Allerdings ist mittlerweile bekannt, dass gerade die Arten der Gattung Mesoplodon oft nur in einem kleinen Areal, meist einem Meeresbecken, vorkommen. Aufgrund seiner Seltenheit und Zweifel an der Identität wurde auch dieser Schädel also exakt vermessen, daneben erfolgte die molekulare Analyse zum Abgleich mit anderen verwandten Arten. Der erste Blick hatte getäuscht, NMNZ MM003000 zeigte Abweichungen von den True-Walen in anderen Sammlungen. Dafür ergaben sich Übereinstimmungen mit anderen Schädeln in Sammlungen des Port Elizabeth Museums und des Iziko South African Museum in Kapstadt. Gerade in Kapstadt liegen viele außergewöhnliche Schädel etwa von Schnabelwalen, die von Tristan da Cunha stammen, einer der abgelegensten aller Inseln in den Weiten des unwirtlichen Südpazifiks.
Die Karte zeigt die Fundstellen des Ramari-Wals:
Sowohl die Schädelvermessung (Morphometrische Schädelanalyse) als auch die molekulare Untersuchung können nun von absoluten Experten durchgeführt werden. Solche Schädel-Morphometrien habe ich im Rahmen meiner Diplomarbeit an den beiden Schnabelwalarten Hyperoodon ampullatus und Mesoplodon bidens durchgeführt. Ich habe mich mühselig in die besonderen Schnabelwal-Schädel eingearbeitet und weiß mittlerweile genau, an welchen Details sich die Gattung und an welchen noch feineren Details sich die Arten identifizieren lassen – messen, zeichnen, vergleichen und noch einmal messen. So haben die Wal-Experten der Museen kleine, aber signifikante Unterschiede gemessen: M. eueus Rostrum (Schnabel) ist kürzer und an der Basis breiter, außerdem sind die für Schnabelwale so typischen prämaxillaren Knochenkämme etwas ausgeprägter.Die molekulare Analyse kam zum gleichen Ergebnis: Abweichungen mit Trues wunderbarem Wal, keine Zuordnung zu einer bekannten Mesoplodon-Art, stattdessen Übereinstimmungen mit anderen Gewebeproben.
So mehrten sich die Hinweise, dass es sich um eine neue, noch unbeschriebene Mesoplodon-Art handeln könnte. Eine neue Art muss immer detailliert beschrieben und mit umfangreichem Vergleichsmaterial abgesichert werden. Die Artbeschreibung, die Emma Carroll jetzt Ende Oktober veröffentlichte, ist gut abgesichert: Die Liste der Ko-Autoren der Publikation zeigt den Austausch mit den anderen Wal-Experten. Zu Ehren von Ramari Stewart und ihrer Arbeit ist das gestrandete trächtige Wal-Weibchen nach ihr benannt worden und die erste Wal-Art, die den Namen einer Maori-Frau trägt. Dass Ramari auf Maori ein seltenes, ungewöhnliches Ereignis bezeichnet, passt besonders gut zu diesen Meeressäugern.
Respekt für einen toten Wal
Was mich an dieser Beschreibung des Abfleischens besonders beeindruckt hat, ist der Respekt gegenüber dem toten Meeressäuger. Die Maori bringen Walen und anderen Meereswesen traditionell Respekt entgegen und die neuseeländischen Umweltschutzbehörden und Biologen teilen diesen Umgang. So hat die tote Walkuh einen Namen bekommen, Niho Ngore, sie und ihr Baby sind dann noch gesegnet worden. Zum Abschluß wurden ihre Knochen im Museum weiter gesäubert und sind nun Teil der „nation’s precious collections of biological and cultural treasures at Te Papa Tongarewa“.
Man kann einen toten Wal natürlich einfach als Fleischhaufen betrachten. Das ist mir selten gelungen. Ich verspüre bei jedem toten Wal – wie auch bei anderen Lebewesen – ein Gefühl des tiefen Bedauerns. Zu gern würde ich wissen, was dieses Tier erlebt hat, gerade bei Großwalen, die schon Jahrzehnte alt sind. Ist er durch menschliches Handeln zu Tode gekommen, kommen noch Scham und Wut dazu, dass wir dies immer wieder zulassen. Wenn wir einen Wal als eine Kreatur als Teil unserer Umwelt und unseres natürlichen Erbes begreifen würden, würden wir uns vielleicht auch mehr um ihren Schutz kümmern. Diese Verbundenheit mit dem Meer und seinen Bewohnern kommt mir heute viel zu kurz, wir sind von der Natur entwöhnt. Nur wenn wir es wieder als einen wichtigen Teil von uns begreifen, werden wir uns besser darum kümmern – im Kleinen, indem wir keinen Müll am Strand zurücklassen sondern Müll einsammeln und im Großen, indem wir Ölförderung, Meeresverschmutzung und mehr endlich wirkungsvoll unterbinden.
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