Dem Weißen Hai sei aus seinem Blickwinkel eine „eindeutige visuelle Unterscheidung zwischen Menschen und Flossenfüßern“ nicht möglich, meinen die BiologInnen.
Robben sind die bevorzugte Beute junger Weißer Haie von um 2.5 Metern Körperlänge. Für die erfolgreiche Jagd entwickeln sie ein Suchbild und kombinieren die visuellen Parameter mit anderen sensorischen Informationen wie dem Geruch. Laut Ryan ist es ein Lernprozess der jungen Knorpelfische, der anfällig für Fehler sein könnte. Solch ein Fehler kann dann zum Beißen eines Menschen fühlen. In dem Fall merkt der Hai-Youngster dann erst nach dem ersten Biß, dass er statt eines fetten Seelöwen einen nach Kunststoff schmeckenden Menschen erwischt hat. Das erklärt auch, warum viele Haie nach einem ersten Biß dann von dem im Ozean paddelnden Menschen ablassen. Wahrscheinlich überprüfen sie ihr Suchmuster dann erneut und beißen beim nächsten Mal wirklich in eine Robbe. Die geringe Anzahl der Hai-Angriffe auf Hominiden spricht dafür, dass so ein Versehen nicht oft vorkommt und eher die Ausnahme ist, meint Laura Ryan. Junge Haie üben noch und schärfen dabei ihr Beute-Suchschema.
Im vergangenen Jahr waren weltweit weniger als 60 Angriffe von Haien auf Menschen gezählt worden. Laut der Studie schüren diese Attacken ein unverhältnismäßig hohes Ausmaß von Ängsten. Mit der Erforschung, warum Haie überhaupt Menschen angreifen, wollen die Biologen zu mehr Aufklärung beitragen. Das Wissen, dass Große Weiße Haie eigentlich nicht auf Menschenjagd sind, sondern vielmehr versehentlich zubeißen, könnte zu einer Demystifizierung dieses großen Hochseehais führen, der seit dem Film „Der Weiße Hai“ regelrecht dämonisiert worden ist.

Quelle:

Laura A. Ryan, David J. Slip, Lucille Chapuis, et al: “A shark’s eye view: testing the ‘mistaken identity theory’ behind shark bites on humans”; https://doi.org/10.1098/rsif.2021.0533

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Kommentare (8)

  1. #1 RPGNo1
    5. November 2021

    Die Untersuchungsanordnung der Neurobiologin Laura Ryan und ihrem Team samt dem anschließenden Abgleich der Videoaufnahmen klingt so simpel. Einfach genial. Wieso ist man nicht bereits früher auf diese Idee gekommen, um Gewissheit über die Haiattacken zu erlangen? 🙂

    PS: Eine kleine Manöverkritik habe ich noch. “und schwimmenden Robben beim Schwimmen” ist doppelt gemoppelt.

  2. #2 Bettina Wurche
    5. November 2021

    @RPGNo1: Diese Analyse riesiger Datenmengen per MatLab oder R erfordert Programmier-Verständnis und IT-Kenntnisse. Mir hatte kürzlich jemand erklärt, dass junge WissenschaftlerInnen heute ihre Forschungsfragen schon so formulieren, dass diese Methoden zur Anwendung kommen können. Für solche Projekte und Methoden braucht es also eine neue Generation von WissenschaftlerInnen, die eine andere Denkweise mitbringen oder sich aneignen.
    Dazu kommt, dass solche Technologie immer erschwinglicher wird, damit ist die finanzielle Schwelle nicht mehr so groß.
    Lieben Dank für die Korrektur!

  3. #3 knorke
    5. November 2021

    In Bezug auf Kommentar 1+2: Ein Jammer, dass ich selbst ein paar Studentengenerationen zu früh dafür dran war. Unsereiner fühlt sich mit den Bordmittelns von SPSS und Excel noch immer am wohlsten.
    Aber so geht es eben zu. Noch ein paar Generationen davor, so sagte man mir, ist man erst mit Lochkarten und später mit Magnetbändern zu Großrechnern im keller der Uni getingelt – wenn man sich denn rechtzeitig angemeldet hat.

    Wäre jetzt also zu überlegen, surfbretter Seesternförmig zu machen, vielleicht nützt es ja was :-)))

  4. #4 Bettina Wurche
    5. November 2021

    @knorke: : ))) Ja, ich bin echt beeindruckt, was da gerade so bezüglich Dataminings abgeht. Das erfordert wirklich eine andere Denkweise. Python kommt auch häufig zum Einsatz, z. B. bei der Auswertung der Klimadaten von Satelliten. Darum sind diese Klima- und Wissenschaftsleugner ja auch so bizarr: Auf viele dieser Daten hätte jede/r Zugriff und könnte sie überprüfen.

  5. #5 RPGNo1
    5. November 2021

    @Bettina Wurche

    Für solche Projekte und Methoden braucht es also eine neue Generation von WissenschaftlerInnen, die eine andere Denkweise mitbringen oder sich aneignen.

    Das beweist wieder einmal: Ich bin inzwischen schlicht zu alt. 😛
    Und viel zu wenig fit in Sachen IT und Programmierung.

    Dazu kommt, dass solche Technologie immer erschwinglicher wird, damit ist die finanzielle Schwelle nicht mehr so groß.

    Richtig, die Kosten. Wenn man seit 20 Jahren in der Industrie arbeitet, vergisst man gerne, wie sich Forschungseinrichtungen und Unis (zumindest öffentliche) nach jedem € recken müssen.

  6. #6 Dr. Webbaer
    5. November 2021

    Deckt sich mit dem Kenntnisstand des Schreibers dieser Zeilen, es ist schön mal im wissenschaftsnahen WebLog-Wesen so zu lesen.
    Vielen Dank.

    Dem Schwimmer mag es dann vielleicht doch letztlich egal sein, warum genau an ihm haiisch gebissen wird, nicht wahr?

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  7. #8 Bettina Wurche
    23. November 2021

    @Dr. Webbaer: So sorry, ich habe die Freischaltung glatt übersehen.
    Wenn man gebissen wurde, dürfte der Grund egal sein. Aber wenn wir den Grund fürs Gebissenwerden kennen, können wir Gegenmaßnahmen ergreifen. So ist die Überlebenswahrscheinlichkeit für Leute, die nicht allein surfen, schwimmen oder tauchen wesentlich höher: Nach einem Haibiß hat der Hai meist genug und schwimmt weg. Dann kann der Buddy die verletzte Person an Land bringen, die Überlebenschance ist hoch. Wollte der Hai jemanden wirklich fressen, würde das gar nicht nutzen, dann würde der Hai seinen Hunger stillen. Ist eine verletzte Person aber allein unterwegs, ist es meist ausgeschlossen, das Land zu erreichen und schnell Hilfe zu bekommen, das führt meist zum Tod.