber an die bunten Fassaden und streetart kann ich mich gar nicht erinnern…. ist mir zumindest nicht aufgefallen.
    War auch mehr ein Wasser- und Strandurlaub und Kultur lief nur etwas nebenher.
    Woran ich mich spontan als erstes erinnere — die riesigen Kakteen ohne Aufsicht und Erziehung in den Vorgärten 😉

  9. #9 Bettina Wurche
    25. Juli 2019

    @zimtspinne: Exotische Pilze? Nö, nur exotische Fische und Früchte – ein Zimtapfel kann bei mir schon Verzückung auslösen ; ) ich glaube aber eher nicht, dass da psychoaktive Substanzen ‘drin sind. Die Ähnlichkeit mit Barcelona und Madrid kam vor allem durch die wunderschönen ArtDeco-Gebäude vor allem in Santiago. Statt der bunten StreetArt kommen in Barcelona dann die farbenfrohen phantasievollen Bauwerke von Gaudi dazu.
    Das Spanien-Gefühl war natürlich vor allem in den großen Städten Santiago und Valparaiso da, die kleineren Städte sahen anders aus. Spätestens der Blick auf die Cordilleren machte dann immer ganz schnell klar, dass wir in Südamerika waren.
    “konstruktiver Neid” – schöner Begriff : )