Seit Februar 2020 leben wir im bedrohlichen Schatten von SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2), einem neuen Coronavirus. Mit der Zulassung und Verteilung von Impfstoffen verlor das fiese Virus einen Teil seines Schreckens.
Ein Ende der Pandemie ist leider immer noch nicht in Sicht – obwohl eine wirksame Impfung, wirksame Hygienemaßnahmen und weitere Werkzeuge mittlerweile gut bekannt und erprobt sind.
Seit der ersten Viruswelle hat in Deutschland und manch anderen Ländern nur ein ungenügender Lernprozess stattgefunden, darum gehen wir jetzt in eine vierte Viruswelle hinein.
Manche Leute diskutieren immer noch über die Wirksamkeit der Impfung und der Hygienemaßnahmen. Andere sind verunsichert durch unterschiedliche Informationen und eine nicht immer ganz glückliche Kommunikation des Themas durch einige Medien, manche Politikerinnen und einige ExpertInnen. Aufgrund meiner persönlichen Erlebnisse und der öffentlichen Debatte habe ich mich entschieden, doch noch einmal etwas dazu zu schreiben.
Zusammenfassung des gesamten weiteren Artikels:
Teil 1:
- Die Impfung wirkt. Alle Impfstoffe. Zu 90 % gegen die meisten Virusvarianten, zu 75% gegen Delta. Sie ist die schärfste Waffe im Kampf gegen die Pandemie.
- Alle Impfstoffe wirken. Sie müssen einmal, bzw. zweimal mit einem gewissen Abstand gespritzt werden.
Selbst falls sie die Ansteckung nicht vollständig verhindern können, verringern sie die Viruslast, die Ansteckungsgefahr und die Schwere der Erkrankung signifikant. - Der bis jetzt als Booster bezeichnete 3. „Schuß“ sollte nach Meinung von Experten zur vollständigen Impfung gehören. Bei einmaligen Impfungen sollte auch unbedingt jetzt eine Auffrischung erfolgen.
Erst die vollständige Impfung entfaltet einen vollständigen Schutz. - Ein Mund-Nasen-Schutz – über Mund UND Nase getragen – ist eine wirksame Schutzmaßnahme.
Es lohnt sich übrigens, statt einer schlechtsitzenden OP-Maske eine gutsitzende FFP 2-Maske zu tragen. Über Mund UND Nase. Mit dem kleinen Metallbügel lassen sich alle Masken an die Nase andrücken.
Die Wirksamkeit kann man bereits an der Verringerung der grippalen Infekte, die man sich sonst normalerweise in dieser Jahreszeit einfängt, erkennen. - „Physical distancing“ wirkt. Einfach Abstand halten. Sich nicht in Situationen begeben, wo viele Menschen auf engem Raum sind. Große Vorsicht ist geboten in Situationen, wo Menschen ohne Maske zusammensitzen.
- 2 G, 2 G + und 3 G bieten einen gewissen Schutz. Wie sie in Deutschland durchgeführt werden, halte ich sie für nicht zuverlässig.
Teil 2: (kommt nächste Woche)
- Tests sind nützlich, allerdings unterschiedlich zuverlässig.
PCR-Tests sind zuverlässig. PCR-Schnelltests sind relativ zuverlässig.
Die Anti-Gen-Tests für jedermann und jederfrau sind nicht ganz zuverlässig, sie zeigen manchmal auch falsch-negative oder falsch-positive Resultate an.
„Man sollte den Selbsttest also nicht zu viel Vertrauen schenken und bei einem unklaren Ergebnis einen PCR-Test machen lassen.“, wie der Kieler Virologe Helmut Fickenscher gegenüber dem NDR erklärt. - Die Kombination mehrerer Schutzmaßnahmen gibt höchste Sicherheit!
Also: Impfung UND MNH UND Abstand UND Testen.
Wie ja auch alle ExpertInnen seit Beginn der Pandemie raten. - Eigenes Verhalten kritisch überprüfen und falls möglich, Risiken minimieren.
- Vorsicht bei der Auswahl der Informationsquellen und konsumierten Medien. Nicht alle medialen Inhalte sind zielführend zur Eindämmung der Pandemie.
Dabei ist hilfreich, sich die Ausbildung einer Person anzusehen, die etwas sagt und in welchem Medium ein Statement geäußert wird.
