Gestern Abend ist der Satellit Sentinel 3 gestartet. Hier ist mein ganz persönlicher, raumfahrtbegeisterter und meereslastiger Bericht dazu.
Um kurz nach 18:00 Uhr begann die Live-Schaltung von ESOC, dem European Space Operations Centre (scherzhaft auch Weltraumbahnhof Darmstadt genannt) zum echten Weltraumbahnhof im nordrussischen Plessezk. Im Kosmodrom Plessezk fuhr um 18:15 Uhr die Spezialbahn den Satelliten in der Oberstufe zum Startplatz. Ringsum tiefer Schnee. Nordrussland im Februar eben.
Um ca 18:30 Uhr war die Oberstufe auf der Rockot-Rakete montiert, der Startturm war schon zurückgefahren. Pünktlich gegen 18:57 Uhr (MEZ) startete die Rockot mit Sentinel planmäßig in den Nachthimmel.
Dann kamen lauter erfolgreiche Statusmeldungen und endlich piepste Sentinel 3 das ersehnte Signal: Alles o. k., Kommunikation läuft. Das Signal lief in Kiruna ein. Im gemütlichen Nirgendwo an der schwedisch-norwegischen Grenze. Eine Erzabbau-Location wie aus einem harten SF-Film.
Mehr zum Start gibt es auf der ESA-Seite, auf Facebook unter und auch auf Twitter unter #Sentinel3 .
Sentinel 3 gehört zu einem Satellitennetzwerk namens Copernicus. Und Copernicus ist DAS Europäische Erdebobachtungsprogramm.
Die Kernkompetenzen von Copernicus sind:
- Landüberwachung
- Überwachung der Meeresumwelt
- Überwachung der Atmosphäre
- Notfallkartierung bei Katastrophen
- Zivile Sicherheit
- Überwachung des Klimawandels
Das Netzwerk ist eine gemeinsame Initiative der Europäischen Union (EU), der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA), der Europäischen Organisation für meteorologische Satelliten (EUMETSAT) und deren Mitgliedsstaaten.
Nur ein so aufwändiges Netzwerk wie Copernicus kann solche Daten für den ganzen Planeten erfassen.
Was hat Sentinel 3 mit dem Ozean zu tun?
Sentinel 3 ist der Wächter über die irdischen Ozeane.
Immerhin sind über 70 % unseres blauen Planeten mit Wasser bedeckt, der allergrößte Teil davon befindet sich in den Ozeanen. Die Ozeane haben eine Schlüsselfunktion für das Klima, sie sind eine bedeutende Ressource für die Versorgung der Menschheit und wichtige Verkehrsadern. Die Ozeane sind Systeme in stetiger Veränderung, im Wandel der Jahreszeiten, des Wetters und des Klimas – “Oceans of Change”, tituliert die ESA Sentinel3s Portfolio.
Sentinel 3s wichtigste Aufgaben sind Messungen, Messungen, Messungen:
- Temperaturmessungen der Oberfläche und bis in mehrere Meter Tiefe hinein
- Bestimmung der Farbe des Ozeans
- Bestimmung der Höhe der Meeresoberfläche
- Messung der Dicke des Meereises
Zusätzlich wird er über Landflächen Waldbrände überwachen, Karten zur Landnutzung erstellen, Angaben zum Vegetationszustand liefern und die Höhe von Flüssen und Seen messen, aber das soll hier nicht weiter thematisiert werden.
Für den Start des Satelliten war das ESOC in Darmstadt verantwortlich. Sowie Sentinel 3 seinen Dienst aufnimmt, ist EUMETSAT für den Betrieb und den Datenstrom zuständig. EUMETSAT liegt ebenfalls in Darmstadt, gerade auf der anderen Straßenseite gegenüber von ESOC.
Diese umfangreichen Meeresbeobachtungen erlauben ein Ozean-Management. Die Erfassung detaillierter Datensätze ermöglicht zeitnahe Reaktionen darauf. Gleichzeitig ermöglicht die Datensammlung und –auswertung, Modelle für die Zukunft zu erstellen. So kommt es dann zum Management der Ozeane.
