Restringiertes Denken
Die Homöopathie wird von naturwissenschaftlicher Seite oft als Scharlatanerie betrachtet, weil homöopathische Arzneimittel in Studien nicht besser als Placebo abschneiden und nach tradierter naturwissenschaftlicher Schulweisheit zumindest in homöopathischen Hochpotenzen kein Wirkstoff mehr enthalten sei. Sogar überdosierende Selbstversuche sollen diese Sicht der Dinge belegen. Dies kann jedoch alles nicht darüber wegtäuschen, dass die Erfahrung so vieler Menschen nun einmal eine andere ist. Nach dem Thomas-Theorem ist damit die Wirklichkeit der Wirkung soziologisch erst einmal belegt, mögen Skeptiker auch skeptisch bleiben.
Sapere aude …
Prof. Dr. Harald Walach, renommierter Psychologe, Wissenschaftsphilosoph, Gesundheitswissenschaftler, Methodenfachmann und Vorstandsmitglied der „Wer heelt hat recht-Gesellschaft“ an der Viadrina, hat schon vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass die Naturwissenschaften möglicherweise von einem falschen Denkansatz ausgehen und schlägt als Wirkungsmodell eine verallgemeinerte Quantentheorie vor. Auch hier sind die konkreten Inhalte, an denen man üblicherweise den Sinn dieser Theorie festmacht, entfernt, die Denkmöglichkeiten dementsprechend erweitert (oder „potenziert“).
Ich gehe davon aus, dass dieses wissenschaftsphilosophische Herangehen wegweisend ist. Versuche, die Wirksamkeit der Homöopathie mit epidemiologischen Methoden nachweisen zu wollen, sind ohnehin an ungünstigen astrologischen Konstellationen gescheitert und die Tage dieser Methoden angesichts der von Prof. Dr. Grieshaber vorgetragenen „Fundamentalkritik der Epidemiologie“ gezählt.
… im Anschluss an Heidegger
Mein Vorschlag wäre allerdings, anders als der Walachs, eine fundamentalontologische Reinterpretation des homöopathischen Wirkmodells in Anschluss an die Philosophie Martin Heideggers. Nach Heidegger ist das Sein undefinierbar. Das Sein erschließt sich über den Sinn, Sinn und Sein hängen fragend voneinander ab. Sie bilden die Grundlage dessen, was Welt ist und unser Fragen ermöglicht. Vor diesem Hintergrund wird die naturwissenschaftliche Kritik an der Homöopathie als Rückschritt hinter die Heideggersche ontologische Differenz zwischen dem Sein und dem Seienden erkennbar. Man muss hier stattdessen seinen Satz einführen, dass das Nichts nichtet, also wirkt. Wie Walach denke ich nicht, dass die Homöopathie mit einem solchen allgemeinen Modell bereits erklärt sei, es ist zunächst nur eine weitere Erweiterung der Denkmöglichkeiten.
… und Dölle
Ganz neu ist dieser Ansatz natürlich nicht. Ernst August Dölle (renommierter Psychologe wie Walach), bis 1968 Professor in Konstanz, hat ähnliche Überlegungen bereits in seiner Abhandlung „Brückenschlag zur Unendlichkeit“ (Zeitschr f Psychologie, 142: 139-193, zitiert nach Dichotomie und Duplizität, Grundfragen psychologischer Erkenntnis, Huber Verlag, 1974, S. 25) entwickelt. Dölles Substanz bürgt für die seiner – und der hier fortgeführten – Überlegungen.
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