Jeder kennt den Witz mit dem Mann, der auf einem Platz in der Stadt ausdauernd in die Hände klatscht. Gefragt, warum er das tue, sagt er, er vertreibe Löwen. Worauf man ihm antwortet: Aber hier gibt es doch gar keine Löwen und er erwidert: Na eben, wirkt doch.

Auf diesen Nenner bringt Markus Gabriel, einer der Shooting Stars der jungen Philosophengeneration, in einem Kommentar in der WELT die Sicht vieler Virologen und Epidemiologen, warum die Epidemie hierzulande nicht so katastrophal verlaufen ist, wie es den Modellen zufolge ohne Maßnahmen zu befürchten gewesen wäre:

„Erfreulicherweise sind die Horrorszenarien, die im Gefolge der ‚britischen‘ Variante durch die Talkshows und andere Medien geisterten, (wieder einmal) nicht eingetreten. (…) Diese Lücke zwischen pompöser Vorhersage und faktischer Wirklichkeit wird nun, ein erwartbarer diskursiver Mechanismus, mit einem (…) kleinlauten Hinweis auf das vermeintliche Präventionsparadox im logischen Hauruckverfahren geschlossen.“

Das Präventionsparadox meint hier die Nichtsichtbarkeit vermiedener Risiken. Mit anderen Worten: Wer sagt, dass die Infektionsschutzmaßnahmen die Fallzahlen verringert haben, argumentiert nach Gabriel wie der Mann, der klatscht, um Löwen zu vertreiben. Das wäre in der Tat cargo cult science und Gabriel spricht auch ganz unverblümt von „Pseudowissenschaft“. Das Kontrafaktische, das „was wäre wenn“, hat es empirisch naturgemäß immer schwer. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen den Infektionen und den Löwen: die Infektionen sind da. Mehr als 86.000 Menschen sind in Deutschland in gut einem Jahr daran gestorben.

Sicher war nicht alles, was die Politik an Maßnahmen verordnet hat, auch wirksam. Bei den pauschalen nächtlichen Ausgangsbeschränkungen darf man beispielsweise begründete Zweifel haben. Wenn internationale Studien die Wirksamkeit solcher Beschränkungen nahelegen, heißt das noch nicht, dass sie unter den gegenwärtigen deutschen Rahmenbedingungen auch viel bringen. Zumindest lässt eine hessische Studie Fragezeichen zurück.

Die fragliche Wirksamkeit solcher Maßnahmen verleitet Gabriel zu einem folgenschweren Fehlschluss:

„Solange nicht nachgewiesen ist, dass die Schließung von Museen, Außengastronomie und Theatern (um nur einige Beispiele zu wählen) die Ursache für einen faktisch erheblich besseren Verlauf des Infektionsgeschehens ist, ist die Berufung auf das angebliche Präventionsparadox unbegründet.“

Er behauptet damit letztlich, dass das ganze Bündel an Maßnahmen und die Verhaltensänderungen der Menschen nichts gebracht haben. Das folgt aber nicht aus seiner Prämisse. Und schon gar nicht folgt daraus, dass es die Infektionen nicht gibt. Dass kein Löwe in der Stadt ist, ist ein empirischer Befund, ebenso wie der, dass es SARS-CoV-2-Infektionen gibt. Diese Befunde sind unabhängig davon, ob Klatschen oder Ausgangsbeschränkungen etwas bewirken. Wäre ein Löwe in der Stadt, hätte das Klatschen nichts geholfen. Aber ein Löwenbändiger. Vielleicht hätte noch jemand dazu geklatscht, gut, das hätte man sich sparen können. Bei den Infektionen ist es nicht viel anders. Vielleicht hätte man die Museen auflassen können, wie man es, so Gabriel, in Barcelona getan habe, aber man hätte nicht nichts tun können. Das war auch in Barcelona nicht der Fall.

Gabriel räumt dann auch gleich noch das Vorsorgeprinzip mit seiner Orientierung an Plausibilitätsargumenten durch eine utopische Forderung ab:

„Jede einzelne noch so klitzekleine „Maßnahme“ müsste eigentlich durch belegbare Tatsachen gestützt werden – und nicht durch statistische Möglichkeiten, die stets nur teilweise faktenbasiert sind.“

Dem könnte man folgen – wenn Löwen nicht weiter gefährlich wären, oder das Virus. Aber ist Vorsicht angesichts von 86.000 Tote nicht genug „faktenbasiert“? Was wäre sein konkretes Infektionsschutzprogramm gewesen?

Markus Gabriel ist mit einem Buch mit dem Titel „Warum es die Welt nicht gibt“ bekannt geworden. Er hat ein Talent für medienwirksame Sätze. Aber Medienresonanz verbürgt nicht Wahrheit. Man könnte es das Repräsentationsparadox nennen. Er ist bestimmt ein kluger Kopf, und natürlich hat er Recht, dass man mit Einschränkungen von Grundrechten sorgsamer umgehen müsse, aber in Bezug auf seine Argumentation mit dem Präventionsparadox gilt der alte Spruch: Si tacuisses, philosophus mansisses.

Kommentare (147)

  1. #1 Alisier
    19. Mai 2021

    Gabriel ist halt ein begnadeter Selbstdarsteller.
    Sobald er sich zu konkreten Dingen äußert, ist die Luft aber schnell raus.
    Ich verfolge senen Weg schon lange, und es ist immerhin faszinierend, wie schnell er an seine Professur gekommen ist.
    Und man könnte ihn als Beispiel dafür nehmen, woran die akademische Philosophie heutzutage in Deutschland krankt.
    Bleibendes hat er nicht geschaffen und wird er auch nicht schaffen. Aber sein Glanz strahlt und blendet. Seine Schriften eher nicht.
    Sie sind aus meiner Sicht erschreckend banal.

    • #2 Joseph Kuhn
      19. Mai 2021

      @ Alisier:

      “und wird er auch nicht schaffen”

      Nachdem aus dem Volk der Fussballtrainer schon ein Volk der Epidemiologen geworden ist, vermehren sich jetzt offensichtlich auch die Hellseher? 😉

  2. #3 Alisier
    19. Mai 2021

    @ Joseph Kuhn
    Manchmal braucht man kein Hellseher zu sein um trotzdem zu wissen was passiert.
    Ich aber sage euch: die Inzidenzzahlen bei Corona werden weiter sinken und das Interesse an Gabriel wird genau so zurückgehen.
    Aber Joseph Kuhn wird immer noch bloggen.

  3. #4 PDP10
    19. Mai 2021

    Also allmählich kann man ja den Eindruck bekommen, dass wirklich jeder Honk inzwischen denkt, dass es eine knaller Idee wäre irgendwelchen schrillen Unsinn zum Thema Corona zu behaupten um endlich mal wieder in der Zeitung zu stehen.

    Erst die ganzen Vollspackos wie Hildmann und Naidoo, dann Stefan Homburg und die anderen Statistik-“Auskenner” nebst den ganzen Medizinern und Biologen, die plötzlich (schwuppdich!) Experten für Virologie, Epidemiologie und wasweisichnochalles sind … und jetzt auch noch ein Philosoph.

