Balzende Haubentaucher (Wikipedia: Podiceps cristatus – pair; Tovačov, Poděbrady, Chomoutov, CZ; Martin Mecnarowski (http://www.photomecan.eu/))
Eine kurze Wanderung zwischen Plöner See und Stocksee durch Wald, Feld und Moor hatte ich mir vorgenommen. 10 Kilometer durch die erwachende Landschaft mit den zarten Blüten von Buschwindröschen und Scharbockskraut, im lauten Wald voller Vögel in Frühlingsstimmung. Nach der Hälfte des Rundwegs trat ich zwischen den Bäumen hindurch ans Ufer des Stocksees. Die Sonne stand schon tief am Horizont, und ließ See und Bäume wie einen Scherenschnitt vor orangem Hintergrund aussehen.
Auf dem See turtelten zwei Haubentaucher-Pärchen herum. Die tief im Wasser liegenden Taucher (Podiceps cristatus) mit den bizarren Fächerhauben am Kopf mag ich gern, natürlich beobachtete ich sie. Jedes Paar schwamm Paar eng beieinander, interagierend in ihrer Taucher-Choreographie mit gemeinsame Richtungswechseln und auf den Partner gerichteten Kopfbewegungen. In der tief stehenden Abendsonne waren die grazilen Vögel leider nur dunkle Silhouetten, aber ihren Balztanz konnte ich gut sehen.
Dann entdeckte ich einen Haubentaucher eng am Ufer: Nur wenige Meter von mir zwischen ausgespülten Baumwurzeln vollführte er sein Ballett aus Wegschwimmen, Kopfnicken und Abtauchen. Allerdings schwamm er nie weit, sondern blieb in einem engen Radius. Wie in einem Bannkreis gefangen, schien er dann zurückgezogen zu werden zum Ausgangspunkt.
Seltsames Verhalten.
Fast, als ob er an einer Leine festgemacht sei.
Ob er sich mit den Füssen irgendwo verheddert hatte?
Als er das Hinterteil etwas weiter aus dem Wasser hob konnte ich es sehen: Fast unsichtbar spannte sich eine Angelsehne unter dem rechten Flügel nach hinten, in das Gewirr der Baumwurzeln am Ufer..
Der Vogel hing tatsächlich fest!
Angelsehnen sind fast unzerreißbar, keine Chance, dass der Haubentaucher da allein freikam. Aber wie konnte ich helfen? Zum Durchschneiden der Angelsehne bräuchte es ein Messer oder eine Schere. Außerdem bräuchte es mindestens zwei Personen, um den Vogel zu halten und ihn zu befreien. Ein Wildvogel würde panisch reagieren und müsste fest und behutsam gleichermaßen mit zwei Händen gehalten werden. Auch traute ich mich nicht, ins eiskalte Wasser zu gehen: Ich trug normale Stiefel, würde mindestens bis zum Knie nass und musste ja noch wieder zu Fuss zurückgehen. Bei den niedrigen Temperaturen wäre das eine extrem schlechte Idee.
Glücklicherweise hatte sich der Haubentaucher direkt am Beginn des Weges an der Strasse und einigen Häusern verheddert. Der Ort war also leicht zu finden. Leider kommen hier um diese Jahres- und Tageszeit nicht viele Menschen vorbei.
Also rief ich kurzerhand meine dort wohnende Mutter an. Leider nur der Anrufbeantworter. Ich bat sie möglichst schnell mit Schere und Gummistiefeln zur Vogelrettung vorbeizukommen.
Dann näherten sich zwei Spaziergänger: ein Paar in meinem Alter, outdoortauglich gekleidet, in Gummistiefeln, umtanzt von ihrem kleinen Hund.
“Haben Sie vielleicht ein Messer dabei? Hier ist ein Haubentaucher, der sich in Angelschnur verheddert hat.”
Der Mann reagierte sofort: “Oh nein, das ist unser Freund Haubi! Dem müssen wir helfen!”
