Die AfD sorgt sich sehr darum, dass Ausländer den Deutschen nicht zur Last fallen. Jetzt hat sie im Bundestag dazu eine ganz besondere Anfrage gestellt. Da heißt es z.B.:
„Wie viele der in der Bundesrepublik lebenden Schwerbehinderten (…) besitzen keine deutsche Staatsbürgerschaft (…)?“
Eins vorneweg: Die Frage könnte leicht den Verdacht parlamentarischer Faulheit wecken, denn die Daten sind als Zeitreihe ab 1993 online: Von den gut 7,6 Mio. Schwerhinderten, die 2015 registriert waren, waren gut 420.000 nichtdeutsch, also 5,5 % aller Schwerbehinderten.
Aber natürlich ist die AfD nicht zu faul gewesen, selbst nachzusehen und dann zu schweigen. Sie will das etwas in Vergessenheit geratene Stück „Der gesunde Volkskörper“ neu auf die Bühne bringen. Unter den vielen Zuwanderern sind doch bestimmt viele, die nicht hart wie Kruppstahl und flink wie die Windhunde sind? Also fragt die AfD auch:
„Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Behinderten seit 2012 entwickelt, insbesondere die durch Heirat innerhalb der Familie entstandenen (… )? Wie viele Fälle (…) haben einen Migrationshintergrund?“
Kinder aus Verwandtenehen, die es in manchen Zuwandererethnien ja gibt, haben unter bestimmten Bedingungen in der Tat ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko. Das wusste die AfD schon vorher, sie schreibt es selbst im Vorspann ihrer Anfrage. Es sind keine großen Fallzahlen, darauf deutet schon der geringe Anteil der Ausländer unter den Schwerbehinderten hin. Noch klarer wird das, wenn man den Anteil ausländischer Schwerbehinderter unter den Ausländern mit dem Anteil deutscher Schwerbehinderter unter den Deutschen vergleicht. Unter den Ausländern lag der Anteil der Schwerbehinderten mit 4,9 % deutlich unter dem der Deutschen, hier betrug er 9,8 %. Das hat vermutlich zwei Gründe: die Deutschen sind im Durchschnitt älter (das Risiko für eine Schwerbehinderung nimmt mit dem Alter zu) und sie kennen ihre Rechte besser, d.h. sie wissen eher, warum es sinnvoll sein kann, den Schwerbehindertenstatus zu beantragen. Statistisch erfasst wird die Zahl behinderter Kinder aus Verwandtenehen übrigens nicht, die Abstammung der Eltern wird bisher nicht nachvollzogen, der Ariernachweis ist seit geraumer Zeit abgeschafft.
Auch die Antwort auf eine ihrer anderen Fragen dürfte für AfD ernüchternd ausfallen:
“Welche Hauptursachen für Schwerbehinderung gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung, und haben sich die Ursachen für Behinderungen seit 2012 verlagert?“
Dass auch diese Daten online sind, nur nebenbei:
Wie man unschwer sieht: Die meisten Behinderungen sind nicht angeboren, sondern entstanden im Laufe des Lebens durch Unfälle und Krankheiten. Der Anteil der angeborenen Behinderungen ist dabei nicht nur gering, sondern auch rückläufig, weil die medizinische Versorgung rund um die Geburt immer besser wird. Er ist von 4,6 % im Jahr 2005 auf 3,8 % im Jahr 2015 gesunken. Trotz Zuwanderung, trotz mancher Zuwanderergruppen mit Verwandtenehen.
Diese Bundestagsanfrage der AfD weckt nicht nur bei mir ungute Erinnerungen an die Propaganda der Nazis, die auch die Belastung der Bevölkerung durch Behinderte hochgespielt hat – das Ergebnis war der hunderttausendfache Behindertenmord. Diese Absicht will ich der AfD natürlich nicht unterstellen, wohl aber, dass ihr im Kampf gegen Ausländer jedes Mittel recht ist.
Die Brandenburger CDU sollte sich noch einmal überlegen, ob sie wirklich mit dieser Partei koalieren will, wie es der Brandenburger CDU-Chef Senftleben jetzt in der FAZ ins Spiel brachte. Das gesunde Volksempfinden könnte in dieser Frage nicht der richtige Wegweiser sein.
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