In der absoluten Dunkelheit des Meeresbodens unter dem arktischen Meereis haben ForscherInnen ein bislang völlig unbekanntes Ökosystem gefunden: Auf erloschenen Kegeln der Unterwasservulkane des Langseth Ridge (87°N, 61°E) wächst ein dichter und ausgedehnter Rasen aus unzähligen Schwämmen. Da die Schwämme nicht hoch aufragen und in dichten Kolonien siedeln, werden solche Vorkommen Schwammrasen genannt. BiologInnen des Alfred Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) und des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen haben ihre Entdeckungen jetzt publiziert.
2011 hatten die WissenschaftlerInnen bei einer Probennahme einen ersten Tiefseeschwamm an Bord der RV Polarstern geholt, sie hielten den Fund für einen einzigartigen Glückstreffer. Schließlich sind solche Probennahmen immer nur allerkleinste Stichproben und die Wahrscheinlichkeit, dabei ein größeres Tier zu erwischen, sind gering. Darum nannten sie den weißen Schwamm mit der etwas flauschig anmutenden Oberfläche scherzhaft einen „Eisbären“, da solch eine Begegnung in der Einöde des Meereises ebenso wenig wahrscheinlich wäre.
Als sie 2011 mit dem ROV (Tauchroboter mit Kameras und mehr) zurückkehrten, um den Meeresboden an der Stelle des Schwammfunds genauer zu untersuchen, erlebten sie die nächste Überraschung: Auf den Gipfeln von drei erloschenen Vulkanen am Langseth Ridge auf 87° Nord, 61° Ost lagen in 500 bis 1000 Metern Tiefe große ausgedehnte Schwammkolonien. Nun sind Schwämme sehr genügsame Tiere, aber unter dem Eispanzer der zentralen Arktis, weit nördlich von Spitzbergen, war eigentlich auch für die bescheidenen Schwämme nicht genug Nahrung, wie etwa organische Schwebstoffe. Erwartet hatten sie vielleicht einen Schwamm pro Quadratkilometer.
Wovon konnten hier so viele Geodia– und Stelletta-Schwämme leben? Auch wenn die meisten der Tiere eher klein waren, hatten andere einen Durchmesser bis zu einem halben Meter!
„Das große Resteessen“
„Das große Resteessen“ beschreibt das AWI in seiner Pressemitteilung das Schwamm-Buffet auf den Unterwassergipfeln. Um den Ursprung des Schwammfutters herauszufinden, kartierte und beprobte das Team zunächst den Meeresboden mit all seinen Bewohnern.
Dabei kam wieder das OFOBs zum Einsatz – das Ocean Floor Observation and Bathymetry System. Das OFOBS wird wenige Meter über dem Tiefseemeeresboden geschleppt und kartiert dann in direkter Aufsicht die Landschaft und ihre Faunengesellschaften. Da es in der Aufsicht einen Bildausschnitt von definierter Größe betrachtet, können die Ergebnisse numerisch ausgewertet werden, wie schon am Beispiel der antarktischen Eisfisch-Kolonien beschrieben.
Aus dieser Biomasse analysierten die BiologInnen dann die Kohlenstoff- (δ13C und Δ14C) und Stickstoff- (δ15N) Isotope und die Fettsäuren. Außerdem untersuchten sie die Schwämme selbst.
Dabei fanden sie zunächst das ungewöhnliche Mikrobiom dieser arktischen Schwämme. Viele Schwämme (und auch andere Tiere) haben in ihrem Innern und auf der Außenhülle eine große und diverse Community aus Mikroorganismen, deren Gesamtheit das Mikrobiom ist. Diese Mikroorganismen helfen den Schwämmen bei der Verdauung und Ausscheidung, geben ihnen aber auch nützliche Chemikalien-Cocktails wie etwa Antibiotika. Schwämme sind für ihre pharmazeutisch aktiven Substanzen bekannt. Da die Gemeinschaft aus einem Schwamm und seiner symbiontischen Mikroben-Gesellschaft besonders eng und weitgehend ist, bilden sie beide gemeinsam einen sogenannten Schwammholobionten.
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