Das Museum für Präkolumbianische Kunst – Precolombino genannt – zeigt die Archäologie und Kunst der Kulturen, die einst im heutigen Chile und im weiteren Südamerika lebten.
Skulpturen, Töpferwaren und Goldschmuck geben uns einen Eindruck des Figuren- und Glaubenskosmos der einstigen Bewohner der Anden und des Küstenbereichs.
Eine enge Beziehung zu Tieren wird immer wieder deutlich: Ein Trinkgefäß in Form einer springenden Katze fesselt mich. Archäologischer CatContent! Katzen kommen immer wieder vor – Großkatzen wie Jaguare, aber auch kleinere. Ein Gefäß in menschlicher führt eine Katze am Halsband. Im heutigen Chile leben noch zwei kleine Wildkatzen – ob die sich wirklich haben zähmen lassen? Darüber hätte ich gern mehr gewusst. Auf einem anderen Gefäß jagen sich zwei Kolibris um die äußere Wölbung. Auch Frösche kommen immer wieder vor, sogar als goldene Schmuckstücke. Sie gelten hier nicht als ekliges Teufelszeug, sondern sind positiv besetzte Symbole.
Eine klimatisierte Kammer zeigt textile Artefakte aus Wolle, Baumwolle, Federn und anderen weichen Materialien.
Ponchos, Kopfbedeckungen, Kopfbänder und anderer Schmuck, Wandbehänge, Fischereinetze. Kunstfertig von feinen Gespinsten bis zu wärmenden Umhängen. Am meisten hat mich eine winzige Waage aus Garn beeindruckt – solch ein Instrument habe ich noch nie aus Textil gesehen. Sowohl das Gewicht der geknüpften Waagschalen als auch die Längen der beiden Armen müssen absolut exakt gefertigt werden. Auch Quipus sind natürlich textile Werke aus Haaren und Fasern – die Knotenstränge dienten zur Erfassung von Gütern bzw. für den schriftlichen Nachrichtenverkehr, also als Zahlenwerk und Schreibwerk.
Textilien hatten in den andinischen Kulturen einen zentralen Platz: „Tapestries and large painted cloths covered the walls of temples and palaces, together with fine, transparent gauzy fabrics and reticulated woven cloth. Many textiles were produced as exchange goods used to forge political alliances, others for religious purposes and as offerings to the deities, still others to wrap the bodies of the dead in funerary bundles in a multi-layered display of textures, colors and symbols. The same care was used to weave all kinds of artifacts for everyday use, including fishing nets, bags, weight scales and even instruments of accounting, such as the quipu. One outstanding textile expression is found in woven sculptures, which reflect a high point in the exploration of the potential of this pre-Hispanic art form.”
Im Kellergeschoß kommt es dann zum kulturellen Bruch: Die Kultur der Osterinsel! Als polynesische Kultur ist sie vollständig anders in ihrer Bildlichkeit und den Materialien. Diese mythenumwobene vergangene Kultur ist in Museen, Buchgeschäften und Kultureinrichtungen immer wieder ein wichtiges Thema.
Im Precolombino und Naturkundemuseum treffen wir auf Mumien aus unterschiedlichen Kulturen. Vom hockenden „Junge von El Plomo“ (ausgestellt ist eine Replik) aus der Inka-Zeit, der auf dem trocknen windigen Berg mumifiziert und in Kleidung und mit seinen Spielzeuglamas bestattet wurde, habe ich bereits gehört und gelesen. Der Junge oder auch Prinz von El Plomo ist eine Permafrostmumie, er wurde um 1500 rituell als Menschenopfer ermordet.
Es rührt mich an, vor diesem Kind zu stehen – irgendjemand hat den Jungen (und die anderen Kindermumien) liebevoll in ein neues, warmes Gewand gekleidet, ihm Spielzeug gegeben, Arm- und Kopfbänder angelegt, die Haare geflochten, ihn geschminkt und dann betäubt. Um den Achtjährigen bei lebendigem Leib auf einem schneeumtosten Berggipfel erfrieren zu lassen.
1953 wurde diese Mumie auf einem Berggipfel nahe Santiagos gefunden, in über 5000 Metern Höhe.
Der Berggipfel von El Plomo liegen nahe Santiagos und trägt ein Heiligtum der Inkas. Diese Region gehörte im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert zum südlichsten Herrschaftsbereich des Inka-Imperiums Tawantinsuyu mit einem Verwaltungszentrum an der heutigen Plaza de Armas in Santiago – dem heutigen architektonischen Zentrum der Hauptstadt! Mindestens noch 100 Jahre nach dem brutalen Genozid der spanischen Konquistadoren und ihrer blutigen Zerstörung auch der Inka-Kultur haben Menschen auf diesem Bergheiligtum die Kinder-Mumien mit Opfergaben geehrt.
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