Mit seiner Kamera-Drohne fotografiert und filmt Carlos Gauna Weiße Haie (Carcharias carcharodon) vor der Küste Kaliforniens. Eigentlich ist er Hochzeitsfotograf, aber aufgrund der schlechten Auftragslage in der Pandemie macht er jetzt da den Wochenenden stattdessen lieber Aufnahmen der großen Knorpelfische. Mit seiner Drohne erspäht er die im flachen klaren Pazifikwasser gut sichtbaren Meeresbewohner. Erstaunlich viele von ihnen sind an den Stränden und nahe den badenden und surfenden Menschen unterwegs. Meistens sind es recht kleine, noch junge Haie auf der Suche nach etwas zu fressen. An sandigen Stränden leben hier vor der kalifornischen Küste viele Stachelrochen, Die Hai-Youngster haben es auf die Stachelrochen, die dort auf sandigem Boden im flachen Wasser leben, abgesehen. Von der Drohne bekommen sie nichts mit, ihre Aufmerksamkeit gilt dem Meeresboden und ihrer nächsten Mahlzeit.

Die kalifornische Küste ist auch bei Menschen sehr beliebt. Badegäste und Surfer genießen die warmen Wellen des Pazifiks. Von den Haien ahnen sie nichts. Carlos Gaunas Drohnenaufnahmen zeigen jetzt, dass die Haie in weitaus größerer Zahl als bislang vermutet vorkommen und sie teilweise direkt unter Surfern hindurchschwimmen. Auch Badegästen kommen sie oft sehr nahe, ohne dass die es mitbekommen.
Gaunas Interesse an den Weißen Haien fing mit seiner ersten Sichtung am Strand von Malibu an: „Nachdem ich meinen ersten Hai gesehen hatte, habe ich viel über sie im Internet recherchiert“, erzählte er im Interview in der LA Times today. Danach suchte er gezielt Strände mit bestätigten Haisichtungen auf und entdeckte per Drohne selbst immer mehr der großen Knorpelfische. Von ihrer Menge und ihrer Nähe zum Strand und zu den Menschen war er überrascht. Bei den ersten Aufnahmen, die Hai und Mensch in unmittelbarer Nähe zeigten, war er noch aufgeregt und fürchtete um die Menschen. Mittlerweile sieht da das entspannt. Er weiß, dass die Knorpelfische sich nicht um die Menschen kümmern, sondern wirklich nur auf Nahrungssuche sind. Nur wenn die Haie manchmal Kindern sehr nahe kommen, macht er sich doch noch Sorgen. Denn er kann die Begegnung zwar beobachten, könnte aber im Ernstfall nicht eingreifen.

Gauna hat seine spektakulären Aufnahmen Haiforschern gezeigt und unterstützt mittlerweile deren Haiforschung. Weiße Haie sind in kalifornischen Gewässern keine Seltenheit. Eine hat gezeigt, dass die bis zu fast 7 Meter langen Top-Prädatoren einen festen Bestand in kalifornischen Gewässern bilden und ihre Anzahl zwischen 2011 und 2018 leicht gestiegen ist.
Allein vor der zentral kalifornischen Küste zwischen Monterey Bay, den Farallon Inseln und der Bodega Bay leben 300 erwachsene und heranwachsende (subadult) Große oder Weiße Haie. Darum und weil einige Haie hier Menschen angegriffen haben, heißt dieser Meeresbereich auch das „Rote Dreieck“.
Die heranwachsenden Haie sind noch nicht ganz auswachsen, aber schon groß genug um Seelöwen Seehunde und auch Seeelefanten sowie andere Meeressäuger wie Otter zu fressen, genau wie ihre erwachsenen Verwandten. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat dieser Haipopulation leicht zugenommen, wie Wissenschaftler führen das auf einen immer besseren Zustand des Meeres zurück:  Eine gesunde Population Weiße Haie bedeutet nämlich auch gesunde Populationen von Seelöwen und Seeelefanten, erklärt der Meeresökologe und Haiexperte Paul Kanive, der Hauptautor der Studie. In jedem Abschnitt der Nahrungskette gibt mehr zu fressen und letztendlich auch mehr Beute für die Spitze der Nahrungskette wie die Meeressäuger und Großen Weißen Haie.

Gaunas spektakuläre Filme sind auf seinem Youtube-Kanal zu sehen:

Great White Shark Encounters a Surfer & a Curious Young Shark Engages with Pollution (Premiered Apr 25, 2021)

 

Great White Shark Leaps Toward Drone: What is Going on Here?  (Jan 14, 2021)

 

Young Swimmer Near Juvenile Great White Shark (May 13, 2021)

California (Northern) map. Original scale 1:2,500,000 U.S. Geological Survey, 1972, limited update 1990. “Red Triangle” shark region denoted by file uploader. (Wikipedia: Red Triangle; Fluffbrain, US Government)

Meeresschutz ist auch wirksamer Haischutz – 300 Große Weißhaie vor Kalifornien

Ausgewachsen wird so ein Weißhai bis fast 7 Meter groß werden. Ihr Revolvergebiss mit den vielen  Zahnreihen voller großer Zähne mit gesägtem Rand hat in Schauergeschichten wie „Der weiße Hai“ Generationen von Menschen in Angst und Schrecken versetzt. In der Langzeitstudie von 2011 bis 2018 der Stanford University und dem Monterey Bay Aquarium kam allerdings ein anderes Bild der Knorpelfische heraus. Durch die individuelle Wiedererkennung anhand der individuell geformten Rückenflossen und mithilfe von Sendern konnten die Biologen die Wanderwege rekonstruieren und erhielten einen tiefen Einblick in das Leben und Lieben der großen Knorpelfische.

