Der Hitzeschild muss die ganze Zeit zwischen dem Sondenkörper und der Sonne sein – fünf der Instrumente schauen durch kleine Öffnungen durch den Schild hindurch, die anderen schauen mit hitze- und strahlunsgbeständigen Antennen hinter dem Schild hervor. Die Öffnungen sind mit kleinen Schiebern versehen, die geöffnet und verschlossen werden können. Ausgezeichnete Nahaufnahmen des Satelliten-Modells im Presseraum sind auf Michael Khans “Go for Launch” zu finden, darunter auch eine Aufnahme der Schieber.
Ein weiterer Nachteil der Sonnennähe ist, dass die Sonde in dieser Zeit ihre Daten natürlich sammeln, aber keine Funkverbindung zur Erde aufbauen werden kann. Die irdischen Antennen müssten direkt auf die Sonne ausgerichtet werden und würden dabei zu heiß. So sammelt Solar Orbiter fleißig Daten und speichert sie alle erst einmal sicher ab. Erst etwa 6 Monate später ist Solar Orbiter auf seiner exzentrischen Bahn dann wieder weit genug weg von der Sonne entfernt, um die Daten zur Erde zu bringen.

Image result for solar orbiter

Solar Orbiter Instruments (ESA)


Solar Orbiters…some like it hot

Nord und Südpol der Sonne unterscheiden sich signifikant vom Rest des Sterns. Die Pole der Sonne sind so besonders interessant, weil sie von der Erde aus nicht zu beobachten sind, erklärt Joachim Woch (Max Planck-Institut für Sonnensystemforschung: “Sie sind Terra incognita”. Seine Arbeitsgruppe will herausfinden, wie das Plasma seine hohe Geschwindigkeit erreicht, mit dem es sich von der Sonne losreißen kann. Wo und wie entsteht der Sonnenwind? Und zum Magnetfeld der Sonne gibt es bisher erst grobe Modelle, da sind noch viel mehr Daten nötig. Das Magnetfeld der Sonne ändert sich gerade, damit werden sich auch die Pole umkehren. Sein Team hat den Polarimetric and Helioseismic Imager gebaut, mit dem sie die Photosphäre aufnehmen und die Magnetfelder verfolgen können (Zum Weiterlesen: Welt der Physik: “Die Pole sind noch Terra incognita”).
AstrophysikerInnen wollen mit den den Kameras, Magnetometern und anderen Messgeräten grundlegende Erkenntnisse über das Magnetfeld der Sonne erhalten:

  • Was treibt den Sonnenwind  an?
  • Welche Mechanismen im Innern der Sonne generieren das Sonnenmagnetfeld?
  • Wie genau hängen das Sonnenmagnetfeld und die Heliosphäre zusammen? (Die Heliosphäre ist der Einflußbereich der Sonne im Planetensystem. Hier ist mehr zu den Forschungsfragen).

Mit insgesamt 10 Instrumenten (eines davon von der NASA) wollen sie weitere intime Geheimnisse der Sonne ausspähen. Die WissenschaftlerInnen erhoffen sich u. a. ein besseres Verständnis des Weltraum-Wetters, das so starke Auswirkungen auf unsere alltägliche essentielle Infrastruktur wie Kommunikation und Navigation sowie auf die bemannten Raumfahrtmissionen hat. Das Weltraumwetter besteht aus elektromagnetischer Strahlung und magnetischen Stürmen. Es entsteht, wenn Sonneneruptionen Plasma weit ins Weltall werfen und den Fluss hochenergetischer Teilchen zur Erde verstärken.
Der Sonnenwind besteht aus ionisierten Gasen und strömt von der Sonne mit bis zu 500 km/sec ins Sonnensystem. Er beeinflusst und stört das Erdmagnetfeld und füllt den größten Teil unseres Planetensystems aus. Der Partikelstrom stört elektronische Bauteile von Satelliten und von Anlagen auf der Erde. Je besser dieses Phänomen verstanden wird, desto besser ist man auf diese Störungen vorbereitet.

Solar Orbiters Instrumente schauen mit Antennen hinter dem Hitzeschild hervor, die Kameras spähen durch winzige Öffnungen hindurch. Diese Öffnungen können mit Schiebern verschlossen und geöffnet werden. Andere Instrumente strecken ihre Antennen und Sensoren hinter dem Schild hervor.
Vor Ort wird Solar Orbiter mit der bereits gestarteten NASA-Sonde Parker Solar Probe zusammenarbeiten, die bereits vor Ort ist und ein anderes Instrumentenspektrum an Bord hat.
Bis zur Aufnahme dieses heißen Jobs dauert es aber noch bis 2021.

