In der Seine schwimmt gerade ein außergewöhnlicher Besucher, ein Weißwal oder Beluga. Am Dienstag der vergangenen Woche war der Meeressäuger erstmals in dem französischen Fluss gesichtet worden, seit Freitag steckt er in einer Schleuse in Saint-Pierre-La-Garenne im Departement Eure etwa 70 km vor Paris fest. Damit ist der arktische Wal 130 km von der Seinemündung am Ärmelkanal entfernt und etwa 3000 Kilometer von seinen polaren Heimatgewässern.
“A beluga whale has been spotted in France’s River Seine …
“The challenge now will be to help feed it, and try to accompany it towards the ocean,” Lamya Essemlali, the head of environmental group Sea Shepherd France was quoted as saying …”https://t.co/YIS03J33Hp
— Andy_Weeble_Weaver💙⚫😷🦡🐿️🌍💉💉💉 (@AndrewW66619812) August 4, 2022
Belugas schwimmen oft in Flussmündungen hinein, das Brackwasser macht ihnen nichts aus, selten schwimmen sie Flüsse weiter hinauf. Allerdings sind diese weißen Wale Bewohner der eiskalten arktischen und subarktischen Gewässer, dieser Meeressäuger hat sich definitiv verirrt.
Dass es ihm nicht gut geht, ist auf den Fotos zu sehen: Rückgrat und Rippen sind deutlich sichtbar, der Beluga ist extrem abgemagert. Belugas sind Zahnwale und fressen, wie alle Delfinverwandten, meist Fische und Weichtiere. Theoretisch könnte er in der Seine Fische, sein Echolot erlaubt ihm auch in trüben Gewässern die Jagd. Versuche von WalexpertInnen, den Wal mit Heringen, Forellen oder Tintenfischen zu füttern, sind leider fehlgeschlagen. Veterinärmediziner hatten auch schon vergeblich versucht, ihm Vitamine und andere aufbauende Produkte zuzuführen. Diese Mangelernährung ist keinesfalls in den letzten fünf Tagen geschehen, sondern weist auf eine längere Hungerzeit hin. Es ist zu befürchten, dass der Wal schon krank und geschwächt in die Seine hineinschwamm.
Für den einsamen Wal ist die sommerlich hohe Temperatur der Seine das größte Problem, er dürfte im Hitzestress sein. Darum wäre es für sein Überleben wichtig, möglichst schnell wieder ins kühlere Meer zu gelangen und von dort aus vielleicht sogar in seine Heimat zurückzuschwimmen. Dafür müsste er aber zunächst aus der Schleuse herauskommen, was er aus eigener Kraft kaum schaffen dürfte.
Auch wenn er abgemagert ist, wiegt der 4 m lange Wal etwa noch 800 kg, so schätzen ist französische Biologen (ein normal fetter Weißwal sollte etwa 1200 kg wiegen). Diese Größe macht den Umgang mit ihm nicht einfach, zumal er offensichtlich nicht an Menschen gewöhnt ist (anders als der zutrauliche Hvaldimir, der 2019 vor Norwegen auftauchte). Außerdem, so die französische Presse, sei die Schleuse ungünstig gelegen, so dass jeder Handgriff darin und mit dem Wal per Hand, ohne technische Hilfe erfolgen muss.
Ein französisches Expertenteam des Meeresparks Marineland Antibes hat vor Ort Evakuierungslösungen entwickelt. Marineland Antibes ist der größte Meereszoo Europas und hat eine angeschlossene Forschungsstation, dort werden auch Große Tümmler und Orcas gehalten. Darum sind Veterinäre und Pfleger mit dem Handling auch von großen Meeressäugern vertraut. Eine ideale Lösung gibt es nicht, so Isabel Brasseur (Marineland Antibes), aber vielleicht fällt Ihnen vor Ort etwas ein. Zu den Möglichkeiten einer Walrettung gehört das Herausbugsieren des schweren Tieres aus der Schleuse, und die Hoffnung, dass der Wal dann von alleine ins Meer zurückfindet.
Ob er überhaupt den langen, einsamen Rückweg nach Norden finden würde, bezweifle ich wegen des schlechten Zustands.
Ein Beluga-Lift – hat leider nicht geklappt
Am Mittwochmorgen hat das Walrettungsteam die erste Phase der ambitionierten Rettungsaktion durchgeführt und den Weißwal aus dem Wasser gehoben. Fast 80 Menschen arbeiteten ab Dienstagnacht sechs Stunden lang daran, das 800 kg schwere Säugetier in ein Netz zu locken, bevor es mit einem Kran aus dem Fluss gehoben und auf einen Lastkahn gesetzt wurde. Als nächstes wird der Wal in einen Kühllaster verladen und auf der Straße zu einem Meerwasserbecken an einer Schleuse im Hafen von Ouistreham im Nordwesten Frankreichs gebracht.
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