Lindner: Ja, das sagen jetzt Sie.“
Vielleicht hat auch Lindner keine Sekretärin und hat die Lungenärzte rechnen lassen? Ist Raffelhüschen eigentlich auch Lungenarzt? Gut, das war gemein. In Wirklichkeit finde ich es ja prima, dass Herr Lindner die Reichen nicht noch reicher machen will. Man könnte höchstens einmal darüber nachdenken, ob es dafür nicht geeignetere Instrumente gäbe. Eine Bedürftigkeitsprüfung für hohe Vorstandsgehälter zum Beispiel.
Offensichtlich weckt die Geschichte mit der Bedürftigkeitsprüfung eine Art Sozialneid von oben. Darunter leidet die FDP ganz besonders, man erinnere sich an Westerwelles Rant gegen Hartz-IV-Empfänger, die sich „spätrömischer Dekadenz“ in „anstrengungslosem Wohlstand“ hingeben würden. Dabei kennt das Rentenrecht grundsätzlich keine Bedürftigkeitsprüfung. Im Rentenrecht gilt das Äquivalenzprinzip: Wer mehr leistet, kriegt mehr. Und wenn diese Äquivalenz nicht mehr stimmt, weil man nach 35 Beitragsjahren trotzdem nichts hat, muss nachjustiert werden.
Jetzt sagen wieder andere, die Grundrente soll ja nicht aus den Beiträgen finanziert werden, sondern aus einem Steuerzuschuss, da sei die Bedürftigkeit zu prüfen. Ist das so? Bleibt es nicht trotzdem eine Regelung im Rentensystem? Natürlich wäre es besser, die Leute mit den niedrigen Renten hätten vorher mehr verdient und mehr Beiträge einzahlen können. Aber dann hätte es die Unternehmen vorher höhere Löhne gekostet und das wollte man ja nicht, wegen des internationalen Wettbewerbs, siehe oben. Die Folge wie so oft in solchen Fällen: Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Kosten.
Eine neue Sozialpolitik – aber woher?
Nach Umfragen sind fast zwei Drittel der Deutschen für die Grundrente. Auch für höhere Mindestlöhne gibt es übrigens eine Mehrheit. Das brächte auch höhere Beitragszahlungen in die Rentenkassen. Vielleicht gäbe es ja sogar einen gemeinsamen Weg für eine insgesamt sozialere Politik. Ich verstehe ohnehin nicht, warum die Union jetzt ihr wiederentdecktes konservatives Profil nicht auch etwas in Richtung des sozialen Mitgefühls schärft. Als Club Der Unternehmer bleibt sie jedenfalls unter ihrem Niveau.
Ob die SPD eine soziale Wende durchsetzen kann? Das ist fraglich, sie hat nach wie vor keine zukunftsweisenden Antworten auf das angespannte Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit. Und so wie sie die Grundrente schon als Kraftakt verkaufen will, obwohl das zwar den Betroffenen spürbar hilft (weil die jetzt so wenig haben), aber volkswirtschaftlich eher eine Marginalie ist und zudem das Grundproblem niedriger Löhne nicht löst, wird von ihr vorerst nicht allzu viel zu erwarten sein. Von der LINKEN erst recht nicht, sie wird die staatssozialistischen Gespenster der Vergangenheit nicht los und leidet unter einem schweren Mangel an Vertrauen in ihre Wirtschaftskompetenz. Zur FDP ist in dem Zusammenhang schon alles gesagt und die AfD ist ganz sicher nicht die Partei, die Wohlstand für alle will.
Das Land, in dem alle gut und gerne leben, ist also noch nicht in Sicht. Ob wir dahin kommen? Es liegt auch an uns.
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* Edit: Den Halbsatz “im Vergleich mit westeuropäischen Nichtkrisen-Ländern” habe ich ergänzt, der Kommentator “Tim” hat zu Recht darauf hingewiesen, dass große westeuropäische Länder wie Italien, Großbritannien oder Frankreich eine höhere Einkommensungleichheit als Deutschland haben.
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Zum Weiterlesen
Ein Beitrag von Hartmut Reiners zur Rentendebatte, mit vielen interessanten Aspekten (und einer etwas “engeren” Interpretation des Äquivalenzprinzips): https://makroskop.eu/2019/02/was-bringt-heils-respekt-rente/
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