Die Datenströme des Leichtmetall-Meeresguckers sind die Grundlage für
- die akkurate Vorhersage des Seewetters und damit mehr Sicherheit im Schiffsverkehr und für Fischer. Treten in Seegebieten besondere Gefahren wie Eisberge oder Monsterwellen auf, kann der Schiffsverkehr gewarnt oder sogar umgeleitet werden. Durch Monsterwellen verschwinden jedes Jahr Schiffe!
Auch Wetterveränderungen und -lagen wie El Nino mit ihren sehr starken Auswirkungen auf das Leben in den Ozeanen sind ein Sentinel 3-Thema. El Nino ist eine Extremwetterlage, die im Zuge der Erwärmung auch der Ozeane häufiger und stärker wird. Über den Zusammenhang von El Nino, einer ausgedehnten Giftalgenblüte und zwei Wal-Massensterben im Pazifik in 2015 gibt es mehrere “meertext”-Berichte. - die langfristige Überwachung von Klimaveränderungen: Die Dicke und Ausdehnung des Meereises und die Höhe des Meeresspiegels geben dazu wichtige Indizien. Außerdem geht es um die weitere Erforschung der Rolle der Ozeane in einem sich verändernden Klimasystem. Die Tiefen der Weltmeere sind u. a. wichtige CO2-Speicher.
- die Erfassung der Meeresverschmutzung. Dazu gehören u. a. Nachweise von Ölverschmutzungen durch Schiffe.
- die Erfassung der Bioproduktivität: Die Farbe des Ozeans gibt Auskunft über die Verteilung und Menge von Plankton. Pflanzliches Plankton enthält Chlorophyll, den Farbstoff mit dessen Hilfe Pflanzen Sonnenlicht in Energie umwandeln. Und dieser Farbstoff ist aufgrund seines spezifischen Farbspektrums exakt nachweisbar.
Gleichzeitig können eine erhöhte Bioproduktivität im Kontext mit El Nino und anderen Farbpigmenten auch auf die Entstehung von Giftalgen-Blüten hinweisen. Diese giftigen Algen sind Rotalgen und bilden regelrechte rote Teppiche auf der Meeresoberfläche. Die “Harmful Algal blooms” sind so giftig, dass sie eine große Gefahr für andere Meeerestiere sind. Betreffen sie Meeresgebiete mit Aquakulturen, vergiften sie auch die dort produzierten Meerestiere. Mit einer Vorwarnung könnten die Aquakulturen möglicherweise verlagert und geschützt werden.
Solche Zonen hoher Produktivität ziehen dann auch den Rest der Nahrungskette wie Fische an.Diese und andere Datensätze ermöglichen die Erstellung von Populationsmodellen von Fischen, erklärte die Ozeanographin Estelle Obligis vom Collecte Localisation Satellites im französischen Ramonville-Saint-Agne in der Pressekonferenz.
Übrigens: In der gestrigen ESOC-Pressekonferenz kam auch der Pinguinforscher Yvon Le Mahon vom National Centre for Scientific Research in Strasbourg zu Wort. Das ist der Herr mit dem Pinguin-Rover-mit-Kamera, über dessen genialen Einfall ich kürzlich geschrieben hatte. Auch diese Daten laufen über Satelliten wie Sentinel3.
Sentinel 3 – Envisats und Cryosats Erbe
Für diese komplexen Aufgaben ist der Ozean-Wächter mit neuartigen Instrumenten ausgestattet. In diese Geräte sind, so die Hilary Wilson von EUMETSAT, die Erfahrungen vom Betrieb der Umweltsatelliten Envisat und Cryosat beruhen.
Die wichtigsten Parameter zur Ozeanüberwachung sind die Ozean-Topographie (Meeresoberfläche), die Ozean- Temperatur und die Farbe der Ozeanoberfläche.
In diesem Video zeigt Sentinel 3, wie er aufgebaut ist und welche Instrumente wo sitzen.
Ein Satelliten-Striptease, sozusagen.
Hier gibt es detaillierte Informationen zu Sentinels Instrumenten.
Und für Freaks ist hier sogar noch die Verkabelung abgebildet: SpaceWire architecture of the Sentinel-3 spacecraft (image credit: TAS-F).
Kommentare (14)