    Ob der auch ein Buch schreibt das er an den Verlag bringen will?

  4. #5 PDP10
    19. Mai 2021

    (Only slightly OT)

    Ob der Herr Gabriel lieber einfach mal wieder ins Museum gehen sollte?

    Schnelltest für Drachen

    🙂

  5. #6 Joseph Kuhn
    19. Mai 2021

    @ PDP10:

    Man kann Markus Gabriel nicht als “Honk” abtun und auch nicht in einem Atemzug mit Hildmann oder Naidoo nennen. Das wird ihm nicht gerecht und auch nicht der Diskussion um das Präventionsparadox.

    Ich würde es vorziehen, über das Thema zu diskutieren und nicht über die Person. Das Präventionsparadox ist ein wirklich spannendes Thema, weil es beispielsweise dazu herausfordert, die eingebremsten Infektionen von den nichtvorhandenen Löwen zu unterscheiden.

    Bei den Masern ist es ähnlich: Weil sie durch recht hohe Impfquoten fast eliminiert sind, gehen manche Leute davon aus, es sei eine harmlose Kinderkrankheit. Sind sie an sich natürlich nicht, aber in der individuellen Impfentscheidung kann man eine Trittbrettfahrer-Einstellung vertreten und sagen, solange die Prävention wirkt (also andere sich impfen lassen), spare ich mir die Impfung, weil das Infektionsrisiko minimal ist. Da bekommt das Präventionsparadox eine instrumentelle Funktion.

    Oder man könnte darüber diskutieren, was die von Gabriel angesprochenen zwei Varianten des Präventionsparadoxons verbindet. Er weist darauf hin, dass der Begriff ursprünglich von Geoffrey Rose eingeführt wurde und darauf Bezug nimmt, dass Maßnahmen, die dem Einzelnen wenig bringen, bevölkerungsbezogen großen Nutzen haben können. Das ist m.E. übrigens gar kein Paradox, sondern ein Kumulationseffekt. Die im Zusammenhang mit Corona immer angeführte Version sieht er als “eine argumentations- und wissenschaftstheoretisch bizarre Erfindung (…) des öffentlichen Corona-Diskurses in Deutschland”. Da hätte sich Gabriel besser einmal kundig gemacht, schon in den Leitbegriffen der BZgA werden beide Versionen erläutert. Beide Versionen verbindet die Frage “was kann ich sehen”, oder “warum sehe ich den Nutzen einer Maßnahme nicht”.

    Also, ein wirklich spannendes Thema.

  6. #7 PDP10
    20. Mai 2021

    @Joseph Kuhn:

    Man kann Markus Gabriel nicht als “Honk” abtun und auch nicht in einem Atemzug mit Hildmann oder Naidoo nennen. Das wird ihm nicht gerecht und auch nicht der Diskussion um das Präventionsparadox.

    Ich habe mir da eine Zuspitzung erlaubt. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Leuten wie Hildmann oder Naidoo und auf der anderen Seite Leuten wie Homburg oder jetzt Gabriel.

    Andererseits: Bist du sicher? Mir erscheint das ein wenig, wie der berühmte Versuch des Philosophen, seine Nase weg zu diskutieren. Bis ihm einer drauf haut.

    Du schreibst doch selbst:

    Wer sagt, dass die Infektionsschutzmaßnahmen die Fallzahlen verringert haben, argumentiert nach Gabriel wie der Mann, der klatscht, um Löwen zu vertreiben. Das wäre in der Tat cargo cult science und Gabriel spricht auch ganz unverblümt von „Pseudowissenschaft“.

    (Hervorhebung von mir).

    Der erste Teil des Zitates würde bedeuten, dass es nach Herrn Gabriel wirklich keine Seuche gegeben hätte. Das ist so panne von ihm, dass ich das nicht kommentieren möchte … aber mein Honk-Meter ausschlägt.

    Das Präventionsparadox ist ein wirklich spannendes Thema, weil es beispielsweise dazu herausfordert, die eingebremsten Infektionen von den nichtvorhandenen Löwen zu unterscheiden.

    Das würde ich sofort unterschreiben. Aber zu glauben, dass diese Unterscheidung Herrn Gabriel wirklich interessiert ist schon sehr optimistisch von dir.

    (Aber na gut. Von einem alten Optimist und Menschenfreund wie dir auch nicht anders zu erwarten … 😉 )

    • #8 Joseph Kuhn
      20. Mai 2021

      @ PDP10:

      “dass es nach Herrn Gabriel wirklich keine Seuche gegeben hätte.”

      An der Stelle muss man vorsichtig sein, das will er zumindest nicht sagen, siehe auch den Kommentar von “Jolly” weiter unten. Er sagt, das Präventionsparadox ist keine Begründung dafür, dass es nicht katastrophal kam, wie in den Modellen als Menetekel an die Wand gemalt – unter bestimmten Voraussetzungen. Er interveniert im Grunde in die laufende Debatte mit Blick auf die Intensivbetten (siehe das aktuelle Papier der Schrappe-Gruppe) oder die Kritik an den Aussagen des RKI zur Fallzahlentwicklung bis Ostern.

      Dass seine Argumentation darauf hinausläuft, die epidemische Situation sei der nichtvorhandene Löwe, ist meine Interpretation seiner Argumentation. Über die kann man streiten, siehe wiederum “Jolly” unten, das ist der Zweck des Blogartikels.

  7. #9 Weltraumeule
    https://www.youtube.com/user/Weltraumeule
    20. Mai 2021

    Da höre ich doch lieber Peter Gabriel zu.

  8. #10 Stephanie
    Hamburg
    20. Mai 2021

    Ich frage mich wie Herr Gabriel sowas behaupten kann. Hat er keine Diskussionspartner in seiner Umgebung die ihm das kurz erklären. Das Präventionsparadox ist ja nun nicht extrem unintuitiv (oder liege ich da flasch?). Die meisten Menschen erleben es doch selbst im Alltag. Ich verbrenne mich nicht am heißen Backblech, weil ich Ofenhandschuhe anziehe. Natürlich habe ich dann keine Verbrennungen, aber daraus zu schließen, dass es keine Möglichkeiten einer Verbrennung am Ofen gibt ist doch Blödsinn.

    Natürlich ist es beim Ofen nicht ganz zu vergleichen mit einem Virus da man die Hitze spüren kann bevor diese einen verletzt. Möglicherweise ist es uns nicht intuitiv gegeben diese Abstraktionslücke ohne Feedback zu lösen wie vielleicht dieser Fall zeigt:

    Es gibt ja auch Menschen die spüren überhaupt keinen Schmerz und als Kinder habe diese echte Probleme ihren Körper gesund zu erhalten, siehe dazu das Marsili-Syndrom.

    Neben diesem Syndrom gibt es aber auch Afantasie. Hier kann ich mir wirklich vorstellen, dass eine fehlende Fantasie einem nicht erlaubt sich die Konsequenzen einer fehlenden Prävention vorzustellen. Laut dem Artikel haben schätzungsweise etwa 2% der Menschen Afantasie. Möglicherweise korreliert diese Anzahl mit der der Menschen, die die Meinung von Herrn Gabriel teilen.

