Aber was bedeutet das? In diesem Ländervergleich kann man den Effekt von Tempolimits gar nicht sehen. Es sind ja nicht alle anderen Einflussfaktoren auf die Zahl der Autobahn-Verkehrstoten statistisch herausgerechnet. Und dass ein Tempolimit nicht der allein bestimmende Faktor bei den Verkehrstoten ist, ist nun mal keine umwerfende Erkenntnis.
Das Argument, dass auf den Autobahnen doch nur der kleinere Teil der Unfälle passiert und auf Landstraßen weitaus mehr Menschen ums Leben kommen, hat einen ähnlichen Defekt. Daraus folgt nämlich ebenfalls nichts in Sachen Tempolimit auf Autobahnen. Dass Rauchen mehr Sterbefälle verursacht als Alkohol, heißt ja auch nicht, dass man sich nicht mehr um einen verantwortungsvollen Alkoholkonsum bemühen müsste. Mit mehr Berechtigung könnte man sagen, die hohen Unfallzahlen der Landstraßen deuten darauf hin, dass das dort bestehende Tempolimit möglicherweise gesenkt werden sollte – aber die Debatte will ich nicht auch noch anfangen.
Richtig ist auch der Hinweis, dass es andere Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit gibt, z.B. verstärkte Geschwindigkeitskontrollen, verkehrsflexible Tempolimits, intelligente Fahrassistenzsysteme und vieles mehr. Aber welche Funktion hat der Verweis auf diese Maßnahmen? Geht es um Alternativen oder um Ergänzungen zum Tempolimit? Wenn die Maßnahmen ein Tempolimit überflüssig machen sollen, wo sind die Daten dazu?
Fehlende Evidenz?
Wie bei allen Interventionen, auch bei allen Präventionsmaßnahmen, wäre es gut, wenn es Studien gäbe, die mit einem klugen Design Autobahnen mit und ohne Tempolimit vergleichen. Man könnte zwar meinen, solche Studien gäbe es angesichts der Public Health-Relevanz des Themas zuhauf, aber weit gefehlt. Es gibt solche Studien praktisch nicht. Verwiesen wird immer wieder auf ein paar z.T. schon ältere Feldversuche in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, die eine Senkung der Unfallzahlen gezeigt haben, deren Aussagekraft aber von den Gegnern eines Tempolimits angezweifelt wird. Unstrittig ist allerdings, dass hohe Geschwindigkeit eine relevante Unfallursache ist. Dazu gibt es auch eine Reihe von internationalen Studien. Wenn also ein Tempolimit auf den Autobahnen die hohen Geschwindigkeiten kappt, müssten auch die Unfälle zurückgehen. Fachleute gehen davon aus, dass ein Viertel bis ein Drittel der Toten auf der Autobahn durch ein Tempolimit vermeidbar wären. Das wären immerhin 100 bis 140 Tote weniger jedes Jahr. Gesundheitspolitische Peanuts? Herr Spahn?
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