Bewohner der Färöer haben gerade 1428 Weißseitendelphine (Lagenorhynchus acutus) abgeschlachtet, berichtete die Newsweek am 14.09.2021:
Video footage shows dolphins being herded towards their deaths as boats surround the terrified animals while they thrash helplessly against spears and knives. https://t.co/F3UEJMSoS5
— Newsweek (@Newsweek) September 14, 2021
Die Bewohner der Färöer-Inseln schlachten jedes Jahr ganze Herden von Walen im sogenannten Grindadráp. Meist sind es Langflossen-Grindwale (Globicephala melas), die daher ihren Namen haben – grindahvalur. Manchmal sind es andere Delphinartige – wie jetzt – oder andere kleine und mittelgroße Zahnwale, wie etwa Entenwale (Hyperoodon ampullatus).
Die kleinen kargen Inseln im kühlen Nordatlantik sind für den Anbau von Getreide, Gemüse und Obst nicht gut geeignet, dafür sind die Winter lang und kalt. Das Meer war und ist immer noch die wichtigste Nahrungsquelle, darum beanspruchen die Inselbewohner das Walfleisch traditionell als winterliche Nahrungsressource.
Traditioneller Grindwalfang auf den Färöern
So ein Grindadráp ist stark reglementiert, auf ihm baut ein wesentlicher Teil d Kultur und des gesellschaftlichen Zusammenhalts auf. Wer eine Grindwal-Gruppe sieht, muss sie den Behörden melden, das Verschweigen kann angeblich mit bis zu 3000 € Geldbuße oder im Wiederholungsfall mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden (ich teile die Sea Shepherd-Positionen in diesem Newsweek-Beitrag übrigens nicht!). Sowie eine geeignete Walgruppe gesichtet wird, wird diese Meldung per Radio bzw. heute über Mobilfunk verbreitet. Meistens sind es Grind- oder Pilotwale, aber auch andere Arten kleiner und mittelgroßer Zahnwale ziehen dort vorbei und werden erlegt. Dann springen die Färöer in ihre kleinen Boote und machen sich gemeinsam auf, um nach uralten Vorgaben die Walherde gemeinsam in eine geeignete Bucht mit seicht ansteigendem Sandstrand zu treiben. Angestellte bekommen dafür frei, angeblich sind sogar Gottesdienste dafür unterbrochen worden – früher war das Walfleisch überlebenswichtig.
Ebenfalls nach alten Vorgaben erfolgt dann die Verteilung der Meeresressource.
Nach Auskunft des ausführlichen, gut belegten Wikipedia-Eintrags wird dieses Fleisch nicht verkauft, sondern darf unentgeltlich mitgenommen werden, damit ist es ein Grundnahrungsmittel.
So ein Grind ist ein Schlachtfest: In der flachen Bucht stehen die Jäger dann im eiskalten Wasser und schlachten die Meeressäuger einzeln: Der Jäger hakt einen gebogenen Haken ins Blasloch des Wals ein und zieht den Meeressäuger daran an den Strand. Dort schneidet er mit dem Mønustingari dem Wal das Rückenmark im Nacken und die Halsschlagader durch, die Meeressäuger sollen nach Sekunden sterben. Allerdings bekommen die Wale natürlich mit, wie ihre Familienmitglieder und Herdengenossen sterben, sie dürften allein über das immer blutigere Wasser Todesangst haben. Ob die Tötung im kalten Wasser immer so tierschutzgerecht und schnell zugeht, darf wohl bezweifelt werden. Wenn die Jäger ermüden, werden ihre Bewegungen im eiskalten Wasser weniger zielführend, dann dürfte das Sterben der Wale deutlich länger dauern.
Ein solches Massaker, die blutige Bucht, die schreienden Wale und das Ausrotten einer ganzen Herde inklusive trächtiger Weibchen beschreibt der Wal-Experte Prof. Pilleri in seiner Biographie „Plaudereien aus der medizinischen Schule“. Eigentlich war er auf die Färöer gekommen, um Walproben zu sammeln, durch den Grind wurde er zum Walfang-Gegner. Der Anatom schildert, wie er einen aus dem Mutterleib geschnittenes ungeborenes Grindwalkalb auf den Armen hält und ihm inmitten des wahnsinnigen Schlacht-Rauschs Tränen über das Gesicht laufen.
Längst ist der blutige Brauch des Grindwalschlachtens umstritten.
Längst wird das Walfleisch nur noch teilweise verzehrt, der größte Teil davon soll zum Ende des Winters auf Mülldeponien landen. Die Färöer-Regierung hatte dazu aufgerufen, das restliche Walfleisch nicht in den Hausmüll zu entsorgen, weil die Füchse sich durch den Nahrungsüberfluß auf den offen liegenden Mülldeponien zu stark vermehrten (mdl. Quelle). Solche Verschwendung von getöteten Tieren ist inakzeptabel!
