„Macht und Missbrauch“ – so heißt das erste Buch des früheren bayerischen Finanzbeamten Wilhelm Schlötterer, in dem er vor allem eigenartige Vorgänge aus der Zeit des großen Vorsitzenden FJS aufgreift. Aber darum geht es mir hier nicht.
Das Zusammenspiel von Macht und Missbrauch kennzeichnet auch den Missbrauch von Kindern in Internaten, kirchlichen wie reformpädagogischen Einrichtungen gleichermaßen. Soeben macht in Bayern der Fall des Schauspielers Michael Lerchenberg Schlagzeilen, der in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen über Prügel und sexuelle Übergriffe während seiner Internatszeit im kirchlichen Augsburger Internat St. Stephan berichtete.
Das Thema ist schwierig und man muss aufpassen, nicht auf einer billigen Vorwurfswelle mitzureiten. Einerseits schweigt die Kirche das Thema nicht mehr tot, wie die Entlassung von 400 Priestern wegen Kindesmissbrauchs in den letzten 2 Jahren zeigt – wobei ich nicht einschätzen kann, ob es nicht sogar 4.000 oder noch mehr sein müssten. Aber immerhin.
Andererseits fällt der Kirche der offene Umgang mit ihren Skandalbrüdern vielfach noch immer schwer. Zwar verurteilt der Abt des Klosters St. Stephan die sexuellen Übergriffe auf Internatszöglinge und scheint sich glaubhaft mit der Problematik auseinanderzusetzen. Aber auf der Internetseite des Klosters St. Stephan war bis gestern Mittag etwas verdruckst unter dem Stichwort „Aktuelles“, ohne das Thema konkret zu benennen, ein Link zu einer Stellungnahme zu den Vorwürfen Lerchenbergs zu finden. Darin hieß es: “Die Grenze des Anstands und des Rechts sehen wir überschritten, wenn wir ultimativ und bedrohend aufgefordert werden: ‘Jetzt muss (öffentlich) geredet werden! Tun sie es nicht, werde ich es tun.'” Das sei Nötigung. Da ist sie wieder, die hässliche Seite der Macht, die Zweifel daran aufkommen lässt, wie aufrichtig die Auseinandersetzung der Kirche mit dem Thema wirklich ist, und da ist sie wieder, die Assoziation von Macht und Missbrauch, von Drohung und Schweigegebot, wie damals den Kindern gegenüber. Auf der Internetseite des Internats fanden sich noch weitere ungute Verlautbarungen zu den Missbrauchsvorwürfen. Da war z.B. die Rede davon, dass viele Zöglinge die Internatszeit in guter Erinnerung hätten und – wie immer man das lesen will – dass man auch nach der eigenen Schuld fragen müsse. Wer schreibt so etwas? Die Papiere sind seit Stunden online nicht mehr aufzurufen. Ein Serverproblem? Eine Besinnungspause?
Bestimmt werden viele Zöglinge das Internat in guter Erinnerung haben. Aber das ist hier nicht relevant. „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein“ (Matthäus 5,37). Eigentlich sollte die Kirche wissen, was zu tun ist.
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Nachtrag: Die Stellungnahmen des Klosters sind inzwischen wieder online aufrufbar, so dass sich jeder selbst ein Bild machen kann.
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