In den letzten Wochen gibt es einen ungewöhnlichen Anstieg von Affenpocken-Infektionen in Europa und den USA. Die Ursache ist noch nicht geklärt.
Was sind Affenpocken?
Affenpocken (Monkeypox) werden ausgelöst durch das Affenpockenvirus Orthopoxvirus simiae, einem Verwandten der Human-Pockenviren (Variola, Smallpox) und Kuhpockenviren. Affenpocken kommen in Afrika regelmäßig vor, vermutlich wird die Krankheit von Nagetieren auf Affen übertragen, manchmal auch auf Menschen. Außerhalb Afrikas sind sie recht selten.
Pocken (Blattern, Variola) waren bis ins letzte Jahrhundert eine gefürchtete Infektionskrankheit, die durch konsequente weltweite Bekämpfung und großflächige Impfkampagnen hoffentlich der Vergangenheit angehört – 1980 erklärt die WHO die Pocken für ausgerottet.
Die Impfpflicht wurde in der BRD 1976 und in der DDR 1982 aufgehoben. Diese Impfung wurde im Kleinkind-Alter durchgeführt, ältere Menschen tragen die großen Narben meist auf dem Oberarm.
Pocken haben vor der Impfung auch in Europa entsetzlich gewütet, darum verbreiten die Meldungen der Affenpocken gerade so viel Angst. Nach Aussage der WHO handelt es sich um den westafrikanischen Virusstamm, der meist eher milder Verläufe verursacht. Die Erkrankung beginnt mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Müdigkeit, dann folgen die Pusteln. Meist klingen die Symptome nach zwei bis vier Wochen meist von allein wieder ab. In schweren Fällen kommt es zu erheblichen Komplikationen wie Lungenentzündung oder Erblindung, gerade für Kinder, Schwangere, ältere Menschen und Menschen mit Immunschwäche besteht ein höheres Rsisiko.
Da die Affen- und Human-Pockenviren sich stark ähneln, bieten die alten Variola-Impfungen auch vor Affenpocken einen gewissen Schutz, so das RKI. Außerdem ist in der EU seit 2013 ein moderner Pocken-Impfstoff zugelassen (Imvanex), der besser verträglich ist als ältere Pockenimpfstoffe.
Das Bundesgesundheits-Ministerium hält Pockenimpfstoff vor, ein spezieller Impfstoff gegen Affenpocken ist bestellt und soll ab Juni verimpft werden. Karl Lauterbach erklärte im Interview, dass eine Affenpocken-Pandemie unwahrscheinlich sei, man aber diesen Ausbruch eindämmen solle.
Das sehen eine Menge anderer ExpertInnen ebenso. Ein Plan für Impfangebote und die Zielgruppen wird zurzeit erarbeitet.
Übertragung von Affenpocken
Bislang waren die seltenen Affenpocken-Fälle in Europa und den USA auf aus Afrika eingereiste Personen oder Tiere zurückzuverfolgen. Normalerweise wird das Virus durch enge Interaktionen mit infizierten Tieren übertragen, durch Bisse, Sekrete oder Exkrete oder den Verzehr nicht vollständig gegarten Fleischs. Da es in Afrika immer wieder zu Übertragungen auf Menschen kommt, ist das Virus eine potentiell gefährliche Zoonose und wird von Institutionen wie der WHO, dem RKI und anderen überwacht.
Das Virenreservoir sind vor allem Nagetiere wie Mäuse und Ratten, die in großer Arten- und Individuenzahl überall vorkommen, auch in menschlichen Siedlungen. Affen und Menschen sind sogenannte Fehlwirte, so das Friedrich-Löffler-Institut (FLI), bei denen die Infektion meist mild verläuft. Im FLI ist das, mit aktuellen Fakten und vielen Hintergrund-Details, wie auch auf europäischer Ebene das European Centre for Disease Prevention and Control.
2020 hatte ich für meinen Artikel zur Herkunft von Covid19 auch den Zoonosen-Forscher Fabian Leendertz interviewt. Er leitete die Arbeitsgruppe „Epidemiologie hochpathogener Mikroorganismen“ und beschäftigt sich u a mit Affenpocken. Dass er 2021 Gründungsdirektor des Instituts One Health in Greifswald wurde, hat mich gefreut. „One Health“ bedeutet eben, dass die Gesundheitsfürsorge in den tropischen und subtropischen Gebieten, wo hohe Biodiversität, viele Menschen, Siedlungen in Wäldern und Armut oft ungebremst aufeinandertreffen, vor Ort beginnt. Leendertz hatte mir im Interview ein Frühwarnsystem über Surveillance Sites erklärt: Kleine Kliniken in Hochrisikogebieten mit einem Arzt, einigen Pflegern und einem kleinen Labor für die Diagnostik können eine Gesundheitsversorgung vor Ort bieten und dabei gleichzeitig auf Anzeichen von aufziehenden neuen Krankheiten oder Auffälligkeiten achten. Dazu gehört auch eine erhöhte Sterblichkeit von Menschenaffen, die ein Frühwarnsystem für potentiell auf Menschen übertragbare Krankheiten sind. Affenpocken können etwa durch den Verzehr von Bushmeat, also das Essen von Wildtieren, übertragen werden. Dabei sind sowohl durch Menschen erlegte Tiere als auch tot aufgefundene Tiere Bushmeat. Da die Länder, in denen neue Zoonosen meist entstehen, nur selten und schon gar nicht in entlegenen Gegenden ein Gesundheitssystem installieren können, müssten solche Zentren etwa von der WHO oder anderen Institutionen betrieben und finanziert werden. Die Gesundheitspolitik und -fürsorge auch für Industrienationen beginnt in den Dschungeln Afrikas, Südamerikas und Asiens. So beschreiben WissenschaftlerInnen wie Leendertz seit Langem immer wieder neue regionale Affenpocken-Ausbrüche oder andere meist lokale Zoonosen und andere Infektionen unter dem Schlagwort Emerging Infectious Diseases. Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit in den Industrienationen.
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