Dazu kommt: Walfleisch ist so hoch schadstoffbelastet, dass etwa die grönländische Regierung es als gesundheitsgefährdend für die Bevölkerung eingestuft hat und davor warnt. Seit 2008 warnen auch Ärzte auf den Färöern vor dem Verzehr, vor allem wegen der Quecksilberbelastung. Die Regierung der Färöer weist mittlerweile darauf hin und empfiehlt höchstens eine solche Mahlzeit monatlich. Frauen mit Kinderwunsch sollten am besten ganz auf den Wal-Verzehr verzichten, da die Toxine fruchtschädigend sein können.
Töten ist eine fragwürdige Tradition
Nicht jede Tradition ist erhaltungswürdig. Ein aufgeklärter Mensch sollte seine tradierten Verhaltensweisen kritisch hinterfragen. Selbst auf den Färöern ist diese Tradition mittlerweile umstritten, schließlich liefern auch die Schafshaltung und die Aquakulturen sowie die Fischerei ausreichende Nahrungsgrundlagen für die Insel-BewohnerInnnen.
Jetzt haben traditionsbewußte Färöer-Bewohner im Skálafjörður einen ganzen Superpod (ein Zusammenschluß mehrerer Herden) mit 1428 Weißseiten-Delphine auf einmal abgeschlachtet. Eine unvorstellbare Menge. Nach diesem Artikel im färingischen Online-Magazin in.fo hatte der Grind-Vormann Heri Petersen diesen Grindadrap nicht autorisiert.
BREAKING
According to reports the foreman of the grindadrap did not authorise last night’s hunt of a superpod of an estimated 1000 white-sided dolphins as there were too many animals and too few men to avoid unnecessary suffering. https://t.co/qUCsd0ge7s
— Blue Planet Society (@Seasaver) September 13, 2021
Bei über 1000 Delphinen, so Petersen, hätte die Manpower für ein schmerzloses schnelles Töten aller Tiere nicht ausgereicht. Dennoch haben die Insulaner 1428 Weißseitendelphine massakriert. Petersen hatte auch zu bedenken gegeben, dass solch ein Massaker so schlechte Presse und so viel Druck seitens der Welt-Öffentlichkeit erzeugen würde, dass dadurch möglicherweise die gesamte Tradition in Frage gestellt und vielleicht beendet würde.
Da hat er recht! Ich bin wirklich schockiert. Mir ist bewußt, dass auch diese Massentötung die atlantischen Weißseiten-Delphine nicht ausrotten wird und der Grindarap den Bestand der Pilotwale nicht gefährdet. Aber solch eine Massenschlachtung von in fast allen Teilen der Welt geschützten Meeressäugern und so ein absolut nicht nachhaltiges Vorgehen bei der Bewirtschaftung von Meerestier-Beständen ist einfach inakzeptabel.
Ein solcher Blutrausch ist selbst auf den Färöern beispiellos, der nächstgrößere Grindarap war 2013 die Schlachtung von 430 Weißseiten-Delphinen.
@Seasaver, der Twitter-Account der Blue Ocean Society, hat jedenfalls Recht mit dieser Forderung: “If Denmark and the EU don’t act after this then they’re complicit in the unsustainable massacre of protected species.
The aftermath.
Just a few of the 1428 white-sided dolphins massacred in one hunt by a reckless and irresponsible country with no thought for the future of this species. @Tinganes @VSinkevicius @denmarkdotdk pic.twitter.com/dGMQr3ATfe
— Blue Planet Society (@Seasaver) September 14, 2021
Auch wenn die Färöer einen besonderen rechtlichen Status haben und nicht Mitglied der EU sind – u. a. gerade wegen ihrer Wal- und Robbenschlachtungen – können Dänemark und die EU in diesem Fall wirklich nicht länger die Bewahrung regionaler Tradition und Identität direkt vor ihrer Haustür schützen. Auch wenn die Färöer einen Sonderstatus haben, ist jetzt die Rote Linie überschritten. Diese Tradition ist nicht mehr zeitgemäß! Der Grind muss mindestens begrenzt oder ganz gestoppt werden.
Kleinwalschutz in EU- und deutschen Gewässern
Btw: In Deutschland werden Wale zwar nicht mehr gejagt, sie landen stattdessen in d Netzen von Fischern, sterben an Traumata, vergiften sich an unseren Abwassern. Der #Schweinswal ist vor allem in der Ostsee stark bedroht, der Bestand der Zentralen Ostsee steht vor dem Aussterben.
An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass der Kleinwalschutz in den eigenen Gewässern den meisten Deutschen herzlich egal ist und auch kaum jemand über den Beifang in Ostsee, Nordsee und Biskaya spricht. Die einzige Politikerin, die mir bei meinen umfangreichen Recherchen zum Schweinswal-Status im vergangenen positiv aufgefallen ist, ist Steffi Lemcke von den Grünen. Das Klöckner-Ministerium hingegen hat alles unternommen, um die Umsetzung internationaler und EU-Vorgaben zum Kleinwalschutz zu unterlaufen und zu behindern (hier ist ein Hintergrund-Artikel dazu).
Ich werde bei der Bundestagswahl jedenfalls auch für den Walschutz stimmen.
Kommentare (25)