Caldera – die Walfossilien von Cerro Ballena
Am 04.07. müssen wir putzen, packen und auschecken, dann geht es weiter nach Norden.
Die Pinguinkolonie schaffen wir nicht mehr, allerdings scheinen im Winter sowieso nur wenige Pinguine dort zu sein, das ist also verschmerzbar.
Chile liegt als 4000 Kilometer langer und oft kaum mehr als 200 Kilometer breiter Küstenstreifen zwischen Anden und Pazifik. Die Anden sind der südliche Teil der Kordilleren und bis heute tektonisch aktiv. Südamerika hebt sich immer wieder aus dem Meer empor, bereits Darwin hatte die spektakulären Fossilienfunde (nicht nur) der Küstenregion beschrieben.
Unser nächster Termin und Halt ist in Caldera, dort soll es endlich einige Walfossilien geben. Caldera ist eine kleine Küstenstadt am Rande der Atacama, Fischerei und Erzverladung dominieren das Stadt-Bild. In Calderas kleinem Paläontologischen Museum soll es zumindest einen fossilen Walschädel geben. Trotz meiner lange vorher versandten Mails habe ich keinen Kontakt zum Museum oder zu einem Wissenschaftler bekommen – also einfach vorbeifahren.
Nördlich von Caldera liegt die berühmte Walfossilien-Fundstelle Cerro Ballena – der Hügel der Wale. Beim Bau der Panamericana stießen die Bautrupps auf einen Hügel voller Walfossilien. Das war bereits vorher bekannt, daher hatte der Hügel ja seinen Namen.
Cerro Ballena ist Fundstelle von herausragender Bedeutung! Mindestens 40 große Wale liegen extrem dicht und hervorragend erhalten beieinander.
Sie sind die Opfer eines Massensterbens von über 6 Millionen Jahren! Große und kleine, junge und alte Wale, Robben, Haie, Schwertfische und ein im Meer lebendes Faultier liegen hier im Tode friedvoll vereint, bedeckt von einem Leichentuch aus feinkörnigem Sand.
Die Atacama-Wüste hat hier über die Jahrmillionen einen wahren Schatz bewahrt. Eine Straßenbaustelle brachte 2010 den Walfriedhof zum Vorschein. Einzigartig sind nicht nur die Menge und die Qualität des Materials, sondern auch Nicholas Pyensons Erklärungsansatz. Der Paläontologe für Marine Säugetiere des Smithsonian-Museums war bei der Notgrabung hinzugezogen worden, um vor dem Straßenbau schnell alle wissenschaftlichen Fakten zu sichern. Seine Schlußfolgerung und die seiner Kollegen: Diese wiederholten Bartenwal-Massensterben sind am besten zu erklären mit wiederholten Giftalgenblüten. (Mehr dazu auf Meertext hier und hier).
Wir sind spät dran, das Museum hält für uns eine halbe Stunde länger geöffnet, das können wir von unterwegs telefonisch vereinbaren. Das Museum ist nicht einfach zu finden und wirklich sehr klein, allerdings charmant. Es liegt direkt am Hafen in einer Ecke des Kulturzentums.
Auf nicht sehr vielen Quadratmetern zeigt es einen winzigen Einblick in die phantastischen Fossilfunde. Der Star der Ausstellung sind das geöffnete Maul des riesigen Megalodons, ein Walschädel namens Josie und ein lebensgroßes Modell eines meereslebenden Faultiers!
Das ist das erste Mal, dass ich das berühmte Faultier sehe, es ist viel größer als erwartet. Thalassocnus ist aus Peru und Chile bekannt und das einzige Faultier, das im Meer lebte. Seine dichten Knochen sind eine typische Anpassung von Landtieren an ein aquatisches Leben, sie geben den nötigen Ballast zum Tauchen. Der Rachen ist so gebaut, dass Luft- und Speiseröhre getrennt waren, auch das ist solch eine typische Anpassung an das Fressen unter Wasser. Gefressen hat das Tier wohl Seegräser, die hier auch fossil nachgewiesen sind (Der deutsche Wikipedia-Artikel “Thalassocnus” ist sehr empfehlenswert und liefert ein lebendiges Bild der Biologie dieses ungewöhnlichen Säugers).
Die Anwesenheit des riesigen Weißhai-Verwandten Megalodon weist auf den Nahrungsreichtum dieser Gewässer hin – der Humboldtstrom existierte auch damals schon und mit ihm die gesamte Nahrungskette. Kaltes, sauerstoffreiches Tiefenwasser trifft auf vom Land eingeschwemmte Nährstoffe, das führt zu Planktonblüten, riesigen Fischschwärmen und einer hohen Biodiversität. Bis heute hat sich daran nichts geändert, nur die Artenzusammensetzung ist heute etwas anders. So gern ich einmal einen Megalodon vorbeischwimmen sehen würde, bin ich letztendlich doch sehr erleichtert, dass ich dieses Tier garantiert niemals persönlich treffen werde.
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