    Ich komme darauf nur, weil ich zum Beispiel mich nur an meine Krankenhausaufenthalte erinner oder an die Bilder aus den Covid-Stationen aus dem Fernsehen, wenn ich im Bus sitze und meine Maske verrutscht. Ich fakel da dann nicht lange, sondern überlege ernsthaft wie ich effektiv die Ansteckungsgefahr senken kann um diesen unguten Bildern etwas entgegen zu setzen. Wenn ich diese Bilder aber nicht hätte, wüsste ich nicht ob ich genügend Motivation für all die Maßnahmen aufbringen könnte.

    Dieser Blinkwinkel erklärt für mich plötzlich einiges. Aber jetzt steht die Frage im Raum, ob dieser Blickwinkel fundiert ist und nicht nur im ersten Moment plausibel klingt. Ob tatsächliche dieses Reizfeedback aus Realtität oder Vorstellungen die Gedanken an Prävention verstärken. Dämpfen manche Formen von Afantasie wirklich Prävention?

  9. #11 Jolly
    20. Mai 2021

    @Joseph Kuhn

    Da der Kommentar in der Welt hinter eine Bezahlschranke ist, kann ich mich nur auf die hier gelieferten Zitate beziehen.

    Wer sagt, dass die Infektionsschutzmaßnahmen die Fallzahlen verringert haben, argumentiert nach Gabriel wie der Mann, der klatscht, um Löwen zu vertreiben.

    Nein. Das kann er schon deswegen nicht meinen, weil Gabriel weder die Epidemie noch das Vorhandenseins des Virus in Frage stellt.

    Es wirkt auf mich absolut befremdlich, dass in diesem Blogbeitrag der Eindruck entsteht, er würde so etwas wie ein Corona-Leugner sein. Wenn ich mir die anderen Kommentare so durchlese, stelle ich fest, da läuft gerade etwas völlig schief und das sollte tunlichst bald korrigiert werden.

    Er behauptet damit letztlich, dass das ganze Bündel an Maßnahmen und die Verhaltensänderungen der Menschen nichts gebracht haben. Das folgt aber nicht aus seiner Prämisse.

    Nein, das behauptet Gabriel damit nicht. Er behauptet nur, es könne Maßnahmen gegeben haben, die nichts gebracht haben. Welche das sind, ist Aufgabe der Wissenschaft herauszufinden.

    Seine “utopische Forderung” (Joseph Kuhn)

    Jede einzelne noch so klitzekleine „Maßnahme“ müsste eigentlich durch belegbare Tatsachen gestützt werden – und nicht durch statistische Möglichkeiten, die stets nur teilweise faktenbasiert sind.

    klingt mir auch nicht anders als die Forderung evidenzbasierter Medizin, “auf der Grundlage von empirisch nachgewiesener Wirksamkeit” zu handeln.

    • #12 Joseph Kuhn
      20. Mai 2021

      @ Jolly:

      “weil Gabriel weder die Epidemie noch das Vorhandenseins des Virus in Frage stellt.”

      Danke für den Hinweis. Das Virus stellt er in der Tat nicht infrage, zumindest nicht explizit. Die Dynamik, also die Epidemie, dagegen sehr wohl. Bleibt die Frage, was die Infektionen ohne die für SARS-CoV-2 bzw. seine Mutanten spezifische Dynamik wären. Aber es ist richtig, statt nur von “Infektionen” zu sprechen, hätte ich das klarer formulieren können.

      “er würde so etwas wie ein Corona-Leugner sein”

      Er ist wohl kein Corona-Leugner, so weit ich das beurteilen kann, aber er reiht sich ein in die Reihe der Leute, die den coronapolitischen Maßnahmen pauschal, und in seinem Fall aufgrund einer reinen Kritik am Präventionsparadox, die Rechtfertigung absprechen.

      “Er behauptet nur, es könne Maßnahmen gegeben haben, die nichts gebracht haben.”

      Dass es solche Maßnahmen gibt, bestreitet niemand, im Blog nenne ich selbst eine, bei der der Nutzen unklar ist. Aber damit begnügt sich Gabriel nicht, er argumentiert pars pro toto. Wenn er nur gesagt hätte, es gibt nutzlose Maßnahmen, könnte man sagen “so what” und die WELT hätte besser ein Backrezept abgedruckt. Sein Kernargument ist: Das Präventionsparadox ist eine unzulässige Argumentation, oder in seinen Worten: “eine argumentations- und wissenschaftstheoretisch bizarre Erfindung (…) des öffentlichen Corona-Diskurses in Deutschland”. Das ist in jeder Hinsicht falsch.

      “klingt mir auch nicht anders als die Forderung evidenzbasierter Medizin”

      Auf der Basis nachgewiesener Wirksamkeit, in konsensfähiger Weise, kann man handeln, wenn man die Zeit dazu hat. Das dürfte bei vielen Einzelmaßnahmen schwierig sein und läuft darauf hinaus, nichts zu tun. Man könnte einmal darüber nachdenken, wie hier Vorsorgeprinzip und Präventionsparadox über die Frage “was sehe ich” zusammenhängen.

  10. #13 rolak
    20. Mai 2021

    klingt mir auch nicht anders

    Das könnte das Problem sein. Oder ist für Dich die (statistische!) Auswertung einer verum-placebo-Vergleichsstudie schon deswegen nicht mehr empirisch, weil sie prinzipiell nicht empirisch genug ist?

  11. #14 Echt?
    20. Mai 2021

    Manch einer ernährt sich eben durch Aufmerksamkeit. Da fallen mir gleich noch der Ethikrat und die Leopoldina ein.

  12. #15 ajki
    20. Mai 2021

    “kein Löwe vorhanden (alternativ: schwarzer Schwan)” = “empirischer Befund” heißt es im Text.

    “Nichtexistentes” faktisch als nichtexistent zu *belegen* ist seit altersher eine berühmte Quelle für Paradoxien aller Art. Soweit ich weiß, erhebt die skeptische Wissenschaft den Anspruch gar nicht und hat das auch nie getan. Im Löwen-Beispiel würde man stattdessen sagen: “Kein Löwe in der Stadt ist ein vorläufiger empirischer Befund”.