Hier gibt es mehr Informationen zum Solar Orbiter und zu Parker Solar Probe. (inkl. Missions-Blog), die NASA-Sonde ist bereits im August 2018 gestartet.

Dieses Video zeigt die Reise der ESA-Sonnensonde und wie sie sich an den Gravitationsfeldern der Venus und der Erde Schwung holt.

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Kommentare (17)

  1. #1 Herr Senf
    10. Februar 2020

    Damit keiner Mißverständnisse kriegt:
    “Schwung holen” – Start erfolgt gegen Erdbahn, man muß bremsen, um runterzufallen.
    “Noch nie zuvor ist ein Raumschiff der Sonne so nahegekommen”
    SolarOrbiter soll der Sonne 42 Mio km nah kommen mit etwa 250.000 km/h
    1976 kam Helios2 als erste der Sonne mit 43 km schon genau so nahe
    2018 erreicht die ParkerSolarProbe bei 25 Mio km neuen Rekord 340.000 km/h
    2024 wird diese dann auf minimal 6 Mio km ranmanovrieren bei 690.000 km/h

  2. #2 schlappohr
    10. Februar 2020

    […] mit Swing-by-Manövern an der Erde und der Venus genügend Schwung, um dann den Sonnen-Nord- und Südpol aus der „Vogel“-Perspektive zu beobachten.

    Vermutlich ist es ein Denkfehler: Um bei einem Swing-by-Manöver Fahrt aufzunehmen, muss die Sonde einen Planeten entgegen dessen Eigenbewegung anfliegen, ihn halb umrunden, und mit der Bahnrichtung des Planeten wieder verlassen. Dabei gewinnt sie Impuls vom Planeten hinzu, aber nur in Richtung der Bahnbewegung des Planeten. Sinngemäß umgekehrt beim Abbremsen mittels Swing-By.

    Da Erde und Venus aber nahe der Ekliptik liegen (Bahnneigung der Venus ist nur 3.4°), kann die Sonde nur Schwung holen in einer Richtung parallel zur Eklitpik. Damit kommt sie aber nicht zu den Polen der Sonne, die doch ein gutes Stück ober/unterhalb der Ekliptik liegen. Da sie der Sonne nicht zu nahe kommen darf, muss die Sonde für eine Polüberquerung auch noch deutlichen Abstand halten, d.h. sie muss ein gutes Stück aus der Ekliptik raus. Wie schafft sie das nur mit Erde und Venus?

  3. #3 tomtoo
    10. Februar 2020

    Wutzig kompliziert. Wer würde sich schon in ein schwarzes Auto setzen um bzgl. Sonneneinstrahlung optimal gekühlt zu bleiben??

  4. #4 Richard
    10. Februar 2020

    @schlappohr: Du kannst durch Vorbeiflüge an Planeten auch die Bahnebene verändern, indem du den Planeten eben nicht exakt innerhalb der Ekliptik anfliegst sondern ober- oder unterhalb (im Extremfall über einen der Pole).

    Solar Orbiter soll das auch so machen: Erstmal mit ein paar Swing-Bys an Venus und Erde in der Ekliptik Energie loswerden um auf eine stark elliptische Bahn zu kommen (Perihel innerhalb der Merkurbahn, Aphel etwas außerhalb der Erdbahn), und dann weiter Swing-Bys (ebenfalls an Erde und Venus), um die Bahnebene in mehreren Schritten um 90° zu kippen.

    Bei https://sci.esa.int/web/solar-orbiter/-/liftoff-for-solar-orbiter-esa-s-mission-to-face-the-sun-up-close gibts dazu auch ein schönes Video.

  5. #5 Bettina Wurche
    10. Februar 2020

    @Richard: Danke für die Erklärung! In der Pressekonferenz wurde gesagt, dass Solar Orbiter mit den Swing-Bys bis seine extrem exzentrische Umlaufbahn über den Sonnenpolen emporklimmt/klettert – der Flugdynamiker sprach von “climb up”. Ich versuche, das nachher noch zu klären. Falls ich heute noch jemanden finde, der wach genug ist : ) Ich bin nach der PK gemütlich ne Stunde nach Hause gelaufen (ein Baum hatte die Straßenbahnoberleitungen zerlegt) und habe weitergearbeitet, aber ab Mittag war empty.

  6. #6 Bettina Wurche
    10. Februar 2020

    @tomtoo: Ja, ich hatte mich das auch schon gefragt. Und dann hatte ich bei ENBIO etwas über SolarWhite gelesen, was aber später nicht mehr vorkam. Die Hitze mit dem Lückentrick ins Weltall abzuleiten, fand ich auch gut.

