Vor Cape Cod vor der US-Küste fand sich am vergangenen Freitag ein nach Hummern tauchender Fischer plötzlich im Maul eines jungen Buckelwals (Megapter novaeangliae) wieder. Das ist kein Seemannsgarn, sondern ein ungewöhnlicher Unfall zwischen zwei Individuen, die sich im gleichen Jagdrevier in die Quere kamen.
Veteran Cape Cod lobster diver Michael Packard was swallowed whole by a humpback whale and lives to tell the story… pic.twitter.com/CQcCP2fdVs
— Rex Chapman🏇🏼 (@RexChapman) June 12, 2021
Der erfahrene Taucher und lizensierte Hummerfischer Michael Packard war wie üblich mit seinem Boot „Ja’n J“ von Herring Cove Beach (Cape Cod) aus in den Nordatlantik gefahren und dort abgetaucht. Als Hummertaucher sammelt er mit der Hand die gepanzerten Delikatessen vom sandigen Meeresboden auf. Vor Cape Cod liegen die flache Stellwagen Bank und einige Unterwassercanyons, in den kalten Strömungen wimmelt es vor Leben.
Michael Packard fand sich jetzt unvermittelt selbst als Teil der Nahrungskette wieder. Bei 15,5 Grad Celsius Wassertemperatur und 6 Metern Sichtweite tauchte er inmitten von Sandaalen und Felsenbarschen ab. „Plötzlich fühlte ich diesen großen Schubs und als nächstes war alles um mich herum schwarz“, erzählte er der Presse, im Krankenbett im Cape Cod Hospital sitzen „Ich konnte die Kontraktionen der Muskeln im Walmaul spüren.“
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Im allerersten Augenblick befürchtete Packard den Angriff eines Großen Weißen Hais, er konnte aber weder Zähne fühlen noch hatte er irgendwelche Wunden. Darum kam er schnell darauf, dass ein Wal ihn verschluckt haben müsse. Als nächstes fühlte er, wie der Wal seinen Kopf schüttelte, und nach etwa 30 oder 40 Sekunden sah er schon wieder Licht: der Wal war aufgetaucht, öffnete das Maul und spuckte den fehlerhaften Happen wieder aus. Packards Besatzungsmitglied Josiah Mayo half ihm dann wieder an Bord und rief über Funk einen Krankenwagen zum Pier. Da ihn glücklicherweise kein weißer Hai, sondern ein zahnloser Bartenwal erwischt und sein Neopren ihn gut geschützt hatte, kam der Taucher nur mit Hautabschürfungen ins Krankenhaus.
Cape Cod – Paradies für Fischer und Wale
Cape Cod ist eine weit in den Nordatlantik vorspringende Halbinsel am südöstlichen Zipfel von Massachusetts vor Boston. Wie der Name schon sagt, sind die Gewässer fischreich. Auch wenn die Bestände des Atlantischen Kabeljaus, dem Cod, heute überfischt sind, gibt es genügend andere Leckerbissen im Meer, heute sind die meisten Sportfischer auf der Jagd nach Felsenbarschen (Striped brass, Morone saxatilis).
Der sandige Meeresboden ist unter anderem von Schwärmen der nur fingerlangen Sandaale (Ammodytes dubius, auch Tobiasfisch genannt) bevölkert, die sich gern im Sand verstecken. Diese silbrigen dünnen Minifische sind der Reichtum des Meeresschutzgebietes Stellwagen Bank und die Nahrungsgrundlage vieler größerer Meeresbewohner. Und genau darum sind dort auch viele Buckelwale. Mit einer speziellen Jagdtechnik schöpfen sie ein Maul voll Wasser und Sandaale. Und in diesem Fall eben auch den Taucher Packard.
Da die Augen eines Bartenwals mehrere Meter hinter der Schnauzenspitze und auf den Seiten des Kopfes liegen, kann der Meeressäuger beim Fressen unmöglich sehen, was direkt vor ihm passiert. Da Bartenwale keine Echoortung wie Zahnwale haben, müssen sie sich vorher überlegen, wo sie ihr großes Maul einmal auf- und zuklappen. Die Bartenwale pressen dann beim Auftauchen bei fast geschlossenen Kiefern mit der muskulösen riesigen Zunge Wasser und Schlamm durch die Barten heraus und schlucken die übrigbleibenden Fischlein.
Die Stellwagen Bank ist ein Plateau und ist etwa 30 Kilometer lang und fast zehn Kilometer breit. Diese Bank liegt nur 30 bis 40 Meter unter der Wasseroberfläche, während das umliegende Meer 100 bis 200 m Meter tief ist. Die geringe Wassertiefe, der reiche Nährstoffeintrag des nahen Landes und die sauerstoffreichen Tiefwasser-Strömungen an der Kante der Bank sorgen für ein reiches Ökosystem mit vielen verschiedenen Arten, darunter Buckel- und Zwergwale.
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