Cetorhinus maximus by greg skomal.JPG

Greg Skomal / NOAA Fisheries Service – Basking Shark (in English). NOAA Fisheries Service. National Oceanic and Atmospheric Administration.

Jeden Sommer ziehen die bis zu 10 Meter großen Riesenhaie (Cetorhinus maximus) im warmen Wasser des Golfstroms vor der nordeuropäischen Küste jenseits des Kontinentalschelfs nach Norden, so sind sie vor Irland, Südengland und Nordnorwegen (Vesteralen) zu sehen.
Vor der Westküste Irlands haben ForscherInnen der Marine Biological Association (MBA), Irish Basking Shark Group (IBSG) per Drohnen-Aufnahmen und Unterwasser-Kameras zwischen 2016 bis 2021 gleich Hunderte der friedlichen Riesen vor der irischen Küste dokumentiert. Die Gruppen bestanden aus 6 bis 23 Tieren, einige schwammen an der Oberfläche, andere tiefer, so dass sich eine dreidimensionale Ringstruktur bildete – der sogenannte Torus. Bei ihrem langsamen Kreisel versammeln sich gleich viele Männchen und Weibchen zum Speeddating! Und sie haben sich definitiv nicht zum Fressen getroffen.

Lange haben sich Wissenschaftler gefragt, wie die meist allein in der Weite der Ozeane ziehenden Haie ihre Partner finden.
Seit etwa 40 Jahren sind solche Hai-Kreisel immer mal wieder im Nordwestatlantik vor Kanada und den USA dokumentiert wurden, sind die Biologen der Hai-Partnersuche auf der Spur. Im östlichen Nordatlantik sind Torus bisher nur selten beobachtet worden, obwohl in jedem Sommer in britischen und irischen Küstengewässern Riesenhaie vorbeischwimmen, dicht an der Meeresoberfläche und gut sichtbar. Aber meist als Singles, seltener in Gruppen. Jetzt haben Meeresbiologen technisch aufgerüstet und über fünf Jahre hinweg, von 2016 bis 2021, 19 Gruppen solcher Hai-Kreisel mit Unterwasserkameras und Luftdrohnen vor der Grafschaft Clare in Irland dokumentiert. In solch einem Balztorus treffen männliche und weibliche Haie zu einem Meeres-Karussell aufeinander. Damit ist das Rätsel um die Partnersuche jetzt gelöst, erklärt Professor David Sims, Senior Research Fellow am MBA und Hauptautor der neuen Studie (Journal of Fish Biology: “Circles in the sea: annual courtship “torus” behaviour of basking sharks Cetorhinus maximus identified in the eastern North Atlantic Ocean”).

So ein Balztorus, erklärt David Sims, ist wie ein ‚Speed-Dating‘-Ereignis in Zeitlupe, um viele potenzielle Partner auf einmal in Augenschein zu nehmen. In den Kreiseln schwammen eine gleiche Anzahl geschlechtsreifer Männchen und Weibchen, die sich definitiv nicht ums Fressen kümmerten. Einige Weibchen hatten eine hellere Körperfarbe als Männchen, ein Unterschied, der während des Balz- und Paarungsverhaltens auch bei anderen Haiarten beobachtet wurde. Obwohl so ein Torus mehrere Stunden oder sogar Tage intakt bleibt, entscheiden sich die meisten Knorpelfische innerhalb weniger Minuten für einen Partner bzw. eine Partnerin. Schnell tauschten sie sanfte Berührungen von Flosse zu Flosse und Flosse zu Körper aus, manche drehten sich im Wasser. Für die normalerweise sparweise agierenden Haie waren das außergewöhnliche Aktivitäten. Dass dieses Naturwunder direkt vor der Küste so lange verborgen geblieben ist, könnte daran liegen, dass diese Balztorus nicht an der Oberfläche, sondern in Tiefen bis zu 16 Metern geschwommen werden. Das könnte auch erklären, warum noch nie eine Paarung der Giganten beobachtet wurde, meint David Sims.

Dass eigentlich einzelgängerische Haie sich offenbar an vorab verabredeten Treffpunkten einfinden und dann in einem Karussell Partnerwahl und Paarung vollziehen, gibt es auch bei anderen Arten. Die Weißen Haie des Nordpazifiks treffen sich im Shark Café. (Dazu ist mehr in meinem gerade gedruckten Artikel „Schlechter Ruf“ in Natur (10/22) nachzulesen. Dafür hatte ich den indischen Hai-Exerten und Meeressoziologen Raj Sekhar Aich interviewt, der mit ihnen schon viel getaucht ist und die Hai-Mensch-Interaktionen untersucht.)

Anders als Knochenfische, die für ihre äußere Befruchtung der Eier ohne Körperkontakt meist über das Gelege schwimmen, vollführen Knorpelfische eine komplizierte innere Befruchtung – die Männchen haben zu einer Art Penis umgeformte Bauchflossen.

