Guanakos sehen wir leider nicht, nur ihre Köttel künden von ihrer regelmäßigen Anwesenheit.
Nach der kurzen Führung wollen wir zurück nach La Serena fahren. Aber vorher müssen die Frauen zum Klo. Ein Glücksfall, weil wir dabei am Eingangsgebäude dem gerade ankommenden Dr. Andreas Kaufer begegnen. Er ist Director of Operations (also ESO-El Jefe) und auch noch langjähriges Mitglied der Starkenburg-Sternwarte – sofort spricht er Rainer an, die beiden Herren kennen sich natürlich. Und so kommen wir zu einer 2. Führung, die deutlich ausführlicher wird.

Dabei führt er uns das New Technology Telescope mit seinem Spiegeldurchmesser von 3,58 Metern vor – das weltweit erste Teleskop mit aktiver Optik. Aktiv bedeutet, dass die Form seines Hauptspiegels stetig computergestützt kontrolliert und korrigiert wird. Diese bei ESO entwickelte Technik der aktiven Optik ist heute Standard beim VLT (Very Large Telescope) des Paranal-Observatoriums und den meisten anderen Großteleskopen auf der Welt.

Seit 2002/2003 ist am 3,6-Meter-Teleskop auf La Silla ist mit dem High Accuracy Radial velocity Planet Searcher (HARPS) ein besonders präziser Spektrograph montiert – der weltweit führende Exoplaneten-Jäger!
Die Genfer HARPS-Arbeitsgruppe ist bei der Exoplaneten-Entdeckung sehr erfolgreich, allein 2009 hatten sie auf einen Schlag 32 neue Exoplaneten entdeckt. Allein zwischen 2003 und 2009 haben die Schweizer Forscher mit HARPS 75 der bis dahin bekannten 400 Exoplaneten erspäht, in 30 verschiedenen Planetensystemen.
Der Exoplaneten-Jäger HARPS in der Abgeschiedenheit der Kordilleren löst bei mir natürlich exobiologisches Kopfkino aus. Die ganze Situation mit der konzentrierten Betriebsamkeit, die im Sonnenlicht weiß und metallisch schimmernden High Tech-Einrichtungen auf den kargen Hügeln und das atemberaubende Berg-Panorama wirken unwirklich spacig.
Beim Wegfahren eine Verabredung zu einer Sonderführung durch Dr. Andreas Kaufer auf dem ESO-Observatorium Paranal in der Tasche, am 04.07.2019.


La Vicuna: Sonnenfinsternis im Elqui-Tal unter Hippies
Am Tag vor der Finsternis – 01.07.2019 – suchen wir nach einem guten Beobachtungsplatz – La Serena liegt direkt am Meer, auch unser kleines Apartment hat Pazifik-Blick. Zum Beobachten von Pelikanen, Tölpeln und Möwen ist das hervorragend, auch für einen herrlichen Strandspaziergang. Aber über dem Meer steigt oft Feuchtigkeit auf und bildet Dunst und Wolken, das können wir natürlich für den Blick nach oben nicht gebrauchen. Also fahren wir das Elqui-Tag hinauf, das die Kordeilleren durchschneidet.

Ruta de Estrellas – Die Route der Sterne im Elqui-Tal

Der Elqui ist zurzeit nicht sehr breit, das breite Flussbett zeigt allerdings, dass er gewaltig anschwellen kann. An seinen fruchtbaren Ufern entlang ziehen sich Wein-, Ost- und Gemüse-Anbaugebiete. Dieses Tal war schon immer fruchtbar, darum ist es seit langer Zeit bewohnt gewesen. Archäologische Artefakte wie Petroglyphen sind Spuren vergangener Bewohner und ihrer Kulturen. Wie eine Perlenkette reihen sich größere und kleinere Ansiedlungen entlang der Flussufer. Sie alle haben vor allem kleinere ein- bis zweistöckige Gebäude, jedes Häuschen hat einen gut gepflegten Garten mit mediterranen und einheimischen Pflanzen. In den winzigen Häusern – oft so groß wie bei uns eine Gartenlaube – wohnen ganze Familien mit vielen Generationen und Kindern. Alle bereiten sich auf den großen Ansturm zur Sonnenfinsternis vor – die Anwohner bereiten Stände für den Straßenverkauf mit Getränken, Obst, Empanadas und anderem vor, die Gendarmeria da Chile bereitet ein Leitsystem und die Regelung sehr großer Verkehrsmassen vor. Die Carabinieri übernehmen besondere Aufgaben, neben der Bewachung des Präsidentenpalastes auch die Regelung eines solchen Groß-Events. Ihr etwas operettenhaft-martialisches Auftreten täuscht – wir haben häufig bei ihnen den Weg erfragt, alle waren immer freundlich und hilfsbereit, auch hoch zu Ross oder mit Diensthund. Wie überhaupt die Menschen und vielen Hunde in Chile einen entspannten Eindruck machten, uns ist überall freundlich geholfen worden.

Viele der niedrigen Gebäude vor den abgeschliffenen kargen Bergzügen sind phantasievoll und bunt bemalt. Neben Menschen, Tieren und Straßenszenen sind auch viele Astro-Motive dabei – das Elqui-Tag hat viele kleine private Observatorien und eine regelrechte Astro-Touristik. Viele Amateur-Astronomen nutzen diesen Ort für einen kurzen Ausflug unter den unglaublich sternreichen südlichen Sternenhimmel mit der perfekten Sicht nach oben, weit weg von Lichtglocken größerer Städte.
Viele Angebote mit esoterischem Kunsthandwerk, Heilkristallen, Bachblüten-Therapien und ähnlichem weist auch auf eine größere Astro-Community hin. Später erklärt mir ein chilenischer Student, den wir bei der Sonnenfinsternis treffen, dass das idyllische Tal wegen des herrlichen Sternenhimmels und der archäologischen Artefakte als magisch gilt und der Hippie-Lifestyle hier noch sehr lebendig ist. Die Kunsthandwerkmärkte und astrologischen Wandgemälde sind jedenfalls absolut pittoresk.

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Kommentare (3)

  1. #1 RPGNo1
    24. Juli 2019

    @Bettina Wurche
    Toller Bericht. Ich habe richtig mitgefiebert.

    alle von uns haben im Flieger „Bohemian Rhapsody“ geguckt

    Wie ist deine Meinung zum Film? Ich habe ihn letztes Jahr im Kino gesehen und war schwer begeistert. Besonders die Schauspieler, die die Mitglieder von Queen verkörperten, waren so gut geschminkt, dass ich manchmal das Gefühl hatte, die jungen Original treten auf.

  2. #2 Bettina Wurche
    24. Juli 2019

    @RPGNo1: Das freut mich! Ich habe auch immer noch die Bilder und Begebenheiten vor Augen, beim Duchgucken der Photos fällt mir wieder so viel ein. Mir hat “Bohemian Rhapsody” unglaublich gut gefallen. Ich fand auch, dass die Darsteller extrem nah am Original waren. Vor allem spannend fand ich, wie sich einzelne Songs entwickelt haben (sollen), seitdem betrache ich die Songs noch einmla mit anderen Augen. Und Freddie Mercurys einzigartige Genialität kam ja nun wirklich gut dabei ´raus.

  3. #3 Dampier
    24. Juli 2019

    Danke für diesen schönen Bericht!