Als „Hogwarts an der Oder“ hat die Skeptikergemeinde vor einiger Zeit die Viadrina in Frankfurt/Oder verspottet, weil dort am Institut für transkulturelle Gesundheitswissenschaften seltsame Dinge geschehen. Die Frankfurter Vorgänge reihen sich ein in eine Entwicklung, die sich im Kellergeschoss der akademischen Welt, dort wo man nicht so genau hinsieht, auch andernorts vollzieht: “Esoteriker unterwandern die Hochschulen“, schrieb der Journalist Bernd Kramer damals in der ZEIT.
Geld statt Wahrheit ist leider im Wissenschaftsbetrieb nicht selten die eigentliche Währung. So richtig verwunderlich ist es daher nicht, dass sich Hochschulen auch für lukrative pseudowissenschaftliche Angebote öffnen bzw. eigens für deren Vermarktung gegründet werden. In Frankfurt/Oder engagiert sich der Pharmakonzern Heel, nun soll im März nächsten Jahres im bayerischen Traunstein eine “Hochschule für Homöopathie“ ihren Betrieb aufnehmen, unterstützt von der Steinbeis-Stiftung.
Die lokale Politik begrüßt die Hochschulgründung vor allem aus wirtschaftlichen Gründen, wie man im Blog „Chiemgau Gemseneier“ nachlesen kann, der die Verzauberung Traunsteins schon seit längerem beobachtet.
In einem Studiengang auf wissenschaftlichem Niveau, so die Initiatoren, soll man in Traunstein künftig einen Bachelor-Abschluss erwerben können: „Bachelor of Science in Complementary Medicine and Management, Vertiefungsrichtung Homöopathie EUH“. Auch die lokale Presse scheint an der Sache nichts anstößig zu finden. Wenn es um Standortpolitik und Arbeitsplätze geht, will die Presse eben nicht mit kritischen Fragen im Wege stehen. Und das bayerische Wissenschaftsministerium? Was mag man dort wohl vom neuen Exzellenz-Cluster der bayerischen Wissenschaft halten, wenn in Traunstein erst einmal innovative Produkte wie Bachblüten-Tropfen gegen Kindesmissbrauch erforscht werden?
Nun gut, wo Wirtschaft drauf steht, wird schon Wissenschaft drin sein. Was ich allerdings nicht verstehe ist, warum man diese Argumentationslinie nicht konsequenter verfolgt. Angesichts der Nachfrage nach astrologischer Beratung könnte man auch dazu einen Studiengang „auf wissenschaftlichem Niveau“ anbieten, mit dem Abschluss „Bachelor of Science in Complementary Astronomy and Money Management“. Vielleicht spendiert die Tabakindustrie dann noch einen Studiengang „Bachelor of Science in Healthy Smoking“, Herr Grieshaber wird bestimmt gerne seine wissenschaftliche Kompetenz einbringen, und so könnte aus Traunstein irgendwann ein echtes Zentrum für große Geister werden, ein Hogwarts im Süden eben.
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Nachtrag
An Denkanstößen, sich doch noch einmal zu überlegen, ob die Sache wirklich so eine gute Idee ist, hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt. Hier eine kleine Auswahl der vergeblichen Mühe:
“Homöopathie-Esoterik-Hochschule in Traunstein? Bitte nicht!“, Blog Chiemgau Gemseneier, 9.3.2012.
“Neue Hochschule in Traunstein.“ Der Freitag, 9.3.2012.
“Hochschulen für Homöopathie – hahnebüchener Unsinn in Traunstein“, Blog PSIRAM, 10.3.2012.
“Homöopathie-Hochschule in Bayern?“, Blog GWUP, 12.3.2012.
“die hohe Schule der Verwirrung”, Blog Die Ausrufer, 18.3.2012.
“Globuli-Akademie“, DIE ZEIT, 28.9.2012.
“Akademischer Humbug“, Blog Die Achse des Guten, 6.10.2012.
“Drittmittel bringen Hokuspokus an Hochschulen“, DIE WELT, 4.11.2012.
“Hochschulen auf dem Vormarsch“, Blog telepolis, 22.4.2013.
“Hochschule für Homöopathie Traunstein – Ökumene gescheitert“, Blog Die Ausrufer, 21.11.2013.
Homöopathie in Traunstein – Hochschule C200″, Blog Beweisaufnahme in Sachen Homöopathie am 30.11.2013.
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