Die beiden wohnten in der 20 Meter entfernten historische Kate und waren genau die Richtigen für eine Vogelrettung:
Sie: “Dann hole ich schnell eine Schere von zu Hause!”
Er: “Und ich hole meine Wathose, die Gummistiefel reichen hier nicht.”.
Dann beratschlagten wir uns und beschlossen, den Vogel aus dem Wasser zu holen.
Wenige Minuten später stieg er in Wathose in den kalten schwarzen Stocksee, dass Wasser reichte bis zum Oberschenkel. Vorsichtig näherte er sich dem Vogel. Haubi passte das gar nicht, er flutschte über einen im Wasser liegenden Ast, drehte sich um und richtete sich zeternd in Drohhaltung aus: Mit aufgestellter Federhaube, abgespreizten Flügeln und gesträubtem Gefieder. Ganz schon meinungsstark für 46 Zentimeter Länge und ein Kilogramm Gewicht.
Der Mann sprach weiter ruhig mit dem Vogel, griff ihn dann behutsam am Körper und Hals und brachte ihn aus dem Wasser ans Ufer, dabei wurde die Angelschnur sichtbar, an der ein ganzes Knäuel Sehne hing.
In dem Moment traf auch meine Mutter ein, ebenfalls mit einer Schere bewaffnet: Die scharfe Nagelschere war kräftig genug für die Angelsehne und klein genug für filigranes Arbeiten am Vogelflügel.
Glücklicherweise dachte der Vogel gar nicht daran, den speerartigen Schnabel gegen uns zu verwenden, sondern zeterte und zappelte nur.
Der Mann hielt weiter Haubis Körper, ich bedeckte noch die Augen und sicherte den Schnabel. Dann entfalteten wir vorsichtig den rechten Flügel und begannen, die Schnur zu entwirren und zu zerschneiden.
Haubi verhielt sich mittlerweile ruhig und wir kamen schnell voran.
Geschafft!
Der Mann trat ans Ufer des Sees und entließ Haubi in die Freiheit: Immer noch zeternd spurtete der empörte Vogel in Richtung Seemitte.
Am Ufer standen wir vier Menschen und grinsten uns an, verstauten Scheren und das Knäuel Angelsehne.
Was für ein Glück, dass wir das Unglück bemerkt hatten und helfen konnten!
Jeder von uns beobachtet gern die Tiere am See und ganz besonders die Taucher mit dem extravanganten Kopfputz.
Dass auch in dieser entlegenen Gegend immer mehr Müll herumliegt, macht uns traurig und hatte sich mal wieder als fatal für die Tierwelt erwiesen.
Darum unsere Bitte an alle Menschen, die an Seen und Flüssen unterwegs sind: Bitte nehmt Eure Abfälle wieder mit! Gerade Angelschnüre sind für Tiere sehr gefährlich. Sie sind fast unzerreissbar und verrotten extrem langsam (… Jahre). Darin verhedderte Tiere haben keine Chance, sich zu befreien, sie schnüren sich bei ihren verzweifelten Befreiungsversuchen Beine Flügel oder Flossen ab und verenden qualvoll. Oft nach tagelangem Todeskampf. Ähnlich übel sind auch die Plastikringe, die ein Sixpack zusammenhaten.
Das gleiche gilt für Netze, Kescher, Taue, anderes Fischereigerät, Abfälle aus Kunststoff, Glas oder Metall (auch Kronkorken) und Zigarettenkippen.
Zigarettenkippen sind eine besondere Gefahr: Darin kann sich zwar kein Tier verheddern, aber das Nikotin vergiftet die Gewässer. Dazu kommt, dass die Filter aus dem Kunststoff Celluloseacetat bestehen, ihre Zersetzung kann bis zu 15 Jahre dauern.
Verantwortungsbewusste RaucherInnen haben darum einen kleinen Outdoor-Aschenbecher oder einer Metalldose dabei und entsorgen die Kippen dann in den Hausmüll.
Zum Weiterlesen und Weitergucken
Kommentare (11)