Bei der Einschätzung der Faktennähe hilft auch, zu überprüfen, welche Modelle und Vorhersagen bisher mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetroffen sind.
Und zu welchem Zweck jemand eine Information verbreitet. - Schuldumkehr ist keine Argumentation
Achtung, Wahrscheinlichkeits- und Prozentrechnung!
Die gesamte Infektionsbiologie und Medizin basieren auf Wahrscheinlichkeitsrechnung. Das macht es etwas komplizierter zu verstehen. Komplexe Situationen und Probleme wie ein pandemisches Virus lassen sich leider nur teilweise vereinfachen.
Gerade Wahrscheinlichkeitsrechnung ist nicht einfach. Wahrscheinlichkeits- und Prozentrechnung gemeinsam sind noch komplexer. Wenn man die nicht versteht, ist das kein Problem.
Das eigene Unverständnis bedeutet aber nicht, dass die Impfung nicht wirkt und alle MedizinerInnen, VirologInnen und andere ExpertInnen lügen. Es bedeutet lediglich, dass man es nicht kapiert.
Wie wirksam ist die Impfung?
Es gibt keine 100% sichere Methode, sich gegen eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-Cov 19 zu schützen.
Stattdessen gibt es ein Bündel recht wirksamer Methoden, die insgesamt einen hohen Schutz bieten.
Die Impfung wirkt: „Die Wahrscheinlichkeit, schwer an COVID-19 zu erkranken, ist bei den vollständig gegen COVID-19 geimpften Personen um etwa 90% geringer als bei den nicht geimpften Personen.
Die Impfung bewirkt also einen hohen Schutz vor der Infektion und vor einem schweren Krankheitsverlauf, so das RKI.
Und etwa 95% der VirologInnen, MedizinerInnen und anderen Sachverständigen, die mit dieser Materie arbeiten.
Medizinerinnen und Pflegepersonal bestätigen wissenschaftliche Studien und die Aussagen des RKI: Auf den Intensivstationen sind wesentlich weniger geimpfte, als ungeimpfte PatientInnen.
Eine meiner Lieblings-Informationsquellen dazu ist der Oberarzt Cihan Çelik, Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie bei Klinikum Darmstadt GmbH. Er erklärt regelmäßig in Interviews sachlich und geduldig, was bei ihm auf der Station gerade so abgeht. Ein wichtiger Aspekt ist, dass er selbst 2020 schwer an Covid erkrankte und selbst zum Patienten wurde. Er weiß also aus erster Hand, wie unangenehm solch eine Infektion ist. Glücklicherweise ist er vollständig genesen.
In den Interviews bestätigt er immer wieder die offiziellen Aussagen etwas des RKI und vorliegende Studien aus Deutschland und anderen Ländern durch das, was er im Klinik-Alltag sieht.
Wer das nicht glauben möchte, sollte vielleicht einfach mal jemanden fragen, der oder die direkt auf einer Intensivstation arbeitet.
Falls es doch zum Kontakt mit dem Virus kommt, sorgt die Impfung dafür, dass die Wahrscheinlichkeit, zu erkranken, geringer ist. Steckt man sich trotzdem an, ist die Dauer, die man selbst infektiös ist und das Virus weitergeben kann, herunter. Im Falle der Erkrankung, sorgt die Impfung für einen erheblich leichteren Krankheitsverlauf.
Solche Impfdurchbrüche passieren gerade bei der Delta-Variante des Virus leider vermehrt. Allerdings ist dabei auch zu berücksichtigen, dass bei einem Teil der Infizierten die Impfung nicht vollständig war oder sich das Impfzertifikat im Nachhinein als gefälscht herausstellte. Gefälschte Impfzertifikate in jeglicher Form, vom Screenshot des digitale Impfzertifikats eines Bekannten bis hin zu aufwändigen Fälschungen, sind ein zunehmendes Problem.
Außerdem fälschen manche Personen auch Testergebnisse, um sich etwa mit einem negativen PCR-Test die Quarantäne zu ersparen, wie etwa Cihan Çelik berichtet.
Impfdurchbrüche kommen vor allem bei Personen mit schweren Vorerkrankungen vor, darunter sind einige Krebserkrankungen. Bei Delta ist die Anzahl der Impfdurchbrüche leider höher als bei den vorigen Virus-Varianten.
