Grimalditeuthis bonplandi (2).jpgDas Monterey Bay Aquarium Research Institute (MBARI) hat gerade ein schon 2005 aufgezeichnetes Video eines ungewöhnlicher Tiefseekalmars gebracht: Grimalditeuthis bonplandi. Teils fast durchsichtig, teils bunt, leuchtend und mit Angelrute und Kopfputz ausstaffiert, jagt der auffallende kleine Kalmar (er erreicht maximal 25 Zentimeter Mantellänge) zwischen 500 und 1500 Metern Tiefe, in der licht- und nahrungsarmen Tiefe.

Grimalditeuthis bonplandi ist keine neue Art, aber bis 2013 hatte noch niemand ein lebendes Exemplar gesehen. Stattdessen mussten BiologInnen sich mit der Untersuchung toter, oft verletzter und ramponierter Bonpland-Kalmaren begnügen. Einige von ihnen stammten aus Tiefsee-Netzen, andere aus Mageninhalten etwa von Pottwalen.

Der lebende Grimalditeuthis bonplandi brachte die neugierig beobachtenden BiologInnen zum Staunen. Die meisten Kalmare jagen aktiv, als silbrig-bunte Pfeile stoßen sie durch das Wasser, manche Arten leben in Schwärmen. Nicht so Grimalditeuthis bonplandi – er hängt eher bewegungsarm im offenen Wasser. Der wenig muskulöse und gelatinöse Körper ermöglicht ihm nur langsames Schwimmen. Das Video von 2005 zeigte erstmals die Funktion seiner extrem dünnen, fragilen Jagdtentakel und des seltsamen „Kopfputzes“: Normalerweise nutzen Kalmare die Jagdtentakel zum Ergreifen und Heranziehen ihrer Beute. Dieser Kalmar hingegen zieht seine beiden saugnapflosen Tentakel, die viermal so lang wie der Mantel sind, hinter sich her wie Schleppangeln und bewegt sie wellenförmig: Er benutzt sie als Angel! Die längliche und spitz zulaufende Tentakelkeule ohne Saugnäpfe und Haken am Ende sieht wie ein kleiner Fisch oder eine Garnele aus. „Aggressive Mimikry“ nennen BiologInnen diese gerade in der nahrungsarmen Tiefsee beliebte Strategie. (Siehe auch: Tiefseeangler).

Die runde, platte hutartige Struktur, die er im Video vor sich herschiebt, ist eigentlich am Schwanzende. Sie ist in Größe und Form ungewöhnlich, oft sind diese Enden sonst eher spitz zulaufend. Zum Schwimmen scheint er sie jedenfalls nicht einzusetzen, es ist klar zu sehen, dass nur die beiden Flossen seitlich am Mantel auf- und abflappen.
⁠⁠Die Tentakel sind in der Dunkelheit des Bathy- und Abyssopelagials nicht zu sehen, wie die Videos zeigen. Ihre Bewegungen könnten allerdings bei anderen Organismen wie Plankton deren Bioluminiszenz auslösen. Viele von ihnen geben bei Störungen – etwa bei Berührung oder Wasserturbulenzen – Lichtblitze ab und würden dann selbst sichtbar, dann könnte Grimalditeuthis gezielt zugreifen. Bis jetzt hat allerdings noch niemand G. bonplandi beim Fangen von irgendetwas beobachtet. Nur aus Mageninhalten ist sein Menu bekannt: Kleine Tintenfische und Garnelen.

Interessant sind auch die Bioluminiszenz-Organe (Photophoren) nur an den Tentakelspitzen weiblicher Exemplare. Da in den Videos die Tentakel-Photophoren kein Licht abgeben, scheinen sie nicht zum Anlocken von Beute eingesetzt zu werden. Geschlechtsdimorphe Organe haben selten etwas mit dem täglichen Nahrungserwerb zu tun, sondern stehen oft eher im Kontext mit der Partnersuche und Fortpflanzungs-Ritualen, die ja gerade bei Kalmaren oft auch Farbe und Lichtspektakel enthalten. Leider ist auch die Bonpland-Kalmar-Balz noch ein großes Geheimnis.

Hier ist das Video von 2013:

First-Ever Footage of Deep-Sea Squid Reveals Unique Feeding Behavior

Hier ist das Video von 2005:

Grimalditeuthis bonplandi descubierto en 2005, se cree que vive en zonas mesopelágica y batipelágica

 

Der fürstliche Name des Grimalditeuthis bonplandi

Grimalditeuthis bonplandi ist nach gleich zwei VIPs benannt: Prinz Albert I von Monaco war als aktiver Meeresforscher auf den Ozeanen unterwegs und gründete aufgrund seiner persönlichen Interessen 1889 das Musée et Institut océanographique de Monaco – das monegassische Meereskunde-Institut und -Museum. Mit der Erforschung des Mittelmeeres, der Azoren und Spitzbergen (!) hat er sich die Zeit vertrieben, bis er seinen Vater als regierender Fürst ablöste. 1889 benannt der damalige Museumsleiter, der französische Biologe Louis Joubin eine Tiefseekalmar-Gattung nach dem Fürsten: Grimalditeuthis. Albert Grimaldi hatte einige Kalmar-Exemplare aus dem ausgewürgten Mageninhalt von Pottwalen gesammelt. Der Artname Grimalditeuthis bonplandi ehrt nicht nur den engagierten Amateur-Meeresforscher Albert Grimaldi, sondern auch noch den französischen Botaniker Aimé Bonpland, der vor allem als Alexander von Humboldts Reisegefährte im südamerikanischen Dschungel bekannt geworden ist. Warum ausgerechnet ein Tiefseekalmar nach ihm benannt worden ist, weiß ich leider nicht.

