Heute waren viele Freunde der Wissenschaft auf der Straße, um beim March for Science öffentlich ihre Unterstützung für die Wissenschaft kund zu tun. Ich weiß nicht, ob auch Ulrich Kutschera irgendwo mitmarschiert ist, um Freiheit für die Biologie und Knast für die Gender Studies zu fordern. Vor ein paar Tagen hat er Kath.net, einer reaktionären klerikalen Internetplattform, ein Interview gegeben. Diese Leute waren eher nicht auf der Straße, aber wer weiß. Schließlich zeigen sie sich im Interview mit Kutschera sehr interessiert an Freiheit und Diskussionskultur, bekanntlich ein Herzensanliegen glaubensfester Gotteskrieger aller Provenienz:
“kath.net: Herr Prof. Kutschera, liegt die Diskussionskultur bei uns im Argen?
Prof. Kutschera: Das ist leider der Fall. Offene, faire Diskussionen, wie sie z. B. in den USA üblich sind, gibt es in Deutschland selten. Wir leben hier in einer kleinkarierten Neid-Gesellschaft, in der unabhängige Freidenker mit eigenen Ansichten und konstruktiven Ideen unerwünscht sind. Angepasste, unterwürfige Mitläufer ohne eigenes Profil werden hofiert und vom Staat bedient. Kreative Naturwissenschaftler (insbesondere Biologen) haben keine politische Lobby und sind, als Fachkräfte, auf dem Arbeitsmarkt kaum vermittelbar.“
Gut zu wissen. In Deutschland kann man also nicht offen diskutieren, in den USA ist alles kein Problem. Trump ist eben nicht Erdogan, er hat noch keinen Professor eingesperrt. Und nebenbei hätten wir endlich auch einmal die miese Arbeitsmarktlage von Biologen geklärt. Sie haben keine politische Lobby und deswegen werden sie nicht eingestellt. Eine Biologenquote fordert Kutschera nicht, vermutlich aus Angst, dass es dann auch eine Biologinnenquote geben müsste.
Damit wären wir auch schon bei dem Thema, das Kath.net und Kutschera vereint, die Geschlechterfrage. Oder die Genderfrage, je nachdem. Und wenn man etwas rechts unterwegs ist, verbindet man das am besten mit dem Flüchtlingsthema. So beklagt Kutschera bei den Flüchtlingen die fehlende „Frauen-Quote, wie sie im Rahmen der Gender-Ideologie überall gefordert wird“. Interessanter Ansatz. Aber auch über Flüchtlinge kann man natürlich, abgesehen davon, dass in den Medien seit zwei Jahren kein anderes Thema so viel Raum einnimmt, in Deutschland nicht offen sprechen:
“Kath.net: Weiteres Beispiel: Haben Sie den Eindruck, dass hierzulande eine offene Meinungsäußerung zur Flüchtlingskrise möglich und erwünscht ist?
Kutschera: Nein – wer nüchterne Fakten benennt, z. B. die Tatsache, dass mindestens 90 % aller Zuwanderer junge Männer aus arabisch/afrikanischen Ländern sind (s. Internet-Bilder), wird in eine ‚rechtsradikale Ecke‘ gestellt.“
Ganz nüchtern sind die Fakten, die Kutschera berichtet, allerdings nicht. Junge Männer überwiegen zwar bei den Flüchtlingen, aber es sind doch deutlich weniger, als Kutschera glaubt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weist für das Jahr 2015 einen Anteil von 69,2 % Männern unter den knapp 450.000 Asylbewerbern aus, im Folgejahr 2016, als die meisten der 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge ihren Asylantrag gestellt haben, waren es 65,7 % von insgesamt gut 720.000. Den höchsten Männeranteil gibt es in der Altersgruppe von 16 bis 25 Jahren, 2015 waren es dort ca. 80 %, 2016 lag ihr Anteil etwas darunter. 90 % oder mehr gab es in keiner Altersgruppe.
Die Zahlen hätte er übrigens auch in der Zeitung nachlesen können, da und dort wurden sie berichtet. Aber den Zeitungen kann man ja auch nicht mehr trauen:
“kath.net: Hat daran auch die mediale Berichterstattung einen Anteil, von den öffentlich-rechtlichen Medien bis zu den selbständigen Zeitungen?
Kutschera: Leider sind inzwischen nahezu alle deutschen Leitmedien ideologisch gleichgeschaltet, d. h. es wird dem deutschen Steuerzahler-Michel eine realitätsfremde Traumwelt vorgegaukelt.“
Damit ist Kutschera, der Freund der Wissenschaft, also bei der Lügenpresse angekommen. Gut, dass es noch Kath.net gibt. Vielleicht gehen sie beim nächsten March for Science doch mit, die neuen Freunde der Wissenschaft.
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