  7. #7 Bettina Wurche
    10. Februar 2020
  8. #8 schlappohr
    10. Februar 2020

    Ah, verstehe… es geht gar nicht darum, schneller (oder langsamer) zu werden, sondern die Bahnebene zu verdrehen. Dazu taucht die Sonde über die Pole in das Gravitationsfeld des Planeten ein, sodass sich die Bahn schrittweise verbiegt. Wieder etwas dazugelernt, vielen Dank!

  9. #9 Richard
    10. Februar 2020

    @Richard: Danke für die Erklärung!

    Dank nicht mir, dank Kerbal Space Program 🙂

    Das Spiel ist wirklich klasse, wenn man verstehen möchte wie Orbitalmechanik funktioniert…

  10. #10 Herr Senf
    10. Februar 2020

    Es gab schon die Sonnensonde Ulysses 1990-2009, die 3x über die Pole geflogen ist.
    Die wurde erst zu Jupiter geschickt, um einen Winkel von 90° zur Ekliptik zu kriegen.
    Mit Raketentriebwerken kann man solche Inklinationsänderungen nicht erreichen.
    Mit dem weiten Flugprofil kam Ulysses aber nur bis auf 200 Mio km an die Sonne ran.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Ulysses_(Sonde)

  11. #11 Bettina Wurche
    10. Februar 2020

    @Herr Senf: Daraus haben die Astrophysiker dann sicherlich die jetzt existierenden Modelle gebaut. Dann dürfte Solar Orbiter ja einen signifikanten Unterschied machen. Wenn man dann noch an die Weiterentwicklung der Instrumente denkt, dürfte das die strahlenden Gesichter gut erklären : )

  12. #12 Herr Senf
    10. Februar 2020

    Hallo @Fau Wurche, solche Flugbahnen müssen ja hoch präzise berechnet werden.
    Um die Treffpunkte Venus+Erde für’s “climben” zu treffen, hat man nicht viel Treibstoff.
    Wird das Profil “einfach” nach Kepler/Newton berechnet oder wird Einstein gebraucht?
    Wenn ein Flugdynamiker das mal beantworten könnte 😉

  13. #13 ZappSaxony
    11. Februar 2020

    Ich denke der “Lückentrick” ist hier gar nicht so ausschlaggebend, man darf ja nicht vergessen: im “Vakuum” gibt es kein Medium, was den Hitzeschild von hinten kühlen würde. Daher ist die größere technische Leistung eher die Ausführung von dessen zwangsläufig wärmeleitenden Befestigungen und der rückseitigen Geometrie mit Flächen, die optimalerweise weg von der Sonde zeigen.

    Interessant wäre stattdessen die tatsächliche Temperatur des Hitzeschildes. Da dieser schwarz ist, könnte er einen “schwarzen Strahler” nachbilden, der – desto kälter – wiederum umso mehr Energie sehr gut wieder abgibt.

    Also falls der Schild bei nahe Null grad Kelvin startet, müsste er durch den Abstand von der Sonde vor deren Temperatur geschützt werden (also nach der Theorie des SChwarzen Strahlkers nicht umgekehrt), um auftreffende elektromagnetische Strahlung möglichst effektiv direkt wieder abgeben zu können.

    Praktisch kann ich mir selber schwer vorstellen, dass er die eintreffende immense Strahlung schnell genug wieder abgibt bevor sich das Titan unweigerlich mit erwärmt (und die Wärme aufgrund fehlendem Kühlmedium speichert), aber die schwarze Vorderseite würde dennoch stärkere Wärmestrahlung wieder abgeben als eine nicht-schwarze Rückseite. So kann mit der schwarzen Front verhindert werden, dass die Sonde indirekt dennoch zu viel von der Wärme abbekommt – es fehlt ja ein Kühlmedium und der Schild wird seine Energie nur durch Strahlung wieder los!

  14. #14 schlappohr
    11. Februar 2020

    Dank nicht mir, dank Kerbal Space Program

    Ich danke dem Kerbal Space Program, trotz meiner Abneigung gegen Computerspiele 🙂

  15. #15 Bettina Wurche
    11. Februar 2020

    @ZappSaxony: @LeavingOrbit hat dazu noch mehr Details recherchiert:
    https://leavingorbit.de/2020/01/08/solar-orbiter-the-heat-is-off/

  16. #16 JW
    11. Februar 2020

    Gibt es eigentlich schon die Schlagzeile von PETA: Skandal, Solar Orbiter nicht vegan!
    Duck und wech…

  17. #17 Bettina Wurche
    11. Februar 2020

    @JW: Damit habe ich eigentlich fest gerechnet! Wer den PETA-Empörungsruf findet, darf ihn behalten. Oder auch hier teilen, ganz nach Geschmack : )