Quelle:

Hendrik J. T. Hoving, Louis D. Zeidberg, Mark C. Benfield et al: “First in situ observations of the deep-sea squid Grimalditeuthis bonplandi reveal unique use of tentacles”; 22 October 2013 https://doi.org/10.1098/rspb.2013.1463

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Kommentare (11)

  1. #1 RPGNo1
    16. Februar 2022

    Heute ein #CephalopodWednesday statt #CephalopodFriday? 🙂

    Ansonsten bleibt nur zu sagen: Faszinierendes Tier. Die Artenvielfalt der Kopffüßer überrascht immer wieder.

  2. #2 Bettina Wurche
    16. Februar 2022

    @RPGNo1: Ein #MolluskenMittwoch : ) Ja, gerade diese Tiefsee-Tentakeltiere haben immer noch eine Menge Überraschungen unter dem Mäntelchen verborgen : ))

  3. #3 Dampier
    16. Februar 2022

    #MolluskenMittwoch sehr schön 🙂

    Das Teil am Schwanzende sieht fast wie ne Pflanze aus. Mimikry? Symbiose mit Algen? Es scheint mir eine netzartige Struktur zu haben, vielleicht dient es zum Filtrieren?

  4. #4 Bettina Wurche
    16. Februar 2022

    @Dampier: Algen sind in dieser Tiefe nicht lebensfähig, darum würde eine solche Mimikry keinen Sinn ergeben. Außerdem fehlt der wichtigste Aspekt von Algen: Die Chrorophyll-Färbung. Es sieht eher wie ein lappiger Fortsatz eines größeren Zooplankton-Verteters aus, z. B. ein kleiner Kalmar. Kalmare filtrieren nicht, das würde nicht zum Mageninhalt passen. Außerdem wäre es unpraktisch, das Filtrierorgan am Schwanzende zu haben, wenn doch die Mundöffnung am anderen Ende ist : )

  5. #5 Dampier
    17. Februar 2022

    unpraktisch, das Filtrierorgan am Schwanzende zu haben, wenn doch die Mundöffnung am anderen Ende ist

    Da hab ich mir auch versucht vorzustellen, wie er das wohl bewerkstelligt …
    Naja, da hab ich einfach mal frei spekuliert. Danke für deine Erläuterungen : )

  6. #6 rolak
    17. Februar 2022

    sondern auch .. Bonpland

    Ach ich weiß nicht, wahrscheinlicher scheint mir ein Hindeuten auf die raffinierte Täuschungs­Technik zum Beutefang. Was damals™, als fronktzähs ungemein en vogue war, zu »bon plan d’irriter« formuliert und nur durch die fies schmalen Meldeformulare prokrustriert wurde.

    Sehr hübsch allerdings die Erforschungslinie durch die Mägen, den Angler in dem eines Pottwales, seine Beute in seinem gefunden. Offensichtlich geht da nicht nur Liebe durch…

    Zusatzfrage: wenn die Cephalopoden jetzt nicht mehr nur ihren Freitag, sondern auch den oberbegriffigen MolluskenMittwoch besiedeln – wird dann für eher xxxBeiträge der gute, alte Nudibranchen-Montag wiederbelebt?

  7. #7 Bettina Wurche
    17. Februar 2022

    @rolak: Tatsächlich plane ich gerade einen Nudibranchen-Beitrag. Die knuffige Gegenoffensive mit Wohlfühlfaktor gegen Pandemie-Müdigkeit, Sturm und anderes : )

  8. #8 Muddi
    zmitts im Chäsefondue
    11. März 2022

    Aujaa, Nudibranches!
    Öhm, hat von dem Tintenfischchen hier mal jemand Männchen und Weibchen untersuchen und identifizieren können?
    Oder waren dass nur weibliche Exemplare?

  9. #9 Muddi
    zmitts im Chäsefondue
    11. März 2022

    Hö?
    Häng ich im Filter?
    Nochmal:
    Juhuu, Nudibranches!!! Send Nudes, hihi!
    Die kleenen Punker der See!
    Was die Tintenfische angeht, vielleicht ist der ” äh, ” Hut” am äh, “Hintern” ja das Männchen, sowie beim Anglerfisch.

  10. #10 Bettina Wurche
    11. März 2022

    @Muddi: Ich habe nichts davon gelesen, dass Männchen und Weibchen unterschiedliche Gestalt haben. Allerdings wird die “Hutstruktur” erst beim erwachsenen Tier so ausgepägt.
    Young und Roper haben diesen Kalmar hier sehr gut beschrieben:
    http://tolweb.org/Grimalditeuthis_bonplandi/19463
    Gäbe es einen Geschlechtsdimorphismus, hätten sie das garantiert erwähnt.

  11. #11 Bettina Wurche
    12. März 2022

    @Muddi: Ja, jede(r) neue KommentatorIn muss beim ersten Mal von mir manuell freigeschaltet werden. Darum warst Du kurz im Filter gelandet. Das ist wegen der Werbung und Trollen leider nötig.