Prof. Bernt-Peter Robra, der die Entwicklung der Corona-Fallzahlen hier bereits in zwei Gastbeiträgen kurz kommentiert hat, hat dazu ein weiteres Update erstellt. Die erste Grafik zeigt den derzeit vieldiskutierten halben Erfolg des Lockdowns light, die zweite Grafik eine divergierende Entwicklung der Sterbefälle insgesamt und auf den Intensivstationen. Bei den Sterbefällen geht es bekanntlich ganz überwiegend um alte Menschen. Die Sterberaten außerhalb der Intensivstationen nehmen etwas stärker zu. Würde man das Verhältnis der beiden Raten abbilden, wäre das Bild nicht ganz so dramatisch, oder die divergente Entwicklung weniger gut sichtbar – je nach Auge des Betrachters.

Bremsspuren ohne Trendwende
Bernt-Peter Robra

Die nachstehende Abbildung aktualisiert den Verlauf der Corona-Epidemie, Stand 9. Dezember 2020. Alle drei Kurven, die Testpositiven, die Intensivpatienten und die Todesfälle, sind zunächst logarithmisch-linear (d.h. exponentiell) angestiegen. Bei den Testpositiven kam es schon früh zu einer Verlangsamung, bevor die November-Einschränkungen an sich wirksam wurden (die meisten Menschen denken aktiv mit). Zu einer Trendwende hat es jedoch nicht gereicht, obwohl das RKI die Testkriterien Anfang November enger gefasst hatte. Die Belegung der Intensivstationen hat an Dynamik abgenommen, ist aber nicht zum Stillstand gekommen. Auch der im Oktober zu beobachtende Anstieg der Todesfallzahlen hat sich in halblogarithmischer Darstellung verlangsamt. Die beiden letztgenannten Trends lösen jedoch zunehmend Besorgnis wegen der absoluten Höhe aus, die sie erreicht haben.

Die wachsende Zahl der Todesfälle zeigt, dass wir beim Schutz der Großeltern schon den ganzen Herbst nicht besonders erfolgreich sind. Ein Vergleich der im Meldeweg des RKI gezählten Todesfälle an oder mit Corona mit den auf dem Meldeweg der Intensivstationen belegten Corona-Todesfällen zeigt zudem (folgende Abbildung): Eine wachsende Zahl der dem Virus zugerechneten Todesfälle wird nicht mehr auf Intensivstationen versorgt. Vermutlich wird bei immer mehr Patienten, vielleicht auf der Grundlage einer Patientenverfügung oder einer Güterabwägung, von einer (letzten) Intensivbehandlung abgesehen, im Idealfall bei guter palliativer Betreuung. Das entlastet die Intensivstationen. Die Gründe dieser Divergenz sind aber nicht untersucht.

Kommentare (13)

  1. #1 hto
    10. Dezember 2020

    … und das die Menschen die Corona überleben hauptsächlich körperliche Schäden durch eine Behandlung mit dem Reserve-Antibiotika haben, nicht durch das Virus!?

  2. #2 shader
    10. Dezember 2020

    Könnte es nicht sein, dass man jetzt viele schwere Fällen nicht sofort in die Intensivstationen schickt (wie noch im Frühjahr), und erstmal nur in “normalen” Krankenhausbetten belässt (oder zu Hause), um die hochwichtigen Intensivplätze nicht zu sehr zu belasten?

  3. #3 BPR
    10. Dezember 2020

    @hto: Langzeitfolgen durch C19 (auch Long COVID genannt) sind noch weitgehend unerforscht. Aber in schweren Fällen können Entzündungen und Durchblutungsstörungen praktisch im ganzen Körper Schäden hinterlassen. Antibiotika sind bei Viruskrankheiten nicht angezeigt, sofern nicht bakterielle Superinfektionen vorliegen. Die werden auf Intensivstationen meist gezielt nach Vortestung der Erreger behandelt.

    @shader: Ausweislich ihres Todes waren wohl alle Verstorbenen mit wie ohne Intensivaufenthalt “schwere” Fälle. Es ist aber nicht unbedingt gesagt, dass diese Vital-Prognose rechtzeitig gestellt werden konnte. Ich wäre auch mit der genannten “um-zu”-Logik vorsichtig. Die Fachgesellschaften haben zur Aufnahme auf Intensivstation sehr sorgfältige Überlegungen angestellt (im Blogbeitrag vom 7. November “Das Trolley-Problem” hier schon diskutiert). Wir wissen nicht, ob die Verstorbenen ohne Intensivbehandlung in einem Krankenhaus gestorben sind oder nicht. Aber: wenn Versorgungskapazität nicht ausreichend (oder nicht in der nötigen Qualität) zur Verfügung steht, wird das vernünftigerweise Rückwirkungen auf die Patientenströme haben. Im Idealfall haben Hausärzte im Laufe des Jahres mit hoch riskierten Patienten und ihren Angehörigen Palliativgespräche geführt (wie ohnehin empfohlen), so dass auf eine letzte “Blaulicht”-Einweisung verzichtet wurde. Das könnte die Intensivstationen entlasten, ja, aber die betreuenden Angehörigen und die Pflegepersonen (in Heimen und ambulant) müssen solche Entscheidungen mit tragen können.