  13. #16 knorke
    20. Mai 2021

    Mir wird das Metier der Philosophie stets verschlossen bleiben, ich habe dazu einfach keinen Zugang. Was ich jedoch meine verstanden zu haben, dass Philosophie viel damit zu tun hat, über Logik zu Erkenntnis und Wahrheit zu kommen. Das ist erstmal nicht falsch und sollte auch die Sinne schärfen, allerdings ist das eben nicht der einzige und schon gar nicht der zwingend beste Weg zu Erkenntnis. Dass müsste die Zunft der Philosophen eigentlich aus der Geschichte ihres Metiers mitgenommen haben, denn der logische Weg zur Erkenntnis (in Abgrenzung zum damals verpönten empirischen Weg) hat sich im Laufe des Mittelalters nicht ausreichend bewährt wenn es um Erklärung der Welt, Entwicklung der Technik und verbesserung wirtschaftlicher Verhältnisse geht. Ich meine und vermute, dass das damit zu tun hat, dass man auch in der Philosophie irgendwo anfangen muss, also irgendetwas zunächst mal für WAHR halten muss, damit man überhaupt darauf aufbauen kann. Bei solchen Axiomen kann man sehr schnell falsch liegen, und dann hat man den Salat. So scheint es mir auch hier zu sein: Wenn man davon ausgeht, dass es gar keine Pandemie gibt, oder dass die Pandemie sich selbst in kurzer Zeit erstickt, dann kann man auch alles ableiten was Gabriel ableitet. Die Empirie sagt nun mit gutem Grund: Die Pandemie war aber schon da, das exponentielle Wachstum auch und die Toten und Intensivpatienten ebenfalls. Philosophie mag wichtig sein, die ganze moderne Erkenntnistheorie kommt nicht ohne sie aus, aber wenn sie Fakten überdeckt oder ignoriert, sollte man als Philosoph vielleicht mal kurz innehalten und die Grenzen der eigenen Kunst anerkennen.

  14. #17 Alisier
    20. Mai 2021

    @ knorke
    Zustimmung besonders zum letzten Satz.
    Weswegen es mir enorm wichtig erscheint, dass philosophisch Tätige ein solides naturwissenschaftlches Fundament haben.
    @ Jolly
    Vorschlag: du schnappst Dir ein Buch von Gabriel (egal welches) und liest mal rein. Ich kann mir gut vorstellen, dass Du danach zumindest meine Reaktion besser nachvollziehen kannst.

  15. #18 JW
    20. Mai 2021

    Na ja: „Jede einzelne noch so klitzekleine „Maßnahme“ müsste eigentlich durch belegbare Tatsachen gestützt werden – und nicht durch statistische Möglichkeiten, die stets nur teilweise faktenbasiert sind.“
    Wenn ich am Beginn einer neuen Pandemie mit einem neuartigen Erreger stehe, kann ich abwarten, bis ich alle Evidenzien habe oder mal ins blaue schießen. Wobei, wenn ich keine Maßnahmen austeste, kann ich auch keine Evidenzien gewinnen. Nach Gabriel (nicht Sigmar und nicht Gunther) müsste man also erst einmal abwarten und schauen und rechnen bis man Schutzmaßnahmen ergreifen kann? Das geht doch gar nicht. Und wenn dann selektive Maßnahmen ergriffen werden, das heißt nur einzelne Bereiche eingeschränkt werden, geht die Klagewelle erst richtig los. Da gewinnt die Frage, ob die Schließung der Nagelstudios um 0,1 % effektiver ist, als die Schließung der Friseure eine extreme Wichtigkeit.
    So kann man eine Pandemie auch nicht schnell und effektiv bekämpfen.

  16. #19 Kowalski
    20. Mai 2021

    Wenn man prüft, welche Prämissen in Diskussionen derzeit überhaupt genutzt werden, dann entdeckt man die Unterstellung, Politiker sollten die richtigen und geeigneten Maßnahmen gegenüber einem Problem ergreifen. Auf dieser Grundlage wird dann behauptet oder gezweifelt, was das Problem ist und wie dazu die Maßnahmen auszusehen hätten. Und dass man das unbedingt so oder so zu sehen hätte. Das mag philosophisch interessant sein, aber geht meiner Meinung nach an der Realität vorbei:
    Schaut man genau hin, dann ergreifen die Politiker derzeit stets irgendwelche Maßnahmen zu irgendwelchen ihnen als Problem vermittelten Sachverhalten. Es ist nachweisbar, dass unsere Politiker eben nicht Probleme erkennen und verstehen und intrinsich motiviert versuchen, dafür geeignete Maßnahmen zur Anwendung zu finden. Es ist nachweisbar, daß derzeit eben nicht versucht wird, wenigstens die Realitäten zu unseren Prämissen zu schaffen. Offenbar ist es in unserer Gesellschaft unnötig, Verhältnisse zu schaffen, die Voraussetzung einer vernünftigen Politik sind. Es reicht eine Politik-Simulation, ein Eingehen-auf-Probleme durch vortäuschen von Handlung, solange dabei das Gefühl vermittelt wird, es würde in unserem Sinne geschehen. Es reicht, die Diskussion zu lenken, Versprechen abzugeben und in der richtigen Talkshow mehr Applaus bekommen zu haben. Das reicht für unsere Politiker und offenbar auch für unsere Philosophen. Es reicht, Scheingefechte zu führen. Im Morast der Realität mit dem Schwert der Vernunft in der Hand erlebe ich hier niemanden.

  17. #20 foobar407
    20. Mai 2021

    @Jolly und Kuhn

    Er behauptet damit letztlich, dass das ganze Bündel an Maßnahmen und die Verhaltensänderungen der Menschen nichts gebracht haben. Das folgt aber nicht aus seiner Prämisse.

    Nein, das behauptet Gabriel damit nicht. Er behauptet nur, es könne Maßnahmen gegeben haben, die nichts gebracht haben. Welche das sind, ist Aufgabe der Wissenschaft herauszufinden.

    Es ist klar, dass Herr Kuhn hier zu weit gesprungen ist. Markus Gabriel sagt gar nichts über die Maßnahmen aus, denn er analysiert nur das Präventionsparadox als Begründung. Das steht ja auch gleich im ersten Absatz: “Analyse eines Scheinarguments

    Aber damit begnügt sich Gabriel nicht, er argumentiert pars pro toto.

    Das müsste man am Text nachweisen. Das ist hier im Blog nicht geschehen.

    Gabriel räumt dann auch gleich noch das Vorsorgeprinzip mit seiner Orientierung an Plausibilitätsargumenten durch eine utopische Forderung ab

    Nein, er erklärt, dass das Vorsorgeprinzip nur einseitig betrachtet wurde. Seine Forderung ist im Konjunktiv formuliert. Damit betrachtet er duchaus die Möglichkeit, dass Evidenzen fehlen können, aber fordert für diesen Fall, dass Risikoabschätzungen zur Infektionslage auch Risikoabschätzungen zu den Maßnahmen gegenübergestellt werden.

    • #21 Joseph Kuhn
      20. Mai 2021

      @ foobar407:

      Lesen, nachdenken, kommentieren, in der Reihenfolge, dann wird es was. Ich vermute, Sie haben nicht einmal den Artikel von Markus Gabriel gelesen. Falls dem so ist, will ich gar nicht wissen, worüber Sie vielleicht nachgedacht haben mögen.

  18. #22 Thomas
    20. Mai 2021

    Greifen wir das Ganze nochmal Anfang nächsten Jahres auf wenn sich herausstellen wird daß es 2021 genauso wie 2020 wieder keine Übersterblichkeit in Deutschland gab. Aber was sind schon Fakten wenn man zwanghaft einer Religion huldigt…

    • #23 Joseph Kuhn
      20. Mai 2021

      @ Thomas:

      Wird das nicht langsam langweilig? Immer wieder eine inzwischen selbst bezogen auf den Jahresdurchschnitt empirisch falsche Behauptung zu wiederholen?