Ein besonders wichtiger Aspekt ist: „Die Impfung schützt zwar zu einem sehr hohen Teil, aber eben nicht zu 100 Prozent. Deshalb kann sie Infektionen bei Geimpften nie ganz verhindern. Wenn immer mehr Menschen innerhalb der Bevölkerung geimpft sind, steigt damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass unter den Erkrankten Geimpfte sind.“ Wenn also in einem Krankenhaus beispielsweise 80 % der PatientInnen Ungeimpfte sind und 20 % Geimpfte, entstammen die 80 % dem kleineren ungeimpften Teil der Bevölkerung, während die 20 % dem wesentlich größeren Teil der vollständig Geimpften entstammen, also zurzeit etwa 70% oder über 58.000 Menschen (RKI, 23.11).
Dieser br-Artikel beschreibt dieses Zahlenspiel und die RKI-Definition von „Impfdurchbruch“ detailliert.
Zusammenfassend ist also zu sagen: die Impfung wirkt mit hoher Wahrscheinlichkeit und ist eine wirksame Methode, sich gegen einen schweren Krankheitsverlauf möglichst zu schützen.
Sie reduziert die Virenlast und damit das Infektionsrisiko.
Wichtig: Das RKI denkt sich seine Statistiken nicht aus. Diese Statistiken basieren auf den Meldungen der Gesundheitsämter der einzelnen Länder.
Sollten einzelne Zahlen möglicherweise nicht ganz belastbar sein, bedeutet das nicht, dass die gesamte Statistik falsch ist. Es bedeutet auch nicht, dass jemand lügt.
Impfangst
Sollten Sie mit der Impfung zögern, aus Angst vor dem kleinen Einstich im Oberarm mit den extra dünnen Nadeln: sprechen Sie Ihren Hausarzt, Ihre Hausärztin darauf an.
HausärztInnen sind pragmatisch und lösungsorientiert und können mit solchen Situationen umgehen. Auch eine psychologische Beratung kann vielleicht helfen. Nadelphobie ist keine Schande, Sie stehen damit nicht allein. Allerdings sollte man dieses Problem lösen.
Natürlich kann nach der Impfung ein bisschen der Oberarm weh tun, auch Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Fieber, leichte Grippeartige Symptome können vorkommen. Die dauern aber meistens nur ein bis zwei Tage. Damit kann man umgehen. Etwa, indem man Snacks, Getränke, eine warme Decke, Wärmflasche und Kopfschmerztabletten bereitlegt und sich direkt nach dem Termin ausruht.
Zusatz-info: Sollten Sie aus Angst vor der Spritze die Impfung ablehnen und dann höchstwahrscheinlich doch erkranken, ist es im Krankheitsfall nicht mit einem kleinen Pieks in den Oberarm getan. Bei der Aufnahme ins Krankenhaus wird meist schnell ein Venenzugang in die Hand gelegt. Zumindest bei mir tut das wesentlich fieser weh, als jede intramuskuläre Spritze. Sollten Sie dann schwerer erkranken, ist der Venenzugang Ihr kleinstes Problem. Sie bekommen noch wesentlich mehr Anschlüsse in verschiedene Körperöffnungen gelegt und Nadeln eingeführt. Im Fall der Notwendigkeit zur künstlichen Beatmung wird es richtig übel: Das Intubieren muss eine entsetzliche und traumatische Erfahrung sein, nach der sich Leute oft Wochen oder monatelang nicht erholen. Oft dauerhafte Schäden, weil die Lunge sich nie davon erholt. (Die ursprünglich geplante Schilderung, was das im Verdauungstrakt anrichtet, lasse ich weg, es ist nicht zitierfähig. Auf Twitter berichtete eine Intensivpflegerin, wie das abläuft, es ergab sich ein netter Geschichtenaustausch mit anderen PflegerInnen, bei dem nicht nur mir ganz anders geworden ist. So etwas steht halt in keiner Zeitung).
Falls Sie befürchten, der Impfstoff sei nicht erprobt: Das stimmt nicht. Mittlerweile sind viele Hundert Millionen Menschen damit geimpft worden. Und es hat kein rätselhaftes Massensterben gegeben.
