Mittlerweile haben sich mehrere brasilianische Gouverneure gegen die patzige destruktive Haltung ihres Präsidenten ausgesprochen.
Auch wenn sie eigentlich nicht um den Wald fürchten, sondern eher den Imageschaden und die Sanktionen, gibt das Anlass zur Hoffnung.
Möglicherweise kommt es dann doch noch zu einer internationalen Hilfsaktion.
Ist Europa ein gutes Beispiel für Wald-Schutz?
Nein.
Auch wenn Wald heute gern als Synonym für eine unberührte Idylle steht, sollten wir nicht vergessen, dass in Europa kaum noch Urwälder, sondern überwiegend Wälder als Teile der Kulturlandschaft sind.
Nach den Eiszeiten waren große Teile West- und Mittel-Europas von Wald bedeckt, in den letzten Jahrtausenden von Buchenwald. Im Mittelalter waren diese Rotbuchen-Ökosysteme, die es weltweit nur in Europa gibt, bereits weitgehend abgeholzt. In der Zeit entwickelte sich hierzulande mit den Bannwäldern der Adligen der erste Waldschutz. Urwälder gibt es nur noch an ganz wenigen Stellen.
Dabei ist ein gesunder Wald mit nachhaltiger Bewirtschaftung gut versichert auch gegen den Klimawandel, denn das intakte Ökosystem hält mehr Feuchtigkeit und schützt das Innere gegen Hitze und Trockenheit. Diese intakten Ökosysteme sind übrigens meistens seit Langem Kulturwälder. Aber natürlich dennoch absolut erhaltenswert und kostbar für Biodiversität, Klimaschutz, Naherholung und Tourismus.
Wieviel uns in Deutschland der Wald wert ist, kann man etwa am Kampf um den Hambacher Forst ablesen: Für die Braunkohle, eine absolut fossile Form der Energiegewinnung, die den dreckigsten Strom bietet, den man sich nur vorstellen kann, sollte/soll der Hambacher Forst abgeholzt werden. UmweltschützerInnen hatten sich in einem Baumhaus-Camp den Baggern und dann der Polizei entgegengestellt. Wider jegliche Vernunft wird der Braunkohle-Abbau weiter betrieben, obwohl er sogar offiziell nicht mehr als wirtschaftlich sinnvoll gilt. Gerade ein High-Tech-Land wie Deutschland sollte sich auch energiepolitisch endlich mal fit für die Zukunft zu machen, als weiterhin auf musealen Energieträgern und Abbaumethoden zu beharren.
Ich finde es sportlich, wenn Europäer dann empört von Amerikanern, Afrikanern und Asiaten fordern, doch unbedingt die Regenwälder zu erhalten.
Was würde wirklich gegen die großflächige Abholzung tropischer Wälder helfen?
Um Teile des Regenwalds oder anderer tropischer Wälder zu erhalten, könnten (europäische) Staaten oder private Zusammenschlüsse große Flächen davon kaufen oder pachten und dann unter Schutz stellen. Und zwar in viel größerem Umfang, als bisher. Solche Unterstützung könnte auch die Mitarbeit indigener Völker mit einbeziehen. Indigene Völker des Amazonas-Gebiets nutzen die Wälder übrigens schon lange, wie eine Forschungsgruppe am Mengenverhältnis der Baumarten festgestellt hat.
Allerdings haben sie dabei nicht den gesamten Wald abgefackelt.
Regenwälder wie die des Amazonas-Beckens zum UNESCO-Welterbe zu machen, könnte ein Lösungsansatz sein. Allerdings müssten auch dann Ausgleichszahlungen und sozial verantwortliche Ausgleiche erfolgen – Naturschutz darf niemals die Lebensgrundlage von Menschen durch Nicht-Nutzung bedrohen.
Die Europäer hätten auch die Möglichkeit, ernsthafte Sanktionen vom Importstop für Palmöl bis Rindfleisch bis hin zur Aussetzung oder Nicht-Unterzeichnung von Handelsabkommen zumindest anzudrohen. Solange in Europa in ungefähr jedem Produkt von Fertig-Lebensmittelns bis zu Kosmetika das billige Palmöl enthalten ist, sind die tropischen Regenwälder bedroht. Solange in Europa stetig Niedrigpreise für Fleisch selbstverständlich sind, wird weiterhin auch Regenwald für Farmen abgebrannt.
Mythen wie den angeblich umweltfreundlichen Biodiesel könnte man endlich mal platzen lassen – Kraftstoff ist nicht umweltfreundlich.
In Deutschland ist es schon lange höchste Zeit, endlich Steuervorteile für Diesel (und für Flugbenzin) aufzuheben. Dafür könnten Bahn- und ÖPNV-Tickets steuerfrei werden. Mobilitätspolitik könnte viel bewirken – wenn das Bundesverkehrsministerium doch nur endlich mal seine Wichtigkeit bei der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft begreifen und die Chancen ergreifen würde.
Solange europäische Regierungen solche Probleme nicht endlich beherzt, vorausschauend und sozial verträglich angehen, sondern sich lieber lauthals darüber streiten, was der beste Weg ist und ob 2035 oder 2050 oder vielleicht noch besser 3001 der geeignete Zeitpunkt für kleine Änderungen wäre, solange ist ihre Besorgnis um den Regenwald heiße Luft.
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