  4. #4 hto
    10. Dezember 2020

    @BPR

    Da habe ich leider 2mal ganz andere / extreme Erfahrungen gemacht. Und bei Covid bekommt man eben auch Entzündungen im Körper!?

  5. #5 soisses
    11. Dezember 2020

    @BPR: Danke!
    @shader: Ich überlege, ob ich dich für einen “Verschatter”/ “Verdunkler” halten soll, der hier einen frame zur möglichen Nichtversorgung von Kranken bauen möchte, siehe auch deine Mutmaßung über die Gelassenheit von Senioren (zum Gastbeitrag über den Notification Index).

  6. #6 borstel
    12. Dezember 2020

    @ shader / soisses: Aus der Erfahrung der letzten Wochen im Feld-Wald-und-Wiesen-Krankenhaus am Rande der großengroßen (ziemlichsehrgroßen) Stadt:: Definitiv wurde die ITS-Behandlung in der letzten Zeit niemandem vorenthalten, weil er alt (und zuästzlich noch coronainfiziert) war. Eine Triage hat nicht stattgefunden, und alle haben Sorge vor dem Tag, an dem die Triage in Kraft treten wird. Sehen wir zu, wann dies der Fall sein wird: Ich glaube, daß er eintreten wird.
    Nebenbei: An meinem Haus gibt es jetzt ein unkontrolliertes Ausbruchsgeschehen, die NFA ist abgemeldet, alle negativ getesteteten Patienten sollen so rasch wie möglich entlassen werden, wer im Ausbruchsbereich zu einem bestimmten Zeitraum gearbeitet hatte, mußte sich auf Anordnung des Gesundheitsamtes dem PCR-Test unterziehen. Wer in vom Ausbruch betroffenen Abteilungen arbeitet, muß sich freitesten lassen, um auf (noch) nicht betroffenen Stationen Dienst zu tun. Und es sind gerade die Alten, die an (und nicht mit) Corona versterben, aber wir haben auch junge Menschen mit schwerem Verlauf.

  7. #7 Positron
    13. Dezember 2020

    Hi,

    ich hab Mal eine Frage an euch, vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen. Da die Frage im weiteren Sinne mit Fallzahlen zutun hat packe ich sie unter diesen Artikel.

    Es geht um die Frage, ob Schulen, Kitas etc. zur Verbreitung der Pandemie beitragen oder nicht bzw. wie der aktuelle Stand der Erkenntnis ist?

    Laut folgendem Artikel auf ZDF.de sieht man: “Im Vergleich zum sonstigen öffentlichen Raum scheine es in den Schulen “kein erhöhtes Risiko einer Ansteckung” mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 zu geben, heißt es in einer am heutigen Montag veröffentlichten Studie der Universitätsklinik Leipzig.”

    Mich interessiert das, weil aktuell wieder Schulschließungen anstehen, obwohl die Hinweise sich zu mehren scheinen, dass diese unnötig sind.

    P.S.: Ich erwarte nicht das ihr jetzt anfangt ewig lang zu suchen um meine Frage zu beantworten.

  8. #9 Positron
    13. Dezember 2020

    @Joseph Kuhn:

    Danke für die Antwort.

  9. #10 grmlzz
    13. Dezember 2020

    Hallo,

    auch wenn es nicht ganz zum Artikel passt, schreib ich mal hier.

    In unserer Familie gibt es einen bestätigten Covid-Fall (Infektionsort höchstwahrscheinlich Kita). Alle anderen Familienmitglieder wurden bisher nicht getestet, die Wahrscheinlichkeit, dass wir alle positiv sind, geht jedoch gegen 1. Heißt, die tatsächlichen Fallzahlen in unserer Familie sind 4mal so hoch als offiziell bekannt. Wie es mit uns weitergeht, legt wohl das Gesundheitsamt fest, gemeldet hat dieses sich noch nicht.

    Das positive Testergebnis wurde in die Corona-Warn-App eingepflegt. Bei keinem der möglichen Kat-I-Kontakte, also auch uns Familienmitgliedern, kam bisher eine Risikowarnung, ist aber auch erst 3 Tage her. Außerdem werden höchstens 10% aller positiven Fälle in die App eingepflegt, sodass ich stark bezweifle, dass die App ihren Sinn erfüllt.

    Insgesamt lässt mich die Situation etwas ratlos zurück.

  10. #11 UMa
    14. Dezember 2020

    @Positron: In meinem Bekanntenkreis haben sich zwei von drei Familien, in denen es nachgewiesene Covid-19 Fälle gibt, über die Schule angesteckt. Je einmal Schüler und einmal Lehrer waren zuerst infiziert, wobei die Infektionsorte nahezu sicher die Schulen waren.

    Mag jetzt eine kleine Stichprobe sein, aber immerhin.

  11. […] aktualisiert wird. Dabei habe ich zusammen mit Bernt-Peter Robra, der hier im Blog schon mehrfach mit kurzen Gastbeiträgen vertreten war, auch eine kleine Nebenrolle als „Testleser“. Die inhaltliche Arbeit macht im […]

  12. […] interessanten Konsequenzen. Das tun in einem Gastbeitrag Prof. Bernt-Peter Robra, der hier im Blog schon mehrfach mit Gastbeiträgen vertreten war, und Dr. Maren Dreier von der MHH Hannover, dort im Forschungsschwerpunkt „Prävention und […]