Welche Nebenwirkungen auch immer man bekommt: Die Folgen einer systemischen Erkrankung wie Corona sind meist wesentlich übler.
Mittlerweile können fast alle Menschen geimpft werden. Nur bei Allergien gegen Inhaltsstoffe oder sehr schweren Erkrankungen sollte darauf verzichtet werden, dieser br-Beitrag fasst es gut verständlich zusammen.
Seit heute empfiehlt die EMA auch die Impfung von Kindern ab 5 Jahren. Mehr dazu im aktuellen Spektrum-Artikel.
2G und 3G, 2G + und gefälschte Impfausweise – meine Meinung dazu
Ganz gute Ideen. Ich halte es allerdings für fraglich, ob die uns jetzt noch so wesentlich weiterhelfen.
Ich war gerade auf einer kurzen Geschäftsreise und habe dabei für mich maximale Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Angeblich war fast überall 2G und 3G angesagt. De facto bin ich in den letzten drei Monaten nur ein einziges Mal bei einer 3G-
Veranstaltung tatsächlich auch auf meine Identität kontrolliert worden, das war bei der FedCon in Bonn, einer großen Science Fiction-Veranstaltung. Alle anderen Kontrollen waren oberflächlich, in den meisten Fällen wurde nicht einmal das Impfzertifikat gescannt, den Ausweis habe ich nie vorzeigen müssen.
Meistens wurden wir in Hotels, Museen und anderen Einrichtungen nach einer oberflächlichen Betrachtung eines vorgehaltenen Zertifikats durchgewunken. Damit waren die Kontrollen fast immer ungenügend. Werden durch eine solch unzuverlässige Kontrolle Menschen in Veranstaltungen ohne Mund-Nasen-Schutz zugelassen, wie in Bars und Cafes, so ist mit 2G und 3G kein zuverlässiger Infektionsschutz gegeben. Darum trage ich pedantisch einen MNS.
Aber das ist nur meine persönliche Einschätzung.
Verschärft wird die Situation durch gefälschte Impfpässe: Manche Personen fälschen selbst, andere kaufen fertige Fälschungen. In beiden Fällen führt das dazu, dass sie andere Menschen in falscher Sicherheit vor Ansteckung und Krankheit wiegen.
Ein aktueller prominenter Fall ist der Ex-Trainer Markus Anfang von Werder Bremen. Er soll sein Impfzertifikat gefälscht haben und war so als Geimpfter noch zu G2-Veranstaltungen zugelassen, in diesem Fall zu einer Kölner Karnevals-Veranstaltung.
Solche Fälschungen kann man übrigens weder WissenschaftlerInnen noch PolitikerInnen anlasten, sondern ganz allein den Menschen, die die Fälschung aus welchem Grund auch immer begehen.
Ein solches Verhalten ist kein Spaß, sondern inakzeptabel, da es vorsätzlich andere Menschen täuscht und einer schweren Erkrankung aussetzt. Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Das Vorzeigen eines falschen Impfzertifikats bei offiziellen Stellen erfüllt dann auch noch den Tatbestand der Urkundenfälschung.
Ob das Vorlegen eines gefälschten Impfzeugnisses in einer Apotheke auch schon den Straftatbestand der Urkundenfälschung erfüllt, wird unter JuristInnen gerade diskutiert: Ein niedersächsisches Gericht hatte dies verneint, die niedersächsischen Generalstaatsanwälte schätzen es allerdings anders ein – sie halten es auf jeden Fall für strafbar. “Es besteht kein Anlass zur Annahme einer Strafbarkeitslücke. Eine solche widerspräche ganz offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers”, teilten die drei niedersächsischen Generalstaatsanwälte Detlev Rust, Frank Lüttig und Andreas Heuer mit und stellten klar: “Wer versucht, mit einem gefälschten Impfzertifikat einen digitalen Impfpass zu erlangen, muss auch künftig damit rechnen, dass er oder sie von der Staatsanwaltschaft verfolgt wird.” Das Bundesjustizministerium ist jetzt aufgerufen worden, diese mögliche Gesetzeslücke schnell zu schließen.
Das ist auch richtig so: Schließlich ist es ein vorsätzliches Verhalten, um die Arglosigkeit anderer Menschen auszunutzen und dabei möglicherweise jemandem schweren gesundheitlichen Schaden zuzufügen.
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