Gibt es Pilze oder Flechten auf dem Mars?
Im Mai 2021 hatten Rhawn Gabriel Joseph und seine MitautorInnen „Fungi on Mars? Evidence of Growth and Behavior From Sequential Images” veröffentlicht.
Im Juni kam gleich die nächste Publikation „Lichens on Mars vs the Hematite Hoax. Why Life Flourishes on the Radiation- Iron-Rich Red Planet.”
Beide Schriften sind leider nicht frei zugänglich.
Der unabhängige Forscher Joseph forscht im Rhawn Joseph’s Lab in seinem Projekt Life on Mars vor sich hin, um mehrzelliges Leben auf dem Mars nachzuweisen: Dafür interpretiert er Bilder der NASA-Kameras und sucht dabei nach Ähnlichkeiten mit irdischen Lebewesen oder Fossilien. Den meisten Leute dürfte klar sein, dass Josephs Publikation nicht solide ist. Die Methodik der Widerlegung ist ein schöner Exkurs in wissenschaftliches Arbeiten und Mythbusting, also das Überprüfen eines Mythos.
Pilze auf dem Mars?
In „Fungi on Mars“ beschreiben Joseph und seine MitstreiterInnen der Quantitative Paleoecology Group of Minia University (QPGMU), Rhawn Joseph’s Lab, die betreffenden kugelförmigen Objekte von Anfang an als pilzartige Strukturen und deuten sie als Boviste. Amorphe weißliche und schwärzliche Strukturen im Zuge der Mars-Jahreszeiten deuten sie als Beweise für das Wachstum von Pilzmyzelien. Rein statistisch müsste es sich bei den beschriebenen Strukturen von Pilzen und Myzelien handeln: „Obwohl Ähnlichkeiten in der Morphologie kein Beweis für Leben sind, stellen Wachstum, Bewegung und Veränderungen in Form und Lage Verhalten dar und stützen die Hypothese, dass es Leben auf dem Mars gibt.“
Diese steile Hypothese, die alle anderen Ergebnisse zur Forschung nach neben auf dem Mars ignoriert und sich nur auf eine oberflächliche visuelle Betrachtung stützt, haben sie in Advances in Microbiology veröffentlicht. Dass es sich dabei um keine echte wissenschaftliche Publikationsreihe mit einer Begutachtung durch und Diskussion mit anderen MarsforscherInnen handelt, wissen eher Eingeweihte. Tatsächlich handelt es sich um ein sogenanntes Predatory Publishing, übersetzbar mit „räuberischem Veröffentlichen“. Predatory Publishing ist ein betrügerisches Geschäftsmodell einiger Open-Access-Verlage. Diese geben vor, wissenschaftliche Fachzeitschriften herauszugeben und verlangen von den Autoren die im Open-Access-Segment üblichen Publikationsgebühren, ohne dafür jedoch die redaktionellen und publizistischen Dienstleistungen wie Peer-Reviews und Diskussionen zur Qualitätskontrolle zu erbringen.
Selbstverständlich sind viele Medien begeistert auf die Meldung der Marspilze angesprungen. Allerdings kam auch gleich mächtig Gegenwind: Der Wissenschaftsjournalist und science editor Jackson Ryan nimmt die Publikation und ihre UrheberInnen, vor allem Joseph, genüßlich auseinander. Dabei wirft er Joseph nicht zu Unrecht vor, das Ansehen der Wissenschaft zu beschädigen, was gerade in diesen Pandemiezeiten verabscheuungswürdig sei. Ryan erklärt, dass gegen Advances in Microbiology wegen des Raubkopierens echter wissenschaftlicher Artikel etwa aus Nature bereits juristische Verfahren laufen, es keine Qualitätskontrolle gäbe und manche der angeblichen wissenschaftlichen Redaktionsmitglieder diese Tätigkeit offenbar gar nicht ausüben.
Joseph et al haben zwar ihre Behauptungen mit Publikationen belegt, diese führen aber meist wieder zu ihm und einem kleinen Personenkreis zurück. Die Berge von wissenschaftlichen Publikationen, die aussagen, dass es bis heute keine Lebensspuren auf dem Roten Planeten gibt, ignoriert sie einfach. Die Behauptung, auf dem Mars gäbe es Pilze, ist also vollständig aus der Luft gegriffen.
Hämatit-Blaubeeren sind mineralisch, keinesfalls organisch
Die kleinen Kugeln, die Joseph hier interpretierte, sind seit Langem bekannt.
Am 11. Februar 2004 entdeckte der NASA-Rover Opportunity bei der Erkundung eines Felsvorsprungs bei Meridiani Planum ein Gebiet, in dem harte, runde, Steine den Boden bedeckten. Weil die Objekte so unheimlich kugelförmig waren und ihre Oberfläche grau-blau schimmerte, nannte das Team des Mars Exploration Rovers (MER) sie „Blaubeeren“: „[Wir] sahen einige sehr seltsame Dinge“, notierte Steve Squyres (Mitglied des MER-Teams und Wissenschaftler der Cornell University) in seinem damaligen Missionstagebuch. „[Wir] sehen diese seltsamen runden Objekte, die wir ‚Kugeln‘ nennen, eingebettet in den Aufschluss, wie Blaubeeren in einem Muffin. Der Aufschluss erodiert, wenn er sandgestrahlt wird, und die Kügelchen, (die der Erosion besser widerstehen als der Rest des Aufschlusses) fallen heraus und rollen den Hügel hinunter. Seltsam.”
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