“Warum es eine schlechte Idee ist, Marsgesteine zurück zur Erde zu bringen“ überlegte gerade im New Scientist. Es geht natürlich um die derzeit laufende Perseverance-Mission. Der NASA-Rover Perseverance fährt über die Mars-Oberfläche, soll an verheißungsvollen Stellen Bodenproben erbohren und entnehmen und sie anschließend in stiftgroße Teströhrchen verpacken. Der Rover der ESA ExoMars-Mission soll dann nach seiner Ankunft noch tiefer bohren – nämlich zwei Meter – und weitere Proben sammeln. Die Earth Return Orbiter Mission soll sie dort einsammeln und zur Erde bringen, sie soll nicht vor 2026 starten.
Marks stellt die kritische Sicht des International Committee Against Mars Sample Return (ICAMSR) auf dieses planetologische Projekt vor, dessen Mission die Verhinderung der Proben-Rückkehr zur Erde ist.
Bei den Marsgesteinsanalysen geht es letztendlich um die Suche nach Spuren von Leben.
Die Mars-Proben
Innerhalb des nächsten Jahrzehnts werden also Astrobiologen der NASA und der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) fieberhaft auf die erste Raumkapsel warten, die erstmals Boden- und Gesteinsproben von der Marsoberfläche zur Erde zurückbringen soll.
Der Hintergrund dafür ist, dass auf der Erde natürlich wesentlich leistungsstärkere Labore mit viel geeigneteren Methoden besser für die umfassende Gesteinsanalyse des Marspröbchens gerüstet sind.
Diese Probenrückführungskapsel soll voraussichtlich in die relativ dünn besiedelte Wüste Utahs stürzen. Nach der Bergung wird sie unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in ein Labor der Biosicherheitsstufe 4 (BSL-4) transportiert – das ist die höchste Kategorie für Laborsicherheit. In solchen Hochsicherheitslabors werden normalerweise extrem gefährliche Krankheitserreger wie das Ebola-Virus erforscht. Diese Proben müssen den Wissenschaftlern wie kostbar wie glitzernder Elfenstaub vorkommen, denn sie enthalten erstmals die Möglichkeit der Suche nach fossilen oder rezenten Lebenszeichen in Originalsubstanz vom Mars. “Die Rückkehr unberührter Proben des Mars zur Erde war ein Ziel für Generationen von Planetenforschern”, so die NASA.
Bei der Untersuchung der Mars-Proben geht es um aktuelle oder fossile Lebenszeichen auf dem Mars:
„Vor schätzungsweise 3,8 Milliarden Jahren haben sich, nach dem derzeitigen Forschungsstand, auf der Erde die ersten Lebensformen gebildet. Die ältesten irdischen Fossilien sind nach derzeitiger Schätzung 3,5 bis 3,8 Milliarden Jahre alt. […]
Aufgrund der Nähe und ähnlichen Umgebungsbedingungen könnte damals auch auf dem Mars Leben entstanden sein. Vor 4,3 oder 4,4 Milliarden Jahren herrschten auf dem Mars ganz andere Umstände als heute: es gab flüssiges Wasser und eine wesentlich dichtere Atmosphäre. Vor etwa 3,8 Milliarden Jahren verlor der Mars seine schützende Gashülle. Heute ist der Planet kalt, trocken und hat nur noch eine sehr dünne Rest-Atmosphäre. Es besteht also durchaus die Chance, dass in den frühen, lebensfreundlicheren Marslandschaften kleine „Marsianer“ „unterwegs“ waren.“ schrieb ich 2016 über ExoMars.
Die Einwände des ICAMSR
Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen bleibt dabei ein geringes Rest-Risiko, dass diese Proben eben doch Mars-Erreger enthalten könnten. Gegen außerirdische Keime dürften die irdischen Bewohner keinerlei Abwehrkräfte haben, so einige besorgte Gegner dieser Sample-Return-Mission – wie das International Committee Against Mars Sample Return (ICAMSR).
ICAMSR hält die möglichen Restrisiken durch technisches oder menschliches Versagen für zu hoch:
- Die Kapsel könnte beim Aufprall zerbrechen – wie beim Absturz des NASA-Solarwind-Sampler Genesis in Utah 2004 nach dem Versagen des Fallschirms. Dadurch hätte die Kontaminierung von Wildtieren, Flüssen, Pflanzen und Städten gedroht.
- BSL-4-Labore sind zwar sehr sicher. Dennoch kam es in der Vergangenheit vereinzelt zu Unfällen, vermutlich durch menschliches Versagen.
(Ich persönlich halte die Kontaminierung von Städten in Utah für äußerst unwahrscheinlich. Schließlich hat man genau wegen der Leere der Landeregion den Ort ausgewählt – eine unfruchtbare Salzwüste)
Was ist an dem Vorwurf `dran?
Die Raumfahrtagenturen NASA und ESA sind sich der möglichen Gefahren bewußt und haben dafür viele Sicherheitsroutinen aufgebaut, u. a. arbeiten sie mit dem US Center for Disease Control and Prevention in Atlanta und dem European Centre for Disease Prevention and Control in Schweden zusammen. Planetary Protection ist mittlerweile ein wichtiges Thema bei jeder planetologischen Mission und umfasst ein ganzes Bündel von Sicherheitskonzepten. Allerdings kann niemand garantieren, dass damit alle Risiken zu 100 % ausgeschlossen sind.
ICAMSR hält das für einen Verstoß gegen den UN-Weltraumvertrag, der jegliche Kontamination der „besuchten“ Welt und der Erde bei der Rückkehr verbietet. Demnach müssten Raumfahrer alle “negative Veränderungen in der Umwelt der Erde, die sich aus der Einführung außerirdischer Materie ergeben” vermeiden.
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