      Huldigen Sie einer Religion der EskannunddarfkeineÜbersterblichkeitgeben-Gläubigen?

  19. #24 Tim
    20. Mai 2021

    @ Joseph Kuhn

    „Jede einzelne noch so klitzekleine „Maßnahme“ müsste eigentlich durch belegbare Tatsachen gestützt werden – und nicht durch statistische Möglichkeiten, die stets nur teilweise faktenbasiert sind.“

    Dem könnte man folgen – wenn Löwen nicht weiter gefährlich wären, oder das Virus.

    Mit diesem Satz hat dieser Gabriel doch vollkommen recht. Wir leben in einer freiheitlichen Demokratie mit definierten Grundrechten. Wer diese auch nur zeitweise aussetzen möchte, braucht gute Gründe. Nächtliche Spaziergänge von Einzelpersonen zu verbieten, ist z.B. albern und diskreditiert die Pandemiebekämpfung, weil dadurch das Virus nun mal nicht eingedämmt wird (auch wenn es das weise Bundesverfassungsgericht anders sieht).

    Um in Ihrem Löwenbeispiel zu bleiben: Wenn wirklich Löwen herumlaufen, bringen Verbotsschilder “Gebissen werden verboten!” nicht viel. Es wäre eine alberne Freiheitseinschränkung. Davon haben wir in der Krise so manche gesehen, und in diesem Punkt kann ich Gabriel zustimmen – jedenfalls heute, nach inzwischen fast 1,5 Jahren Corona. Im März 2020 sah es natürlich noch anders aus. Wir wussten viel weniger als heute, darum konnten wir den Behörden mit gutem Grund freiere Hand geben.

  20. #25 RPGNo1
    20. Mai 2021

    Wikipedia über Gabriel Markus (Hervorhebung von mir)

    Zu einem von der Wissenschaftsjournalistin und Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim auf YouTube veröffentlichten Video[21], in dem diese eine Einschätzung der im Rahmen der Corona-Pandemie öffentlich auftretenden Virologen vornahm, bezog Gabriel auf der phil.cologne 2020 sehr kritisch Stellung.[22] Gabriel bezeichnete Nguyen-Kims Video als einen „unvorstellbaren Skandal“ und nannte es einen „großen Angriff auf die Demokratie“. Durch das Video sei nämlich, so Gabriel, „die Expertise [der Virologen] in Frage gestellt“ worden. Tatsächlich bezog sich Nguyen-Kim in ihrem Video jedoch, wie in der Videobeschreibung vermerkt und dem Inhalt ihres Videos zu entnehmen ist, bloß auf die Medienkompetenz und öffentliche Kommunikation der Virologen und nicht auf deren fachliche Kompetenz. Nguyen-Kim veröffentlichte vor diesem Hintergrund wenig später auf Twitter einen an die Universität Bonn (Gabriels Hochschule) gerichteten Beitrag mit der Frage “Ist euch das nicht peinlich @UniBonn?”.[23]

    In diesem Sinne stimme ich Alisier zu:

    Gabriel ist halt ein begnadeter Selbstdarsteller.
    Sobald er sich zu konkreten Dingen äußert, ist die Luft aber schnell raus.

  21. #26 Lercherl
    20. Mai 2021

    „Jede einzelne noch so klitzekleine „Maßnahme“ müsste eigentlich durch belegbare Tatsachen gestützt werden – und nicht durch statistische Möglichkeiten, die stets nur teilweise faktenbasiert sind.“

    Auf die Gefahr hin, dass das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen ist – ich habe keinen Bock, für diesen Artikel Geld zu bezahlen: damit hat sich der Herr Gabriel wohl endgültig disqualifiziert. Sollte ein Philosoph nicht etwas mehr Ahnung von Erkenntnistheorie haben?

    Dazu fallen mit zwei Tweets von Kai Kupferschmidt ein:

    People are making extremely difficult decisions with a lot of uncertainty between two risky/bad outcomes. If you think it is obvious what has to be done, at least consider that maybe you do not have all the information. Or maybe you have not thought all that hard about it.

    und

    „Ich mag Philosophen nicht, die das Haar auf fremden Köpfen spalten. Noch dazu mit einem Beil.“
    – Stanislaw Lec

    Letzteres auf Hendrik Streeck bezogen, passt aber auch hier.

  22. #27 libertador
    20. Mai 2021

    “Jede einzelne noch so klitzekleine „Maßnahme“ müsste eigentlich durch belegbare Tatsachen gestützt werden – und nicht durch statistische Möglichkeiten, die stets nur teilweise faktenbasiert sind.”

    Dieses Zitat finde ich sehr bezeichnend. Wie einer meiner früheren Philosophiedozenten immer gesagt hat: “Das Wort ‘eigentlich’ beinhaltet bereits die partielle Negation der Aussage.”

    Wenn Herr Gabriel also sagt, dass eigentlich jede einzelne Maßnahme durch belegbare Tatsachen gestützt werden müsste, dann öffnet er damit bereits die Abweichung davon. Interessant wäre jetzt etwas dazu zu sagen unter welchen Bedingungen und in welchem Maße man von dem Prinzip abweicht, dass ja lediglich eigentlich gilt, aber nicht tatsächlich.

    Kandidaten für Prinzipien, in welchem Maße man abweicht, könnten das Vorsorgeprinzip sein und Risikoabwägungen auf Basis statistischer Belege sein.

    So schließt sich dann aber der Kreis dazu, dass Herr Gabriel dazu neigt, sichtbar zu sein aber wenig konkretes zu sagen.

  23. #28 stone1
    20. Mai 2021

    @PDP10

    Schnelltest für Drachen

    Nice! : ]

    @Joseph Kuhn

    Gibt es das Präventionsparadox eigentlich nur im Bereich Gesundheit/Medizin? Alle griffigen Beispiele, die mir dazu einfallen, haben irgendwie zumindest indirekt mit Gesundheit zu tun, aber ich könnte mir vorstellen, dass es das auch bei Umweltschutzmaßnahmen beispielsweise gibt. Oder im technischen Bereich.

  24. #29 schlappohr
    20. Mai 2021

    „Solange nicht nachgewiesen ist, dass die Schließung von Museen, Außengastronomie und Theatern (um nur einige Beispiele zu wählen) die Ursache für einen faktisch erheblich besseren Verlauf des Infektionsgeschehens ist, ist die Berufung auf das angebliche Präventionsparadox unbegründet.“

    Gut, wie könnte denn ein solcher Nachweis aussehen? Um nachzuweisen, dass man ohne Präventionsmaßnahmen an einer bestimmten Virusinfektion stirbt, muss man diese Maßnahmen unterlassen und schauen, ob man überlebt. Damit das ganze statistisch belastbar ist, muss man diesen Versuch vielmals wiederholen und dann die Toten zählen (Ich beschränke mich hier absichtlich auf die Auswertung der Todesfälle. Die Genesenen zählen nicht, die können ja hinterher wieder ins Museum gehen). Wenn es genug sind, könnte man darüber nachdenken, die Museen zu schließen. Aber für Kinos und Theater müsste man das nochmal separat untersuchen. Ist es das, was Herrn Gabriel vorschwebt?