Die meisten Weißen Haie schwimmen im Kalifornienstrom (California Current), vor der Küste Zentralkaliforniens in einem Gebiet, im „Roten Dreieck“.

Durch mehr als 20-jährige Studien haben Forscher herausgefunden, dass diese Hai-Population etwa die Hälfte des Jahres in Offshore-Gewässern des Nordostpazifiks auf halbem Weg zwischen Hawaii und dem mexikanischen Baja und die andere Hälfte des Jahres entlang der Pazifikküste verbringt. Sie können weit nach Norden – bis Washington – und nach Süden – nach Mexiko -reisen, aber sie neigen dazu, sich um Inseln und Küsten vor der zentralen kalifornischen Küste und auf der Insel Guadalupe in Mexiko zu versammeln.

Risiko Hai-Attacke: 1 zu 17 Million

Ihr Bestand ist in dieser Zeit zwischen 2011 und 2018 leicht, aber stetig gewachsen, heute sind es vermutlich um 300 Exemplare. Die gute Entwicklung hat drei Gründe, erklären Haiforscher:
1. 1972 unterzeichnete der US-Präsident Richard Nixon den Marine Mammal Protection Act. Seitdem stehen alle Meeressäuger unter strengem Schutz, damit endete auch die Jagd auf Seelöwen, Seehunde, Seeelefanten und andere Meeressäuger wie Otter, die auf der Speiseliste der großen Weißen stehen.

  1. 1994 wurde in Kalifornien das Töten von Großen Weißen Haien in den Gewässern des Staates innerhalb der drei Meilenzone verboten.
  2. 1990 hatten die Wähler Kaliforniens für das Verbot der Stellnetzfischerei gestimmt. Bis dahin waren in den Stellnetzen neben Meeressäugern und Meeresvögeln sowie Fische aller Arten auch viele Haie verendet.
    Dadurch ist die kalifornische Dreimeilenzone faktisch ein Meeresschutzgebiet entstanden.
    Von diesem Meeresschutz profitiert auch der Weißhai.

Übrigens: Auch wenn das berüchtigte „Rote Dreieck“ ein bevorzugtes Areal für die Haiangriffe ist und es heute ein paar mehr Haie gibt, ist das Risiko, von einem Großen Weißen Hai gebissen oder gar gefressen zu werden, trotzdem extrem gering: Laut einer 2015 von Francesco Ferretti et al publizierten Studie beträgt die Wahrscheinlichkeit für Surfer 1 zu 17 Millionen.
Falls es doch passieren sollte, ist es übrigens auch für den Knorpelfisch meist eine große Enttäuschung – meistens beißen die Haie in der Erwartung auf eine fette Robbe zu. Neopren schmeckt ihnen nicht.

 

 

 

Kommentare (4)

  1. #1 Christian
    18. Juni 2021

    Ich musste gerade Schmunzeln. Dass dem Hai das Neopren nicht schmeckt, ist im Eins-zu-siebzehn-Millionen-Fall vermutlich nur ein schwacher Trost. Jedenfalls tut so ein Biss mit dem Wissen darum bestimmt nicht weniger weh 🙂

    Was aber wirklich schade ist: Ein Video über Haie ist leider auch ein Video über Müll im Wasser 🙁

  2. #2 Bettina Wurche
    18. Juni 2021

    @Christian: Der Biß dieses Hais tut definitiv weh. Wenn er nach dem ersten Probebiß seinen Fehler am schlechten Geschmack bemerkt, läßt er meist von seinem Opfer ab. Dann ist die Überlebenschance für einen gebissenen Menschen groß, vor allem, wenn er von Begleitern schnell an Land gebracht wird. Schmeckt dem Hai seine Mahlzeit hingegen, würde er weiterfressen.

  3. #3 knorke
    19. Juni 2021

    Ich find die Bilder schon ganz schön kitzlig. Man stelle sich mal vor der Hai hätte doch mal Lust auf planschende Menschenbeine. Da schwebt da oben einer mit der Drohne und kann nicht mal ne Warnung raushauen. Andererseits ist sowas natürlich auch eine wohltuende Schilderung des Verhaltens, statt auf den JAWS-Nervenkitzel zu setzen. Verückt auch, dass die badenden die Haie gar nicht mitbekommen, während es von oben so aussieht, als wären die gar nicht zu übersehen. Ich glaube ich kann auf so eine Begegnung verzichten. Auch krass, wie flach das Wasser ist und trotzdem ein weißer Hai in der Nähe. Ich war mal auf Madeira im Meer schwimmen, da hüpft man ja praktisch von einem Steg überall mehr oder minder umstandslos vom Land in die Tiefsee. Jedenfalls ist da nur gähnende Schwärze unter einem zu sehen und der Phantasie somit Tür und Tor geöffnet. Da hab ich ehrlich gesagt auch ein bissel Bammel gehabt, obwohl ich bei freien Gewässern eigentlich sonst keinerlei Berührungsängste habe. Wie dem auch sein, vermutlich muss man mehr Angst haben, wenn einem ein Braunbär an Land so nahe kommt als bei einem weißen Hai im Wasser…

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