Vor kurzem war hier der Arzt Jens Wurster schon einmal Thema. Jens Wurster arbeitet in der Schweizer Klinik Santa Croce, in der Krebspatienten homöopathisch behandelt werden. Auf den dortigen Chefarzt Dario Spinedi war ich vor zwei Jahren durch eine nebenan bei den Skeptikern zitierte Bemerkung des Traunsteiner Heilpraktikers Josef-Karl Graspeuntner zu Risiken bei der Anwendung sog. „Hochpotenzen“, die Homöopathen für besonders wirksam halten, aufmerksam geworden: „Dr. Spinedi sah in seiner Klinik, das dies massiv zu Metastasenaussaat bei Krebserkrankungen führen kann (…).” So etwas wäre eine unerwünschte Arzneimittelwirkung, die zu melden wäre. In Deutschland gibt es zwar nur ein Spontanmeldesystem, d.h. keine gesetzliche Meldepflicht, allerdings sind Ärzte und Apotheker durch ihre Berufsordnungen zur Meldung verpflichtet. In der Schweiz besteht eine Meldepflicht nach dem Heilmittelgesetz.
Ich hatte damals bei den zuständigen Behörden in Deutschland und in der Schweiz angefragt, ob es solche Meldungen gäbe – mit einem Ergebnis, wie es von der Homöopathie zu erwarten ist: da ist nichts. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) schrieb:
„Im Rahmen der Überwachung von Arzneimittelnebenwirkungen zu homöopathischen Arzneimitteln sind uns weder zu niedrigen, noch zu Hochpotenzen unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), wie z.B. eine massive Metastasenaussaat bei Krebserkrankungen, gemeldet geworden.“
Und SwissMedic teilte mit:
“Die Abteilung Arzneimittelsicherheit erhält generell nur wenig unerwünschte Wirkungen zu Homöopathika. Meldungen zur Verschlimmerung von Tumorerkrankungen liegen in unserer Datenbank nicht vor.”
So weit so gut, auch wenn man nichts anderes erwartet hat, ist das aus der Sicht der Patienten immerhin beruhigend. Beunruhigend ist allerdings die Behauptung Jens Wursters, er könne Krebs homöopathisch heilen und seine Heilungserfolge seien durch unabhängige Ärzte belegt. Wer darauf vertraut, riskiert sein Leben. Dieser Behauptung war der Bremer Gesundheitswissenschaftler Norbert Schmacke bei den Recherchen zu seinem Buch „Der Glaube an die Globuli“ nachgegangen: auch da war nichts.
Jens Wurster hat nun nicht etwa diese Belege nachgereicht, sondern Norbert Schmacke der Falschaussage bezichtigt, erst in einer Gegendarstellung auf dem Blog eines österreichischen Homöopathen, inzwischen auch auf der Seite der Klinik Santa Croce. Der Zentralverein der homöopathischen Ärzte in Deutschland ist Wurster sofort zur Seite gesprungen, auch hier sah man keinen Anlass, von Jens Wurster Belege anzufordern, sondern hat ebenfalls nur versucht, Norbert Schmacke in Misskredit zu bringen. Eine saubere Gesellschaft, die Lobby der “sanften Medizin”. Wenn es um ihre Geschäfte geht, kann sie ordentlich Gift spucken.
Auf der Internetseite der Klinik finden sich auch vier Patiententestimonials, von Jens Wurster wohl als Ersatznachweis der Heilungserfolge gedacht. Ich unterstelle einmal, dass die Testimonials nicht erfunden sind und freue mich für die Patienten, dass das Schicksal es gut mit ihnen gemeint hat. Es scheint, dass die Patienten das Buch von Norbert Schmacke gar nicht gelesen haben, denn sie bestreiten, was dieser nicht behauptet hat:
„Leider lügt Herr Schmacke das Blaue vom Himmel, wenn er behauptet, er hätte recherchiert und keinen Patienten gefunden, auf die Herr Dr. Wurster sich in seinem Buch bezieht. Herr Schmacke bezichtigt Herrn Dr. Wurster der Lüge, sein Buch und die darin aufgeführten Patienten seien erfunden.“
Die Existenz von Patienten hat Schmacke natürlich nicht bezweifelt, auch nicht die Existenz überlebender Patienten, sondern die Existenz des Nachweises einer Heilung dieser Patienten durch die Homöopathie seitens unabhängiger Ärzte. Ärztetestimonials präsentiert Jens Wurster aber nicht, erst recht keine peer reviewte Publikation seiner Heilerfolge. Auffällig ist zudem, dass in keinem Testimonial steht, ob die Patienten auch konventionell behandelt wurden. Dennoch ist sich Jens Wurster sicher, dass die Patienten „nach 10-15 Jahren Dank der Homöopathie immer noch leben“, nicht etwa dank der konventionellen Behandlung, oder vielleicht auch nur dank glücklicher Umstände. Vier ausgewählte positive Fälle. Was um Himmels willen will Jens Wurster damit belegen? Dass er keine Ahnung von Wirkungsforschung hat? Wie viele Fälle hat er behandelt? Wie viele haben (wie lange) überlebt? Wie viele nicht? Und wie waren die Verhältnisse in einer homöopathisch unbehandelten Kontrollgruppe? Diese Daten, gut und valide erhoben, bei ausreichend großen Fallzahlen, bräuchte man, um im multinobelpreiswürdigen Erfolgsfall sagen zu können, die Patienten würden „Dank der Homöopathie immer noch leben“.
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