    Ich möchte meinen Sarkasmus nicht auf die Spitze treiben, aber um es konsequent weiter zu denken: Angesichts von über 80000 Covid-Toten stellt sich die Frage, ob Intensivbehandlung von Covidpatienten überhaupt nutzbringend ist. Bevor man also viel Geld für Beatmungsgeräte ausgibt, könnte man doch erstmal die Infizierten gar nicht oder nur homöopathisch behandeln (was auf das gleiche rauskommt) und dann erst mal in Ruhe schauen, wie sich die Zahlen entwickeln, anstatt gleich irgendwelche hektischen intensivmedizinischen Maßnahmen zu ergreifen, die sich dann in vielen Fällen als unnütz erweisen könnten.

    Das ganze gemahnt an des Ausbruch des isländischen Vulkans (ich versuche erst garnicht, seinen Namen aufzuschreiben) von 2010. Damals mussten alle Flugzeuge am Boden bleiben, weil man vermutete, dass die Vulkanasche die Triebwerke beschädigen könnte. Einige sahen im mehrtägigen Flugverbot den beginnenden Untergang des Abendlandes.(Zugegeben, ich selbst habe geflucht wie ein Rohrspatz weil ich einen Tag später mit dem Zug heimfahren musste. Das war jedoch so relaxt, dass ich seitdem alle Dienstreisen soweit möglich mit dem Zug mache). Am Ende gab es kein Problem mit irgendeinem Flugzeug (ein Wunder, es war ja keins in der Luft), und so kam schnell großes Geschrei auf, dass das Flugverbot ja offensichtlich unnötig gewesen sei und die Fluglinien Milliarden gekostet hätte.
    Alternativ hätte man den Flugbetrieb aufrecht erhalten und erstmal ganz unaufgeregt die Abstürze und Notlandungen zählen können, um an verlässliche Zahlen zu kommen. Vielleicht hätte es keine gegeben, aber falls doch… nun, die Opfer hätten zumindest einen wichtigen Beitrag zur Wissenschaft geleistet.

  25. #30 hwied
    20. Mai 2021

    Man sollte es nicht glauben, die GEW hat sich gegen eine Impfpflicht für Lehrer ausgesprochen.
    https://www.wiwo.de/politik/deutschland/corona-debatte-um-impfpflicht

  26. #31 foobar407
    20. Mai 2021

    @Kuhn

    Ich beziehe mich auf die Fehler in Ihrem Text.

    1. Sie titeln “Warum es die Epidemie nicht gibt“. Der Text bezieht sich dann nur auf einen Kommentar Gabriels in der Welt. In Gabriels Text wird die Epidemie aber gar nicht in Frage gestellt. Sie erfinden einfach irgendwelche Dinge.

    2. Sie behaupten weiter über Gabriels Text: “Er behauptet damit letztlich, dass das ganze Bündel an Maßnahmen und die Verhaltensänderungen der Menschen nichts gebracht haben.
    Wie Jolly schon richtig gestellt hat, sagt der Text gar nichts über die Wirksamkeit der Maßnahmen aus. Der Text behandelt deren Wirksamkeitsbegründung mithilfe des Präventionsparadox. Das sind verschiedene Sachverhalte, die Sie vermischen.

    3. Sie behaupten auch: “Gabriel räumt dann auch gleich noch das Vorsorgeprinzip […] ab” Dabei übersehen Sie, dass er seine Forderung im Konjunktiv formuliert hat, und der Satz im Kontext der verschiedenen Risikoabwägungen steht. Damit räumt er nämlich nichts ab, sondern differenziert, wann das Prinzip gültig ist und wann nicht.

    aber damit begnügt sich Gabriel nicht, er argumentiert pars pro toto.

    Vielleicht erklären Sie erst mal, auf was Ihr “toto” zielt. Die gesamte Epidemie, wie im Titel angesprochen? Alle Maßnahmen wie Sie im Text behaupten? Oder das Präventionsparadox allgemein? Was dann auch falsch wäre, denn Gabriels Text unterscheidet explizit welche Verwendung des Paradoxes er als Begründung für zulässig hält und welche nicht.

    Lesen, nachdenken, kommentieren, in der Reihenfolge, dann wird es was. Ich vermute, Sie haben nicht einmal den Artikel von Markus Gabriel gelesen.

    Schon wieder ad hominem in der ersten Antwort an mich. Sind Sie fixiert auf meine Person, wenn Sie ständig frei darüber spekulieren, was ich fühle oder denke? Ist es Ihnen nicht peinlich so etwas unbegründet zu unterstellen, wenn Sie derjenige sind, der Gabriels Text offensichtlich nicht gründlich gelesen hat?

    Ihre Polemik fällt Ihnen mal wieder auf die Füße, wenn Sie Dinge erfinden, die nicht im Text stehen, und beim Hinweis darauf keine Argumente mehr kommen.

    Falls dem so ist, will ich gar nicht wissen, worüber Sie vielleicht nachgedacht haben mögen.

    Es interessiert mich nicht, was Sie über mich wissen oder nicht wissen möchten. Schaffen Sie es mal, sich auf das zu konzentrieren, was geschrieben wurde? Oder können Sie nur noch Derailing?

    • #32 Joseph Kuhn
      20. Mai 2021

      @ foobar407:

      Da ist aber jemand geladen. Lassen Sie’s raus, dann geht es Ihnen vielleicht besser.

  27. #33 Jolly
    20. Mai 2021

    @all

    Das Virus ist natürlich gefährlich, Menschen sterben an ihm und in jedem Fall zu viele. Ausserdem droht es unsere Gesundheitssysteme zu zerstören, weil es leider ziemlich ansteckend ist. Je nach Demografie liegt die Infektionsmortalität wohl irgendwo zwischen 0,4 und 1 Prozent, und das macht unsere Systeme kaputt, wenn wir es laufenlassen. Damit ist das Virus zu gefährlich, um es laufenzulassen, ohne dass es deswegen ein Killervirus wie Ebola oder Mers sein muss. So sieht es jedenfalls im Moment aus.

    Markus Gabriel, 27.10.2020, Quelle; NZZ

    Und weiter:

    Wohlgemerkt habe ich keine Angst vor den Pharmakonzernen, weil die uns mit Kopfwehtabletten und hoffentlich bald mit Corona-Impfstoffen versorgen. Stattdessen fürchte ich mich auch bei Corona vor den Fama-Konzernen, also den sozialen Netzwerken, denn die verbreiten leere Meinungen und Gerüchte. Und irgendwann kommt dann eben der Tag, an dem wir alle diese Dinge nicht mehr auseinanderhalten können, weil es zu anstrengend ist, und dann sagen wir unisono, um uns zu entlasten: Jeder soll doch seine eigene Meinung haben. Doch das ist falsch, denn es geht häufig um viel zu wichtige Tatsachen, sei das nun Corona oder der Klimawandel.

  28. #34 Kurt Schumacher
    20. Mai 2021

    @PDP10 #7
    Eine Differenz zwischen Attila Hildmann und Stefan Homburg aufmachen … ich verstehe, wie das gemeint ist, aber es ist schwer zu schlucken.

