Vor etwa 45 Millionen Jahren war dort, wo heute Halle liegt, eine Sumpflandschaft in paratropischem Klima. Paratropisch bedeutet: warm und feucht wie in den Tropen, aber mit Jahreszeiten.
Der Wald war durchzogen von Bachläufen und anderen kleinen Gewässer und Mooren. Bevölkert war diese Landschaft des Eozäns von kleinen Urpferden, die eher wie heutige Ducker-Antilopen aussahen, landlebenden Krokodilen, deren Zehen in Hufen statt Krallen endeten, riesigen Laufvögeln wie Gastornis und einer Vielzahl anderer Reptilien Vögel und kleiner Säugetiere, von Fischen und vielen Wirbellosen. In den Sümpfen waren tiefe Karst-Einsturztrichter im Muschelkalk-Untergrund. Diese Einsturztrichter (Karstdolinen) in der Kohle sind vermutlich durch Gipsauslaugung in den unter der Kohle vorhandenen Schichten des Bundsandsteins entstanden (wie Herr Dr. Wings am 26.10. noch ergänzte). In diesen Vertiefungen sammelten sich abgestorbene Pflanzenteile, die Biomasse enthielt natürlich auch Tierleichen. Wahrscheinlich über 5 Millionen Jahre hinweg hat sich hier Torf gebildet, die darin eingebetteten Tier- und Pflanzenleichen sind heure als Fossilien erhalten.
Die Fossilienfunde aus der Fossilienlagerstätte Geiseltal sind heute weltberühmt.
Neben den komplexen chemischen Umwandlungsprozessen in Moor und Torf bis zu Braunkohle (Inkohlung) kam im Geiseltal noch eine einzigartige Besonderheit dazu: westlich und südwestlich der Moorlandschaft gab es ein Kalk-Plateau, von dem aus über kleine Wasserläufe kalkhaltiges Wasser in die Moorlandschaft floß. Dieser alkalische Kalk hat bei der Fossilisation die eigentlich aggressiven Huminsäuren des Moores abgepuffert. So sind die Tier- und Pflanzenleichen dreidimensional erhalten geblieben, Tiere enthalten sogar noch ihre Knochen.
Genau wie in der ungefähr zeitgleich entstandenen Grube Messe, die ähnliche Ökosysteme überliefert hat und nur wenige Millionen Jahre älter ist, sind auch im Geiseltal Weichteile erhalten geblieben. Dazu gehören der Mageninhalt eines Pferdes und Pflanzenfossilien an denen noch die Spaltöffnungen und der grüne Blattfarbstoff Chlorophyll erhalten sind. Auch die Geiseltal-Insekten sind mit Chitinpanzer und irisierend schillernden Strukturfarben fossilisiert.
In der Braunkohle des Geiseltals ist also ein ganzes fossiles Ökosystem erhalten geblieben!
Aktuo-Paläontologie und Geiseltal-Sammlung
Die Braunkohle wurde hier wie auch anderswo natürlich zum Heizen gefördert, ab 1908 wurden erste Fossilien entdeckt. Darum kam es schließlich ab der Mitte der 1920-er Jahre erstmals Ausgrabungen im größeren Maßstab. Die Knochen von Tieren wie Pferden, Tapiren, Riesenschlangen und Vögeln sind zwar nicht aufgelöst, aber durch die Huminsäuren sehr fragil, was macht ihre Bergung und Aufbewahrung extrem schwierig macht. Der Paläontologe Johannes Weigelt hat sich dabei unter anderem explizit mit der Taphonomie der Fossilien beschäftigt. Taphonomie untersucht und beschreibt die Vorgänge, die nach dem Tod eines Tieres geschehen und letztendlich zur Fossilisation führen. Weigelt untersuchte dazu systematisch Verwesungsvorgänge an heute lebenden Tieren, seine Arbeit – die sogenannte Aktuo-Paläontologie – war bahnbrechend.
Die Geiseltal-Sammlung ist heute eines der Juwelen der Universität Halle und steht seit 2012 auf der Liste des national wertvollen Kulturgutes. Am Wochenende hatte ich die Gelegenheit, sie mir bei einer Sonderführung durch den Kuratoren für Geologie und Paläontologie Doktor Oliver Wings tatsächlich einmal selbst anzuschauen. Für diese Sonderführung bin ich sehr dankbar, denn ich kam aus dem Staunen kaum heraus. Gerade, weil ich eine Weile in der Grube Messel gearbeitet habe und mir das Ökosystem und die Weichteil-Fossilisation gut vertraut biin.
Wie in der Grube Messel gibt es möglicherweise mehrere Arten von Urpferdchen. Klein und mit gerundetem Rücken haben sie die typische Waldbewohner-Figur wie Rehe oder Wald-Antilopen. In dieser frühen in diesem frühen Abschnitt der Pferde-Evolution hatten die Mini-Pferde noch nicht einen einzigen Huf, wie die heutigen Steppen-Renner, sondern An den Vorderbeinen jeweils vier und an den Hinterbeinen jeweils drei Hufe. Als Waldtiere fraßen sie noch kein Gras, wie die heutigen Pferde, sondern ästen Blätter, die im Mageninhalt erhalten geblieben sind.
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