Ernährung und Schutz der Riesenhaie

Schaut man von oben auf den Meeresriesen, kann man beobachten, wie das Wasser durch das große Maul strömt und dann durch die Kiemenspalten wieder abfließt. So filtert der Hai Mikroorganismen aus dem Ozean, ähnlich wie Bartenwale.

Die großen Haie reißen ihr besonders großes Maul so weit auf, dass neben der großen dreieckigen Rückenflosse und den Schwanzflossen oft auch noch die Nasenspitze dieses großen Fisches über die Wasseroberfläche hinausragt. Durch das weit geöffnete Maul fließt Meerwasser voller Plankton in den Schlund und durch die ebenfalls weit geöffneten Kiemenspalten wieder hinaus. Die Kiemenspalten sind auf der Schlundseite mit einer Reihe Reusendormen (Branchiospinen) besetzt (Kiemenreuse), wie ein Kamm. Diese kammartigen Leisten sind übrigens fossil erhaltungsfähig, im Gegensatz zum restlichen Knorpelfisch. Etwa im Mainzer Becken kann man sie regelmäßig finden.

Früher wurden sie wegen ihrer riesigen fettreichen Leber in Nordeuropa gejagt, für die Lebertran-Gewinnung. Seit 2006 ist ihr Fang nun auch in Norwegen verboten. Da sie sich wie alle Haie nur langsam reproduzieren, ist ihr Bestand durch die Bejagung klein geworden. Sie stehen auf der “Roten Liste“ der IUCN als „stark gefährdet“ (Endangered). Ihr Schutz ist schwierig, da sie eine über lange Strecken wandernde Art sind, die sowohl internationale als auch nationale Gewässer durchquert. Darum fallen sie unter Richtlinien der Convention on Migratory species (CMS) und sind global geschützt. Zusätzlich sind sie in den verschiedenen europäischen Ländern auch noch durch nationales Recht vor Fang und Verletzung geschützt, wie auch ihre Fortpflanzungs- und Ruhezonen. Die Irischen Gesetze wurden erst dieses Jahr in Kraft gesetzt.

Simon Berrow (Irish Basking Shark Group), der an der Feldforschung beteiligt ist, meint dazu gegenüber der Presse: „Unsere Entdeckung wichtiger Balzplätze für Riesenhaie in Küstengewässern vor Westirland macht es noch dringlicher, dass diese Art in irischen Gewässern Schutz vor potenziellen Bedrohungen wie Kollisionen mit dem Schiffsverkehr und den Auswirkungen erneuerbarer Offshore-Energien erhält.“ (“Our discovery of important basking shark courtship grounds in coastal waters off western Ireland makes it even more urgent that this species gains protection in Irish waters from potential threats, such as collisions with marine traffic and the impact of offshore renewables.”)

Diese Beobachtungen zur Reproduktion der geschützten Haie sind jedenfalls ein wichtiger Beitrag zum Schutz dieser großen Meereswanderer, da sie für das Überleben der Art wichtige Meeresregionen identifizieren.

Die BBC Northern Ireland stellt in diesem Video einen rudernden Herren namens Colin vor, der an einem sonnigen Tag vor der Irischen Küste begeistert ein Hai-Trio beobachtet:

Colins Begeisterung kann ich vollkommen verstehen: Vor Nordnorwegen habe ich Riesenhaie beobachtet, sowohl von Land aus, in einem Fjord, als auch vom Krähennest unseres Whale-Watching-Schiffes aus. Damals gewann ich den Eindruck, dass die Knorpelfische das Maul so weit aufreißen, dass man fast schon wieder das Licht am anderen Ende sehen kann.
Neben dem oberen Teil der Schwanzflosse ragt dabei auch die gewaltige dreieckige Rückenflosse aus dem Wasser, und dürfte schon vielen Menschen Angst eingejagt haben. Manchmal schaut sogar noch die „Nasenspitze“ des Knorpelfischs heraus.
Früher wurde der Hai-Aufenthalt an der Wasseroberfläche als Sonnenbad gedeutet, darum heißen sie im Englischen „Basking shark“ – sonnenbadende Haie. Heute wissen wir, dass dort die Planktondichte am höchsten ist.

Zum Weiterlesen:

Kommentare (2)

  1. #1 RPGNo1
    20. September 2022

    Danke für die tolle Information.

    Mir ist auch bewusst geworden, dass ich über seinen planktonfressenden Kollegen, den Walhai, mehr Fernseh-Dokus gesehen oder Artikel gelesen habe. Der Riesenhai führt ein gewisses Nischendasein in der Öffentlichkeit.

  2. #2 Bettina Wurche
    20. September 2022

    @RPGNo1: Ja, nicht wahr? Er ist halt weniger hübsch und in weniger bunten Gewässern unterwegs. Der blaue Walhai mit den weißen Tupfen in seinen warmen tropischen Gewässern voller bunter Fische ist viel photogener und im warmen Wasser ja auch einfach zu filmen. Der graue Riesenhai mit dem seltsam aussehenden Kopf in küheren Nordatlantik ist halt weniger zuschauerträchtig, darum lungert er in einer Nische herum : )