Als die berühmte Schriftstellerin Margaret Atwood #CliFi retweetete, wurde der Begriff schnell weit verbreitet – sie hat immerhin 450.000 Follower. Auch wenn Atwood meint, sie selbst schriebe eher Speculatice Fiction und keine Science Fiction oder Climate Fiction, unterstützte sie die Verbreitung des neue Genres, sie selbst ist mehrfach mit Literatur-Auszeichnungen der SF geehrt worden.
Als Genre ist Cli Fi natürlich schon wesentlich älter, so wird u. a. der bekannte Film Soylent Green (1973), der auf Harry Harrisons Roman Make Room, Make Room! basiert, aus heutiger Sicht dem Genre zugerechnet.
Mein neuer Vortrag „Climate Fiction“ stellt dieses Genre vor und beschäftigt sich mit seinen Möglichkeiten.
Perm-Trias-Krise: Die bedrückende Relevanz der 251 Millionen Jahre alten Korallenfossilien
Der Vortrag beginnt mit einem Interview des IPCC-Hauptautoren Prof. Wolfgang Kießling, das ich 2019 für die VW-Stiftung gemacht hatte: Der Klimakrise mit Urzeitwissen begegnen. Wolfgang Kießling ist Paläontologe und Experte für fossile Korallen, er hat sich u. a. intensiv mit dem Perm-Trias-Event beschäftigt.
Da ich auch Paläontologie studiert habe, fügten sich die Fakten, die er mir erklärte, in meiner Vorstellungskraft schnell zu einem farbigen dreidimensionalen Bild zusammen: Zu riesigen bunten Riffen, auf denen ganze Ökosysteme aufbauten, mit einer hohen Biodiversität und Biomasse. Fremdartig, mit ihren längst ausgestorbenen Trilobiten und Ammoniten, aber ähnlich genug, um sie als wichtige Ökosysteme mit großer Wirkung weit über die Korallenskelette hinaus zu verstehen.
Wie alle Erdzeitalter-Abschnitte ist auch die Perm-Trias-Grenze durch ein Massensterben definiert: Das größte globale Massensterben der Erdgeschichte, 251 Millionen Jahre vor unserer Zeit. Großräumige Vulkanausbrüche auf dem Kontinent Sibiria spien über 100.000 Jahre hinweg CO2 und Methan in die Atmosphäre, im heutigen Sibirien haben sie eine 1000 Meter dicke Schicht Basalt hinterlassen. Dieser ausgedehnte Vulkanismus führte zu globaler Erwärmung, Sauerstoffmangel im Ozean, Ozeanversauerung und einem etwa 30.000 Jahre dauernden globalen Kollaps. Vor meinem inneren Auge erstickten die Meerestiere, die Riff-Korallen siechten dahin und verblassten, tote Organismen sanken wie ein Leichentuch auf den Boden und erstickten das restliche Leben darunter. Im größten Artensterben der Erdgeschichte erloschen 75 % der Landfauna und sogar 95 % der Meeres-Wirbellosen. Auch unsere eigenen Vorfahren, die Synapsiden (früher auch als säugetierähnliche Reptilien bezeichnet), wären fast ausgelöscht worden.
Der Geologe Wolfgang Kiessling betreibt Paläontologie in einem sehr großen Maßstab: Er analysiert mit seiner Arbeitsgruppe aus der ganzen Welt. Seit 1999 haben sie die Forschungsdatenbanken Paleobiology Database und PaleoReefs-Database (PARED) aufgebaut. So können sie signifikante Muster erkennen und daraus Erkenntnisse zur Evolution, zur Biodiversität sowie zum Aussterben von Arten gewinnen und evolutive Regeln ableiten. Auf dieser massiven Datenbasis können sie auch Voraussagen ableiten, wo und wie sich globaler Klimawandel auswirken wird. Die Paläontologie hat also die Basisdaten, welche Auswirkungen eine Klimakrise auf das irdische Leben hat, sie können die Daten aus der Vergangenheit und der Gegenwart in die Zukunft extrapolieren.
Die schnell wachsenden tropischen Riff-Korallen ergeben besonders gute Fossilien auch zur Rekonstruktion der Klimageschichte – sie wachsen schnell und in großen Mengen, an ihren fossil erhaltungsfähigen Kalkskeletten lassen sich auch nach Jahrmillionen noch Wachstumsbedingungen ablesen und sie sind ökosystembildend. Diese Korallenpolypen brauchen winzige Grünalgen als Symbionten (Zooxanthellen). Die Grünalgen sitzen in den Korallen sicher und oberflächennah, mit Sonnenlicht-Energie produzieren sie Zuckerverbindungen, die den Polypen mit ernähren. Die Korallen reagieren auf Temperaturschwankungen – wird es ihnen zu warm, sind sie gestreßt und stoßen ihre Endosymbionten aus. Dann verbleichen die Korallen, sie wachsen langsamer, oder sterben.
Heute, in Zeiten der Klimakrise und der Ozeanerwärmung, gab es schon mehrmals große Korallenbleichen. Die im australischen Great Barrier-Reef schaffen es oft auch in die europäischen Schlagzeilen, aber auch viele andere tropische Länder haben Probleme mit ihren sterbenden Riffen.
Riffe sind nämlich in vielen Gegenden extrem wichtig sowohl für die Nahrungsversorgung der Küstenbevölkerung als auch als wichtiger (und oft einziger) Küstenschutz. Korallenriffe bieten Schutz und Nahrung gleichzeitig für viele Arten, u. a. für viele Jungfische. Als Hot Spots der Biodiversität bestehen Riffe aus einer Vielzahl von Lebensräumen, und beherbergen viele Arten und viele Genome. Sterben die Korallen ab, verschwindet damit ein ganzes Ökosystem und eine große Zahl von Arten ihre Lebensgrundlage. Die wandern ab oder sterben. Damit fallen marine Nahrungsressourcen für viele Menschen vor Ort fort. Tote Riffe funktionieren auch nicht mehr als Küstenschutz, innerhalb kurzer Zeit können die verheerenden tropischen Stürme dann die Siedlungen nahe der Küsten zerstören.
Im Moment ist weltweit in den Ozeanen zu beobachten, dass einige Tiergruppen auf den Anstieg der Meerestemperaturen reagieren, wie es auch in anderen Klimakrisen der Erdgeschichte wie vor 251 Millionen Jahren zu beobachten war – so ist zurzeit eine Verzwergung bei tropischen Fischarten zu beobachten. Eine Ozeanversauerung, wie sie durch den CO2-Anstieg geschieht, löst langfristig Kalkskelette von Korallen, Plankton und anderen Meerestieren auf.
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