Auf der Seite des Zentralvereins der homöopathischen Ärzte ist vor einigen Tagen ein Beitrag von Stephan Baumgartner veröffentlicht worden, der einen Überblick über die „Grundlagenforschung“ zur Homöopathie geben will. Offenkundig möchte man der anhaltenden Kritik, dass es für die Wirksamkeit der Homöopathika naturwissenschaftlich keinerlei Plausibilität gibt, etwas entgegensetzen. Auf kritische Einwände zu antworten, ist natürlich positiv – sofern wirklich Antworten gegeben werden. Ich habe das Wort Grundlagenforschung bewusst in Anführungszeichen gesetzt, weil in Baumgartners Zusammenstellung vielfach völlig offen bleibt, in welcher Beziehung die angeführten Befunde zum Gedankengebäude der Homöopathie stehen, also tatsächlich Grundlagen dazu darstellen und mehr Plausibilität für die Homöopathie erzeugen (ganz abgesehen davon, wie belastbar sie im Einzelnen sind).
Als „Testkit“ dazu erlaube ich mir, einfach 14 Fragen aus dem Blog von Norbert Aust zu kopieren, weil sie in sehr guter Weise deutlich machen, welche Fragen eine Grundlagenforschung zur Homöopathie zu beantworten hätte und was im Beitrag von Stephan Baumgartner davon nicht abgearbeitet wird:
„(1) Worin besteht die Heilkraft / das Agens, das beim Patienten wirksam werden soll? Ein identifizierbarer Wirkstoff ist es nicht, denn schon ab recht niedrigen Potenzen ist das Lösungsmittel von der Lösung nicht mehr unterscheidbar.
(2) Wie wird der richtige Grundstoff dafür aus dem Einsatzmittel selektiert? Beispiel: In der Homöopathie verwendet man die ganze Biene („Apis mellifica“), die aus tausenden verschiedenen Stoffen besteht. Wie wird der Richtige daraus selektiert?
(3) Warum werden die unvermeidlichen Verunreinigungen des Lösungsmittels nicht potenziert?
(4) Was wird potenziert, wenn der Urstoff nicht mehr vorhanden ist?
(5) Wie wird die zu potenzierende Eigenschaft selektiert? Beispiel: Warum wird nicht die Giftwirkung von Arsen durch das Potenzieren verstärkt, sondern nur die heilende Wirkung?
(6) Wie wird die Wirkung der Heilkraft durch Schütteln auf die zehn- oder hundertfache Menge übertragen?
(7) Wie wird die Wirksamkeit dabei verstärkt? Warum merkt man im normalen Leben hingegen nichts von der verstärkenden Wirkung des Schüttelns? Was ist der Unterschied, ob ich ein homöopathisches Präparat schüttele oder meinen Kaffee?
(8) Wie wird diese verstärkte Heilkraft auf dem Zucker gespeichert, nachdem die Lösung verdunstet ist? Die dort gespeicherte Information müsste enthalten:
– Identität des Ausgangsmaterials
– Art der Potenzierung (nach homöopathischer Auffassung verhalten sich D-, C- und LM- Potenzen unterschiedlich, auch wenn sie zur gleichen Verdünnung geführt haben)
– Anzahl der Potenzierungsschritte, C30 ist ja schließlich anders als C200[…]
(9) Wie wird die Heilkraft vom Zucker gelöst und im menschlichen Körper transportiert?
(10) Wie wird die Stelle identifiziert, an denen die Heilkraft ihre Wirkung entfalten soll, was nach homöopathischer Auffassung sehr spezifisch ist und von sehr vielen Faktoren außerhalb der Zelle bestimmt wird, etwa davon, was der Proband / Patient nachts träumt.
(11) Wie unterscheidet die Heilkraft, ob sie durch einen Gesunden oder durch einen Kranken eingenommen wurde? Im ersten Fall müsste sie Prüfsymptome erzeugen, im zweiten nicht, denn das wären dann unerwünschte Nebenwirkungen, die in der Homöopathie ja nicht auftreten.
(12) Wie unterscheidet die Heilkraft, ob sich die vorgefundene Zelle in der richtigen Region des Körpers befindet, also auf der rechten oder linken Seite zum Beispiel?
(13) Wie unterscheidet die Heilkraft gesunde von kranken Zellen? Wenn die Zelle gesund ist, muss die Heilkraft an dieser Stelle die spezifischen Symptome erzeugen, die sie heilen kann, wenn die Zelle krank ist. Dies aber auch nur dann, wenn der Patient gesund ist, und nicht anderweitig krank (s. oben). Eine kranke Zelle muss sie hingegen heilen.
(14) Wieso ist nach homöopathischer Auffassung weniger Wirkstoff in den Präparaten wirksamer, allerdings darf man von Hochpotenzen nicht zu viele nehmen, weil die Wirkung sonst zu stark wird? Welche Dosis-Wirkungs-Beziehung gilt denn nun?
Und so weiter und so weiter.“
Etwas rabiat verkürzt: Selbst wenn sich zeigen ließe (Konjunktiv!), dass irgendwelche hochverdünnten Lösungen irgendwelche Effekte auf Zellen haben, um wie viel plausibler würden denn damit die von der Homöopathie behaupteten Behandlungseffekte bei Menschen? So lange man nicht die Relevanz solcherart „Grundlagenforschung“ für das konkrete Gedankengebäude der Homöopathie zeigen kann, und das heißt auch, Antworten auf die 14 Fragen Austs geben kann, entsteht dadurch nicht mehr Plausibilität, sondern nur mehr „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich unsere Schulweisheit träumen lässt“ und ein neues Beispiel für den esoterischen Fehlschluss, dass deswegen auch Homöopathika wirksam sein müssen. Oder das Meridiankonzept der Akupunktur stimmt, oder Geistheilung möglich ist.
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