Drüben bei den Skeptikern wurde gerade auf das neue Buch „Der Glaube an die Globuli“ von Norbert Schmacke hingewiesen. Der Bremer Gesundheitswissenschaftler beschäftigt sich darin kritisch mit der Homöopathie. Norbert Schmacke ist alles andere als ein Freund der Pharmaindustrie, um dieses „Argument“ gleich aus dem Weg zu räumen. Cui bono ist in diesem Fall die falsche Frage. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Dr. med. Mabuse“ ist jetzt ein Beitrag, in dem Norbert Schmacke die Recherchen für sein Buch kommentiert. „Mabuse“ ist eine Zeitschrift, der man bestimmt keine Berührungsängste gegenüber der Alternativmedizin nachsagen kann, um es ganz nett zu formulieren (aber die Zeitschrift macht das mehr als wett durch einen erfrischend kritischen Blick auf unser Gesundheitswesen).
In seinem Beitrag kommt Norbert Schmacke u.a. auf den Arzt Jens Wurster zu sprechen, eine illustre Figur der Alternativmedizin. Jens Wurster behandelt in der Schweizer Klinik Santa Croce Krebs homöopathisch. In einem Interview, das online beim Zentralverein der homöopathischen Ärzte Deutschlands zu lesen ist, sagt er z.B.:
„Das Ziel jeder Krebsbehandlung sollte darauf ausgerichtet sein, für jeden Patienten die für ihn bestmöglichste Therapie zu finden.“
Dem wird wohl niemand widersprechen. Aber wie findet man heraus, was die beste Therapie ist? Durch Wirkungsforschung. Die sieht bei der Homöopathie bekanntlich nicht gut aus. Aber das macht nichts, Herr Wurster hat ja seine Überzeugungen. Und danach mag die konventionelle Medizin bei irgendwelchen unwichtigen Tumoren erfolgreich sein, aber nicht bei den häufigen Krebsarten:
„Bei Darm-, Lungen-, Magen-, Prostata- und Brustkrebs hat sich die effektive Überlebensrate in den letzten Jahren kaum verändert.“
Man google. Gut, beim Lungenkrebs geht es wirklich nur langsam voran, aber selbst da gibt es Fortschritte.
Auf die Frage, was denn die Ursachen für Krebs seien, sagt Herr Wurster:
„Da gibt es viele Punkte. Angefangen mit einer immer minderwertigeren industriell verarbeiteten Ernährung, über aluminiumhaltige Impfungen, die das Immunsystem sehr schwächen, bis hin zum Mobilfunk, bei dem man erst jetzt anfängt, die wahren Auswirkungen auf der Zellebene zu erkennen.“
Aha. Kann sein, dass beim Mobilfunk das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und am Ende eine kleine Risikoerhöhung herauskommt, aber viel wird es nicht sein und wie viel, das weiß beim derzeitigen Stand der Dinge eben auch Herr Wurster nicht. Der Rest seiner Ursachenliste ist schlicht Unsinn. Die Nahrung wird immer minderwertiger? Beleg? Und wenn, warum wäre das eine Krebsursache? Impfungen verursachen Krebs? Beleg? Egal, es geht ja um weltanschauliche Duftnoten, und da ist man sich in den alternativmedizinischen Kreisen doch einig: Industrienahrung, Impfen, Mobilfunk, das ist Teufelszeug. Komisch, dass alle wissenschaftlich gut belegten Krebsursachen in seiner Aufzählung fehlen, vom Tabakrauch über Alkohol bis zum übermäßigen Sonnen. Wurster weiter, zum Thema Mobilfunk:
„Es wundert mich gar nicht, dass die Hirntumorrate in den letzten zehn Jahren so extrem ansteigen ist.“
Falsch. Die Daten zeigen ein anderes Bild:
Datenquelle sind die epidemiologischen Krebsregister in Deutschland. Bessere Trenddaten gibt es nicht. Aber Herr Wurster weiß es trotzdem besser, vermutlich seine Erfahrung. Hirntumoren sind übrigens vergleichsweise selten, 2012 gab es knapp 7.000 Neuerkrankungen in Deutschland, gegenüber fast 50.000 beispielsweise beim Lungenkrebs.
Und was sagt er zur Krebsprävention:
„Wenn wir schon früh anfangen würden, unsere Kinder gut homöopathisch zu behandeln und auch chronische Krankheiten gut zu behandeln, dann hätten wir die beste Krebsprävention.“
Na logisch. Zucker gegen Krebs, präventiv und kurativ, ein Wundermittel eben.
Zurück zu Norbert Schmacke. Der sagt in seinem Mabuse-Beitrag auch etwas über die Heilungserfolge von Herrn Wurster:
„Dass Krebs mit Homöopathika geheilt werden kann, wird nur derjenige meinen, der an Wunder glaubt. Dass Wurster aber behauptet, seine ‚Heilerfolge‘ seien durch unabhängige Wissenschaftler kontrolliert und bestätigt worden, ließ mich aufhorchen. Je intensiver ich mich mit dieser Behauptung beschäftigte, umso erstaunter wurde ich. Endresultat: Es gibt keinerlei Überprüfung der von Wurster in seinem Buch exemplarisch vorgestellten Patientengeschichten. Alle von ihm genannten Personen dementierten auf meine Nachfragen, an einer solchen bestätigenden Evaluation beteiligt gewesen zu sein.“
Mit anderen Worten: Herr Wurster ist nicht leicht- oder leichtsubstanzgläubig, sondern er erfindet die Bestätigungen seiner angeblichen Heilerfolge einfach. Die gibt es offensichtlich so wenig wie die für seine hier zitierten Aussagen. Homöopathische Nachweise also, für den Zentralverein der homöopathischen Ärzte folglich kein Problem. Wozu nachprüfen, was Herr Wurster sagt, man weiß ja, dass er recht hat. Ich habe mir jetzt erst mal das Buch von Norbert Schmacke vorbestellt. Ich glaube, dass er recht hat – und das auch belegen kann.
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