    Stefan Homburg sagte vor einem Jahr, Corona sei “nicht gefährlich”, und Corona sei “ein Hype, wenn nicht sogar ein Hoax” (Stuttgart 9.5.2020). Drei Tage später teilte er auf Twitter seinen Anhängern mit: “Mikrochip-Verfolgung ist im Anmarsch, zunächst für Kinder”. Die Liste lässt sich fortsetzen mit seinem 1933-Vergleich oder einer “Aufforderung an die Bundesregierung und alle Landesregierungen” der MWGFD e.V. am 6. Juni 2020, die mit einem Zitat von Artikel 20 Abs. 4 GG (Recht auf Widerstand) endet.

    Für mich hat sich dieser Wissenschaftler, wie Sucharit Bhakdi und andere, aus einer abwägenden Diskussion früh verabschiedet. Ein Bemühen, den Rückweg in seriöse und differenzierte Debatten zu finden, kann ich seitdem nicht entdecken.

  29. #35 Alisier
    20. Mai 2021

    Es geht mich zwar nichts an, aber ich denke, dass es geboten ist, auf foobar nicht weiter einzugehen.
    Letztendlich ist es lediglich die typische Reaktion des Verschmähten mit dem Versuch einer Retourkutsche.
    Unangenehm aber leider üblich.
    Dabei ist eine Diskussion ja möglich und nötig, wie andere bereits gezeigt haben.
    Aber eben nicht mit beleidigten Querschlägern.

  30. #36 RainerO
    20. Mai 2021

    @ Aliser

    Es geht mich zwar nichts an…

    Stimmt.

  31. #37 Alisier
    20. Mai 2021

    @ Jolly
    Mit dem wohlfeil in der NZZ Geäußerten widerspricht sich Gabriel aber dann doch teilweise selbst.
    Und das ist eines meiner Hauptprobleme mit ihm: je nach Bedarf wechselt er die Position, und glitscht so schnell durch alle Finger.
    Er ist kaum greifbar, und das liegt eben nicht an der Universalgültigkeit des von ihm Gesagten, sondern eher an der Beliebigkeit, außer er wagt sich mal aus der Deckung.
    Und ich empfehle, Gabriels Reaktion auf Mai Thi Nguyen-Kim (Siehe RPGNo1) nochmals genau nachzulesen.

  32. #38 Alisier
    20. Mai 2021

    @ RainerO
    Mir ist wichtig, dass gute Posts mit interessanten Diskussionsbeiträgen nicht immer wieder von den üblichen Verdächtigen gekapert werden und völlig aus dem Ruder geraten, weil genau dann Diskussionen verunmöglicht werden.
    Meinen Unmut über die immer gleichen Nörgeleien zu äußern erlaube ich mir dann halt zuweilen.

  33. #39 Jolly
    20. Mai 2021

    @foobar407, @Joseph Kuhn

    Markus Gabriel sagt gar nichts über die Maßnahmen aus, denn er analysiert nur das Präventionsparadox als Begründung.

    Das vermute ich anhand der Indizienlage auch.

    Das ‘eigentlich’ in “Jede einzelne noch so klitzekleine „Maßnahme“ müsste eigentlich durch belegbare Tatsachen gestützt werden” (Markus Gabriel) interpretiere ich so, dass das notwendig wäre, um ein gültiges wissenschaftliches Argument zu bekommen. – Unabhängig davon können natürlich andere Argumente Maßnahmen zur Prävention rechtfertigen.

    • #40 Joseph Kuhn
      20. Mai 2021

      @ Jolly:

      Niemand begründet Maßnahmen mit dem Präventionsparadox. Maßnahmen werden damit begründet, dass man sie – mit mehr oder weniger guten Gründen – für wirksam hält.

      Das Präventionsparadox ist auch keine Begründung dafür, sich Wirksamkeitsnachweise durch eine reine Möglichkeitsform zu sparen.

      Das Präventionsparadox ist schlicht und einfach eine Erklärung, warum manche Leute glauben, wenn man keine katastrophale Entwicklung sieht, wäre sie auch ohne Gegenmaßnahmen nicht eingetreten.

      Vielleicht liegen da ein paar Wegkreuzungen, um aneinander vorbeizureden?

  34. #41 hwied
    20. Mai 2021

    stone 1
    Beim Präventionsparadox muss man etwas beweisen, das nicht mehr vorhanden ist.
    Es gibt das Präventionsparadox aus dem Mittelalter, wo man etwas beweist, das noch nie vorhanden war.
    Gemeint ist der Nachweis, dass man keine Hexe ist.
    Die vermeintlichen Hexen wurden in eine Kiste gesperrt und zwei Minuten unter Wasser getaucht. Ertrank die Frau, war sei keine Hexe.
    Ertrank die Frau nicht, war das ein Beweis für die Anwesenheit des Teufels und sie wurde zur Hexe erklärt. Was dann folgte könnte man heute als Hexenprävention bezeichnen.

  35. #42 Mutant77
    20. Mai 2021

    Die Frage, die doch dahinter steht ist ob diese Maßnahmen überhaupt eine Wirkung haben. Denn egal welches Land und welche Maßnahmen man betrachtet, der Verlauf der “Kennzahlen” ist überall nahezu gleich. Daher haben schon zahlreiche US Bundestaaten die Maskenpflicht u.ä. aufgegeben ohen das dies eine Auswirkung auf den Verlauf der Pandemie dort hätte.
    Und ob wirklich 80.000 Tote mit einem positiven PCR Test für eine so schwere Epidemie stehen müsste man wirklich mal klären. Zumal ja gleichzeitig die Anzahl die Behandlungen der schweren Erkrankungen in den Krankenhäuser stark abgenommen haben.
    Also bringt werde das Klatschen in die Hände, noch starren auf das Kaninchen etwas.

    Letztlich möchte die einen gerne eine Antwort auf die Frage, welchen Nutzen das ganze bringt. Während den anderen es genügt, mit vermeintlich katastrophalen Bildern in Angst gehalten zu werden.

    Und dabei sollte man immer wieder darauf hinweisen, woher diese Ideen des “social distancing” und “lockdown” kommen und wer sie konzipiert hat. Soweit ich das bisher gesehen habe, waren das bisher keine allgemeingültigen Methoden der Epidemiologie.

  36. #43 RainerO
    20. Mai 2021

    @ Alisier

    Mir ist wichtig…

    Mag sein, aber es steht dir nicht zu, als Gast in einem Blog darüber zu bestimmen, wer weiterhin beachtet werden darf und wer nicht.
    foobar407 hat sich mit Joseph Kuhn “angelegt” und nicht mit dir. Wenn dieser das für unangebracht hält, wird er sich sicher dazu äußern. Außerdem halte ich die Reaktion von foobar407 in #29 zwar für etwas “pampig”, aber nicht für vollkommen unbegründet.

  37. #44 stone1
    20. Mai 2021

    @schlappohr

    Damals mussten alle Flugzeuge am Boden bleiben, weil man vermutete, dass die Vulkanasche die Triebwerke beschädigen könnte. Einige sahen im mehrtägigen Flugverbot den beginnenden Untergang des Abendlandes.

