Die Überschrift ist natürlich geklaut. Von einem Sozialdemokraten, als es solche noch gab und als sie noch Vertrauen hatten, dass die Menschen in der Lage sind, ihre Angelegenheiten vernünftig zu regeln. Dabei muss man sie allerdings unterstützen und diese Unterstützung kann sich nicht darin erschöpfen, sie permanent zu Vernunft zu ermahnen, als wären es unmündige Kinder. Nötig sind vielmehr gute Daten, gute wissenschaftliche Interpretationen dieser Daten, ein offener Umgang mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten und Diskussionsräume für den konstruktiven Streit um differenzierte Antworten auf die vielen Facetten der Frage „wie weiter“.
Wir können die Entscheidungen über die Zukunft nicht an einzelne Personen delegieren, nicht an Virologen und auch nicht an noch so wohlmeinende Politiker. Schon gar nicht an Platzhirsche auf der Wiese der Kanzlerkandidatur. Wir brauchen keine Volkserzieher, die uns ständig ermahnen und belehren, wie es z.B. Karl Lauterbach so liebt. Was wurde in den letzten Jahren nicht für ein Tamtam um „Health Literacy“ und „Gesundheitskompetenz“ gemacht. Alles nur Show, weil man den Menschen in Wirklichkeit gar nicht zutraut, vernünftig mit ihrer Gesundheit und der der anderen umzugehen? Klar, da kann man immer wieder Zweifel haben, egal ob es ums Rauchen geht oder jetzt um die Hygieneregeln. Aber man darf den Menschen nicht grundsätzlich das Misstrauen aussprechen. Fast möchte man mit Bert Brecht fragen: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“
Wir brauchen außerdem die Wiederauferstehung des Parlaments, damit die Exekutive auch auf der staatlich-institutionellen Ebene ein deliberatives Gegengewicht hat und nicht nur eine Kontrolle durch die Gerichte. Es ist gut, wenn die Gerichte unverhältnismäßige Einschränkungen der Freiheit, die die Politik für unvermeidbar zum Schutz vor Ansteckung hielt, wieder aufheben. Freiheit und Sicherheit, Lebensqualität und Überleben, wollen gut gegeneinander abgewogen sein. Aber Gerichtssäle sind keine Bürgerforen und auch keine Parlamente. Heute hat Franz Knieps, Chef des BKK-Dachverbands, in der Frankfurter Rundschau einmal mehr für eine Rückkehr zu demokratisch und rechtsstaatlich abgesicherten Wegen aus der Krise geworben. Kurz, aber prägnant. Wir könnten wieder mehr Demokratie wagen.
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Zum Weiterlesen:
1. Eine kleine Serie zur Notwendigkeit demokratischer Diskurse, beginnend im April.
2. Aus dieser Serie: Masken tragen: aus Pflicht oder Überzeugung?
3. Kann der Staat alles steuern?
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