Schweinswale sind kleine Zahnwale, ausgewachsen sind sie meist um 1,60 m lang (selten bis zu 1,85 m) und wiegen zwischen 40 und 90 kg. Weibchen werden größer und schwerer als ihre männlichen Artgenossen. Sie sind die häufigsten Wale in europäischen Gewässern und die einzigen in der deutschen Nord- und Ostsee heimischen Wale
(Hier gibt es mehr Infos über ihr Leben).
Erst in den 1990-er Jahren bemerkten MitarbeiterInnen der Schutzstation Wattenmeer auf Sylt bei ihren Rundgängen, dass es dort offensichtlich Wale gab! Um belastbare Zahlen zu den kleinen Meeressäugern zu bekommen, organisierten sie die Synchronzählungen: Regelmäßig besetzten Freiwillige bestimmte Punkte der seewärtigen Sylter Küste – man saß gemütlich am Strand oder sogar in der Sansi-Bar, hatte dicke Kleidung an, eine Thermoskanne neben sich und die Optik griffbereit. Als junge Studierende habe ich mehrfach dabei mitgemacht und war einfach begeistert, endlich Wale zu sehen. Natürlich waren nur die kleinen schwarzen Dreiecke der Finnen sichtbar, die Tiere waren allein und fischten parallel zum Strand und der vorgelagerten Sandbank, einmal sah ich sogar ein Mutter-Kind-Paar.
Die Schweinswal-Forschung in Deutschland begann mit der systematischen Datenerhebung über Zählungen von Flugzeugen und Schiffen aus sowie mit dem Einsammeln und der Untersuchung der toten Tiere. Schließlich sind solche Kadaver kostbare Datensätze mit Aussagen zu Größe, Gewicht und Vorkommen, der Todesursache und den Gefahren ihrer Umwelt sowie dem Gesundheitszustand und ihrer Reproduktion. Natürlich habe ich dabei auch ein paar Mal mitgemacht und viel gelernt.
Schweinswale beobachten
Das könnte an Nord- und Ostsee klappen und im Frühling sogar in den großen Flüssen, die in die Nordsee münden.
Z. B. bei den Wilhelmshavener Schweinswaltagen: Dort kann man die kleinen Wale im Jadebusen selbst beobachten, außerdem gibt es eine Woche lang viele Informationsveranstaltungen.
Die Wilhelmshavener Schweinswaltage finden jedes Jahr statt, 2022 hoffentlich mal wieder live.
Auch im Elbästuar sind die kleinen Wale im Frühsommer wieder häufiger zu sehen, teilweise bis nach Hamburg (was noch zum Ästuar gehört). Mehr zu diesen Wanderungen in den Flüssen ist auf der Seite Schweinswale e. V. zu erfahren, Denise Wenger ist DIE Expertin dafür.
Auf Sylt gibt es parallel zum Walschutzgebiet mittlerweile einen Walpfad mit vielen Informationen und guten Sichtungsmöglichkeiten. Man muss Geduld mitbringen, aber es kann sich lohnen. Der NaturReporterSylt Lothar Koch ist ein Urgestein der Schutzstation Wattenmeer und des Schweinswalschutzes, auf seinem Blog Natuerlich Sylt gibt es noch mehr Info dazu.
Auch die Schutzstation Wattenmeer bietet natürlich viele Infos zu den kleinen Meeressäugern – hier ist die Geschichte, wie alles anfing. Heute wissen wir, dass vor Sylt und Amrum die Schweinswal-Mütter ihre Jungen gebären und monatelang aufziehen.
Außerdem hat man auf der Nord- und Ostsee ganz gute Chancen, die kleinen Wale zu sehen: Wir hatten unsere “beste Sichtung ever” auf einer “Butterfahrt” von Büsum nach Helgoland. Eine ganze Gruppe von über fünf Kleinen Tümmlern mit Kälbern tummelte sich auf der spiegelglatten Nordsee. Extrem flache See ist halt die Voraussetzung für Sichtungen, bei etwas mehr Wellen wird es aussichtslos.
In Aquarien sind Schweinswale nur selten zu sehen. Im schwedischen Kerteminde und im holländischen Harderwijk und Ecomare sind verletzt Kleinwale aufgenommen worden, die später nicht mehr ausgewildert werden könnten. Dafür helfen sie bei der Erforschung der immer noch so wenig bekannten Meeressäuger und haben den Tierärzten auch viel KnowHow gebracht, um andere verletzte Kleinwale zu retten.
“Tarnkappen”-Kommunkation per Klick
Immer wieder bieten Schweinswale noch Überraschungen: So ist ihre Kommunikation lange Zeit ein Rätsel gewesen. Für die Echoortung setzen alle Zahnwale Klicks ein, die soziale Kommunikation umfasst meist zusätzlich auch ein großes Lautrepertoire an Pfiffen. Jedenfalls kennen wir es so von den Delphinartigen wie den Großen Tümmlern oder den Orcas. Klicks sind kurze klickende Lautpulse, die in Serien abgegeben werden. Pfiffe sind sehr variabel in ihrer Tonhöhe und Länge und wesentlich ausdrucksstärker. Schweinswale pfeifen aber nicht, sondern klicken nur. So wurden sie lange Zeit herablassend als die stummen, wenig mitteilsamen Vettern der Delphine betrachtet.
Erst 2018 kam etwas Licht ins Dunkel – Pernille Meyer Sørensen hatte die akustische Kommunikation von Schweinswalen detailliert untersucht und u. a. die Exemplare im Fjord- und Belt-Center im dänischen Kerteminde belauscht. Ihr Ergebnis: Schweinswale scheinen ihre Klicks auch zur sozialen Kommunikation zu benutzen! Sie sind also gar nicht stumm!
Trotz der engen Verwandtschaft haben Delphine und Schweinswale offenbar eine konvergente Evolution in der Akustik eingeschlagen und haben ein Lautrepertoire, das nur aus Klicks besteht. Diese Arten produzieren keine Pfiffe, sondern ausschließlich narrow-band high-frequency (NBHF) clicks – NBHF-Spezies nennen die Walforscher sie.
Sørensens Arbeitshypothese lautet: Die NBHF-Arten produzieren Klicks oberhalb des Hörvermögens von Orcas, um nicht die Aufmerksamkeit dieser marinen Top-Prädatoren zu erwecken. Schließlich stehen kleinere Delphinartige wie Schweinswale (auch) auf deren Speiseplan. Schweinswale und die anderen NHBF-Arten ziehen eher allein oder in kleinen Gruppen durch die Meere und wären so besonders leichte Beute für Orcas. Statt also in großen Gruppen Deckung zu suchen, ist ihre Verteidigungsstrategie die scheinbare Funkstille – eine getarnte Akustik.
Mehr dazu im Meertext-Beitrag “Das „Schweigen“ der Schweinswale – getarnte Akustik?”.
Ob Schweinswale auch je nach Population unterschiedliche Dialekte klicken, wie es mittlerweile vo so vielen anderen Walen nachgewiesen ist, wissen wir noch nicht – aber es ist sehr wahrscheinlich. Sicherlich werden wir in den nächsten Jahren noch mehr davon hören.
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