Gestern war in der Süddeutschen Zeitung eine ganzseitige Anzeige des Unternehmens Sixt mit einer Umdichtung von Friedrich Schillers Ode an die Freude:
„Liebe Sixt-Aktionäre, bitte bringen Sie dieses Singblatt zur heutigen Hauptversammlung in München mit.
Ode an die Freude über die Dividende
Freude schöne Dividende, Tochter aus Bilanzium,
wir betreten freudetrunken die Jahreshauptversammlung.
Deine Zauber binden wieder, was der Schäuble streng geteilt;
Aktionäre werden Brüder, wo dein reicher Flügel weilt.
Wem der große Wurf gelungen, Shareholder von Sixt zu sein,
wer dieses holde Ziel errungen, mische seinen Jubel ein!
Seid umschlungen, Millionen! Schönstes Geld der ganzen Welt!
Freude ist’s mit anzusehen, wenn sich Schein zu Schein gesellt!“
Heute berichtet die Süddeutsche, dass das Lied tatsächlich auf der Hauptversammlung angestimmt wurde. Es gibt natürlich Wichtigeres auf der Welt und man darf sich selbstverständlich auch freuen, wenn das Geschäft gut läuft, aber in dem Fall frage ich mich schon, was das ist. Ist das witzig und mir fehlt nur der Sinn für diese Art Humor? Ist das peinlich, weil die Aktionäre wie grenzdebile Dagobert Ducks angesprochen werden? Oder ist das einfach nur dekadent, wenn man so zu einer Hauptversammlung einlädt und eine Bruderschaft des Geldverdienens feiert?
Bei Schiller hieß es bekanntlich „Alle Menschen werden Brüder“. Wenn man einmal über die Frage hinwegsieht, was das für die Frauen bedeutet, hat der Satz etwas Revolutionäres, er beschwört die Zusammengehörigkeit der Menschen. Das würde bei Sixt die Beschäftigten einschließen, die Stakeholder des Unternehmens. So viel Brüderlichkeit ginge dem Firmenpatriarchen Erich Sixt dann womöglich doch zu weit, schließlich hat er ein klares unternehmerisches Leitbild: „Das wichtigste Ziel des Unternehmers ist der Profit.“ Dabei würden die Beschäftigen dem Satz, „Freude ist’s mit anzusehen, wenn sich Schein zu Schein gesellt!“ bestimmt zustimmen. Aber die dürfen, wenn man dem Internet trauen kann, nicht einmal einen Betriebsrat gründen. Und Kleingedrucktes, in dem Sixt bedauert, dass es den verhungernden Kindern in Somalia nicht gelungen ist, Shareholder von Sixt zu sein, gab es in der Anzeige natürlich auch nicht. Seid umschlungen Millionen!
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