Eine Buckelwalin rekelt sich in den warmen Gewässern vor der Küste Queenslands, 15 Männchen sind ihr dicht auf der Flosse und dabei in die größte Klopperei des Planeten verwickelt: einen Heat Run. Ein Heat Run ist der hitzige Wettlauf und -kampf einer Männchengruppe um die weibliche Gunst. Der Gewinner darf sich paaren und sein genetisches Material weitergeben.
Dabei fliegen die (Haut-)Fetzen und es fließt Blut. Dass die bis zu 3,5 Meter langen, weißen und seepockenbesetzten Buckelwal-Brustflossen hart wie Bretter und damit gefährliche Waffen sind, führen diese Bartenwale regelmäßig vor, wenn sie sich oder andere Meeresbewohner gegen Orcas verteidigen (Meertext: Mobben Buckelwale Orcas?).
Im Sommer 2021 hatte der australische Buckelwal-Experte Olaf Meynecke (Griffith University) erstmals in australischen Gewässern vor der Gold Coast solch einen Heat Run gefilmt. Diese Gegend ist zwar ein bekannter Zwischenstop auf der Buckelwal-Wanderroute von den südpolaren Nahrungsgründen zu den tropischen Kinderstuben. Aber einen solch großen und lang dauernden Heat Run hatten die Biologen hier noch nie beobachtet, über drei Stunden lang und mit 16 Stundenkilometern. Für ein Tier mit über 25 Tonnen Gewicht ein ordentliches Rennen.
Im November konnte Meynecke dann während eines Heat Runs am „Boss-Wal“ mit Saugnäpfen eine Kamera platzieren und spektakuläre Bilder direkt aus dem Zentrum eines Giganten-Kampfes filmen.
Video: Drone Footage Shows Humpback Whales in Rare ‘Heat Run’ in Australian Waters
Heat Run
Eine Gruppe Walbullen verfolgt eine paarungsbereite Walkuh und versucht dabei, die Rivalen aus dem Feld zu schlagen. Diese Rauferei kann sich über Stunden andauern: Sie schubsen sich gegenseitig aus dem Weg und prügeln sich. Mit Blasenvorhängen versuchen sie, sich gegenseitig zu blenden und wirbeln wie eine wilde Jagd durcheinander.
Manchmal stürzen sie sich sogar aggressiv mit voller Wucht aufeinander, dabei blasen sie die Kehlfalten weit auf, um noch größer zu wirken. Dabei können sie sich erheblich verletzen, manchmal sogar tödlich. 12–16 Meter groß und 25 – 30 Tonnen schwer sind sie keine Leichtgewichte, ihr scheinbar schwereloses Schweben mit den großen weißen Brustflossen und das Breaching täuschen.
Bei diesem Kampf reißen sie sich Hautfetzen aus den Körpern, es fließt Blut. Meynecke beschreibt, dass so viele Hautfetzen im Wasser waren, dass es wie „Walhautsuppe“ aussah. Außerdem hätten die Wale die ganze Zeit Lautäußerungen von sich gegeben, wie die Biologen durch den Rumpf ihres Bootes hören konnten. Die Zusammenstöße und Verletzungen können für manchen Wal sogar tödlich ausgehen.
Wie bei jeder guten Prügelei gab es auch hier Gaffer: Einige Delphine verfolgten das Spektakel aufmerksam und schienen es unterhaltsam zu finden, Meynecke warnt allerdings Taucher und Surfer, das aus der Nähe zu verfolgen.
Im November 2021 konnte Olaf Meynecke dann eine Kamera am „Boss-Wal“ befestigen, die dann erstmals Bilder direkt aus dem Zentrum des Titanenkampfes aufnahm.
Dabei sieht man, wie eng einige der Meeresriesen sich kommen, wie Hautfetzen vorbeitreiben, wie viele weitere Rivalen nahe am Geschehen sind und wieviel Action dort geschieht. Die weißen Narben auf der Walhaut bezeugen frühere Kämpfe (Orca-Angriffe hinterlassen parallele Kratzerreihen der Zähne, diese Narben haben also andere Ursachen).
So episch ist dieser Kampf, dass Biologen ihn „Dinosaurier-Kampf“ getauft haben. Im Oktober 2009 hatten sie einen Heat Run mit 40 Männchen vor Tonga beobachtet. Eine Walkuh „in Hitze“ hatte mit ihren Rufen und dem Schlagen der Brustflossen auf die Wasseroberfläche all diese Bullen „herbeigetrommelt“. Dass gleich 40 Bewerber auftauchten, war allerdings überraschend.
Heat Runs gehören zum Auswahl-Prozess weiblicher Buckelwale, die aus den Männchen den idealen Vater ihres Kalbs erwählen. Die Walkühe halten sich außerhalb des Titanenkampfes und begutachten, wie sich die potentiellen Liebhaber schlagen. Schließlich wird sie den Sieger auswählen und sich mit ihm paaren. Nach welchen Gesichtspunkten sie den Sieger kürt, ist noch unklar.
Klar ist: Buckelwale gebären wie alle Wale immer nur ein Kalb, Tragezeit und Säugezeit dauern lange und kosten die Mutter viel Energie. Darum will sie natürlich für ihren Nachwuchs das beste Erbgut für die besten Überlebenschancen. Vieles spricht dafür, dass (auch) die Meeresriesen nicht jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen.
Die lange Wanderung der Buckelwale
Buckelwale fressen sich im antarktischen Sommer am Antarktischen Krill eine dicke Speckschicht an. Dann ziehen sie in die winterlichen tropischen Gewässer, die zwar nahrungsarm, aber ideal als Kinderstube sind.
Die Walkühe müssen für sich und das heranwachsende Kalb fressen, darum bleiben sie besonders lange im krillreichen Südpolarmeer. Die Männchen hingegen verbringen wesentlich mehr Zeit in tropischen Gewässern, um dort möglichst viele Paarungspartnerinnen abzufangen. Darum sind die Bullen dort in der Überzahl. Wie alle Bartenwale bilden Buckelwale keine langfristigen Paarbindungen, sondern paaren sich mit verschiedenen Partnern.
Bisher ist von den Buckelwal-Paarungen vor allem der ausdauernde Gesang der Männchen bekannt, der einzigartig im Ozean ist. Dass sie so gewalttätig werden, war zumindest mir neu.
Durch den El Nino La Nina-Event verlagert sich der East Australian Current (EAC), der den Walen als „Highway” zur Navigation dient, weiter vor die ostaustralische Küste. Darum war 2021 ein schlechtes Jahr für die Whale watching-Industrie. Für die Buckelwale war es allerding gut, denn so weit vor der Küste gerieten sie bei ihrer Wanderung nach Norden nicht in die Hainetze direkt vor der australischen Küste.
Im letzten Jahr sind die Buckelwale weiter nach Süden gezogen, auch dafür vermutet Meynecke La Nina als Ursache. La Nina erwärmt das Oberflächenwasser im Pazifik, dann sind die kühleren Wassermassen mit dem reichen Zooplankton weiter nach Süden verschoben. Dadurch bekommen vor allem die jüngeren Kälber Schwierigkeiten, weil sie für eine so lange Wanderung noch zu schwach sind.
Allerdings geht es der Buckelwal-Population im Südlichen Pazifik insgesamt sehr gut. 60 Jahre nach dem Walfang-Moratorium und dem Beginn des Walschutzes sind aus ein paar Hundert Walen vor der australischen Ostküste wieder 27.000 bis 35.000 geworden.
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