In der letzten Zeit haben mich immer wieder Themen beschäftigt, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: unsere “Werte” bzw. der gesellschaftliche Zusammenhalt, Verschwörungstheorien oder pseudowissenschaftliche Parallelwelten wie die Homöopathie.
Mir scheint inzwischen, die Dinge haben vielleicht doch mehr miteinander zu tun, als man zunächst meint. Dass wir eine intensive Wertediskussion führen, an den „westlichen Werten“ zweifeln, sie als Sonntagsgerede kritisieren, dass viele Menschen den Regierungen und Konzernen nichts mehr glauben, schnell hinter allem Möglichen eine Verschwörung vermuten, Donald Trump mit seinem provokativen Anti-Establishment-Gerede und seiner gezielten Ignoranz gegenüber jedwedem abwägenden Denken mit klammheimlicher Freude begleiten – oder hier in Deutschland seine schrumpfgermanischen Stellvertreter von der PEGIDA: Es geht um Misstrauen einerseits und um ein falsches Vertrauen in scheinbare Alternativen andererseits.
In allen Fällen besteht die Antwort der Wut- und Frustbürger auf das – auch durch viele in der Tat erschreckende Vorgänge gespeiste – Misstrauen gegenüber den gesellschaftlichen Institutionen nicht darin, diese reformieren zu wollen, sondern ihnen ein Phantasma entgegenzusetzen, von dem man sich die Erlösung von der eigenen misslichen Lage durch eine Art Magie verspricht. Die einen glauben, mit Mauern, sicher magischen Mauern, zwischen Amerika und Mexiko oder zwischen Mazedonien und Griechenland die Flüchtlingsproblematik aus der Welt zu schaffen, die anderen reagieren auf die Tatsache, dass in der Politik oft genug nicht die Wahrheit erzählt wird, mit mindestens genauso haltlosen Verschwörungstheorien und laufen falschen Propheten hinterher, und das scheinbar kritisch aufgeklärte Bildungsmilieu flüchtet sich vor den Missständen der normalen Medizin in die der paranormalen Medizin. Der Abschied von der abwägenden Vernunft führt dann in die erleuchtete Gemeinschaft derer, die die Wahrheit sehen, die sich nichts mehr erzählen lassen und sich in abgekapselten Internetforen gegenseitig in ihrem Misstrauen gegenüber dem politischen Establishment, der Pharmaindustrie, der Lügenpresse und dem ganzen „System“ bestärken.
Ob das die Geburtswehen eines sich neu arrangierenden Verhältnisses zwischen den Menschen, einschließlich des selbsterklärten „Volkes“ und den gesellschaftlichen Institutionen, „dem System“ sind? Und wenn ja, was mag dabei wohl herauskommen?
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