Er und andere Umweltexperten fordern schon lange einen umfassenden Aktionsplan. Nur ein umfassender internationaler Aktionsplan zur Reduzierung der biologischen und chemischen Lasten in den Gewässern könne hier Abhilfe schaffen, außerdem brauche es eine wesentlich strengere Aufsicht zur Einhaltung von Umweltauflagen.
Der Oppositionspolitiker Oztunc (CHP), Wissenschaftler wie Balci und seine Kollegen sowie Umweltexperten fordern die Erdogan-Regierung jetzt auf, endlich dem Pariser Abkommen von 2015 zuzustimmen, das darauf abzielt, den Temperaturanstieg durch eine Reduzierung der CO2-Emissionen zu begrenzen.„Die Regierung sollte dem Pariser Abkommen unverzüglich zustimmen“, sagte Oztunc. Der bereits meßbare Temperaturanstieg in den Meeren führt zu immer häufigeren und ausgedehnteren Giftalgenblüten in den Ozeanen. In einem Binnenmeer wir dem Marmarameer, das nur wenig Wasseraustausch mit der kühleren, sauerstoffreicheren Hochsee hat, wäre diese Auswirkung besonders schwerwiegend.
Am letzten Dienstag hatte die Regierungskoalition von Präsident Recept Tayyip Erdogan einen Vorschlag der CHP zur Einsetzung eines parlamentarischen Ausschusses zur Untersuchung des „Meeresrotzes“ abgelehnt.
Angesichts der massiven Auswirkungen dieser regionalen Umweltkatastrophe scheint die Regierung jetzt aber umzuschwenken: Der türkische Umweltminister Murat Kurum hatte vor einigen Tagen verkündet, dass das gesamte Marmara-Meer ein Meeresschutzgebiet werden solle. Dafür sollten die Abwassereinleitungen erheblich reduziert werden, die Stickstoffeinleitung solle um 40 %. Dabei hatte auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Bekämpfung des Meeresrotzes angemahnt und vor allem die Stadt Istanbul als Verursacher genannt. Wenig verwunderlich, denn der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu gehört zur Oppositionspartei CHP.
Ob das Marmara-Meer noch einmal bessere Tage sehen wird? Früher lebten im Marmara-Meer 170 Fischarten. Davon existieren heute noch 25.
Meeresschutz ist nur durch langwierige, umfassende Maßnahmen und internationale Vereinbarungen möglich. Ob die derzeitige türkische Regierung so etwas initiieren kann und will, ist nach dem bisherigen Agieren zumindest fraglich. Die Erdogan-Regierung ist rechtspopulistisch ausgerichtet und Rechtspopulisten halten Umwelt- und Klimaschutz meist für sozialistisches Gedankengut und internationale Vereinbarungen für inakzeptable Eingriffe in die nationale Selbstbestimmung. Darum haben sie ja auch bislang nicht das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Selbst bei sofortigem Handeln und besten Absichten dürfte es lange dauern, bis es dem kleinen Binnenmeer wieder besser geht.
PS: Ein herzliches Dankeschön an die türkische NGO Diren Kuzey Ormanlari, die auf Twitter über die Algenpest berichten und mir für diesen Artikel erlaubt haben, ihre Bilder zu nutzen.
Zum Weiterlesen: Wie aus dem Paradies Sargassosee gerade eine Plage wird, habe ich in zwei Artikeln berichtet:
SZ: The brown tide that could become the “new normal” – Status im Mai/Juni 2021
Spektrum: Neuer Fluch der Karibik – Status 18.07.2021
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