    Ah Danke, dass ist ein gutes Beispiel für ein Präventionsparadox außerhalb von medizinischen Maßnahmen. Obwohl es indirekt natürlich auch wieder mit Gesundheit zu tun hat, es ist ja nicht gesund, in einem Flieger zu sitzen, der wegen ascheverstopfter Triebwerke abstürzt.
    Ich kann mich allerdings nicht erinnern, dass in diesem Zusammenhang der Begriff Präventionsparadox in den Medien aufgetaucht ist.

  38. #45 aristius fuscus
    20. Mai 2021

    @stone1: Ihre Frage bzgl. Präventionsparadox ging zwar an Joseph Kuhn, aber ich erlaube mir trotzdem eine Antwort -ist nicht übergriffig gemeint.
    Wie Sie schon vermutet haben, gibt es das im Umweltbereich zuhauf. Bekanntester Fall ist vermutlich das “Waldsterben” (besser: neuartige Waldschäden), das die Öffentlichkeit in den 80ern beschäftigt hat. Als Reaktion hat die Politik (hier die Regierung Schmidt) in Gestalt der 13. Bundesimissionsschutzverordnung neue Vorschriften auf den Weg gebracht, die den SO2-Ausstoss von Kraftwerken deutlich reduziert haben. Ein paar Jahre später ist dann auch die DDR kollabiert, was auch im Osten zu einer dramatischen Verminderung des Schadstoffausstosses geführt hat. Man konnte direkt beobachten, wie durch diese Ereignisse der Schwefelgehalt im Boden ab- und der pH-Wert wieder zunahm. Von Unwissenden wird seither das ausgebliebene Waldsterben immer wieder als Beleg dafür genommen, dass die sog. Ökolobby hier wie überall falsch gelegen hätte.

  39. #46 Jolly
    20. Mai 2021

    @Alisier

    Vorschlag: du schnappst Dir ein Buch von Gabriel

    Mein Gegenvorschlag: Wir bleiben beim Thema des hiesigen Blogbeitrags.

    Mit dem wohlfeil in der NZZ Geäußerten widerspricht sich Gabriel aber dann doch teilweise selbst.

    Inwiefern? Aus meiner Sicht lässt es zunächst nur die hier vorgestellte Interpretation seines neuen Textes als wenig plausibel erscheinen.

    Mir ist wichtig, dass gute Posts mit interessanten Diskussionsbeiträgen nicht immer wieder von den üblichen Verdächtigen gekapert werden und völlig aus dem Ruder geraten, weil genau dann Diskussionen verunmöglicht werden.

    Darin sind wir uns einig.

  40. #47 Joachim
    20. Mai 2021

    Ich kenne ja den Gabriel nicht. Es wundert mich aber, falls ich das nun richtig verstehe, dass die „jungen Philosophengeneration“ so argumentiert. Die Frage nach der Erkenntnis und deren Grenzen ist wirklich nicht neu.

    Im Löwenbeispiel ist klar, dass der Löwe nicht dadurch erscheint, dass man aufhört zu klatschen. Im Corona-Beispiel dagegen haben wir gesehen, was zum Beispiel in Indien geschieht, wenn man die Gefahr einfach ignoriert. Das will niemand haben.

    Wenn dann ein „Philosoph“ sich Rosinen pickt und möglicherweise korrekt feststellt, dass die Ausgangssperre nichts hilft, dann bedeutet das nicht, dass nichts geholfen hat. Man kann nicht einfach vom Einzelfall auf die Gesamtheit schließen. Man kann und muss Evidenz fordern. Doch manchmal hilft erst einmal nur „ausprobieren“.

    Das macht jeder Mathematiker auch so. Wüsste ich, wie es ist, dann müsste ich ja nicht nachrechnen und Lösungen überlegen. Erst im Nachhinein stelle ich fest, welcher Ansatz denn nun vergebens war und welcher Ansatz nicht.

    Ich habe den Eindruck, dass Gabriel einfach methodisch unzulässig vorgegangen ist(?)

  41. #48 Kai
    20. Mai 2021

    Ist es nicht müßig, über einen Text zu diskutieren, den wir wegen der Bezahlschranke ohnehin nicht einsehen können?
    Ob Gabriel nun die Maßnahmen für überzogen oder nicht gerechtfertig hält, Corona für Panikmache usw. das weiß man vermutlich nicht mal wenn man die Zitate im Original lesen könnte. Was er aber wohl so ausgesagt hat, worüber man sich einigen kann, ist, dass das Präventionsparadoxon kein Argument für die Wirksamkeit von Maßnahmen sein kann und darf. In diesem Punkt muss man ihm ja auch recht geben.
    Die Frage für mich ist allerdings auch, ob das jemals wer getan hat (und wer?). Ich kenne jedenfalls keinen Wissenschaftler, der jemans behauptet hätte “Ausgangssperren wirken, wir sehen ihre Wirkung nur nicht”. Auch Drosten hat ja in seinem Podcast immer wieder betont, dass unklar ist, welche Maßnahmen wie viel bringen, und das dies genauer untersucht werden muss. Eine solche Untersuchung kann aber eben auch immer erst hinterher erfolge (und es gibt ja mittlerweile auch viele Studien zu diesem Thema).

    Ich jedenfalls kann mich nicht erinnern, dass das Präventionsparadoxon jemals als Untermauerung für die Wirksamkeit von Maßnahmen ergriffen wurde. Stattdessen wurde es immer wieder benutzt, um zu erklären, warum die Pandemie real ist, obwohl wir im Alltag so wenig von der Pandemie mitbekommen. Das ist aber ein völlig anderes paar Schuhe. Das ein Pandemiegeschehen sich exponentiell verhält und es daher immer zu spät ist, wenn man Maßnahmen erst dann ergreift, wenn es nicht mehr anders geht, sollte jedem klar sein. Das die Pandemie existiert und auch außer Kontrolle geraten kann, auch wenn aufgrund der getroffenen Maßnahmen dies nie passiert, hierzu bedient man sich des Präventionsparadoxons. Und das völlig zu recht: wir haben mittlerweile drei Wellen hinter uns. Jedes Mal kam es schlimmer als die meisten erwartet haben (aber doch genau so, wie die Epidemiologen vorhergesagt haben).

  42. #49 foobar407
    20. Mai 2021

    @Jolly

    Das […] interpretiere ich so, dass das notwendig wäre, um ein gültiges wissenschaftliches Argument zu bekommen

    Das ist richtig. Da Sie den Artikel nicht lesen konnten, möchte ich zwei Sätze daraus ergänzen:

    1. Im Teil vor dem zitierten Satz unterscheidet er das Präventionsparadox bezüglich seiner Verwendung für die Coronamaßnahmen und bei der Gurtpflicht für Autos:
    Während das Tragen eines Gurts im Autoverkehr niemandem schadet, schadet die teils medizinisch begründete, teils eindeutig viel zu weit gehende Beschränkung unserer Grund- und damit unserer Menschenrechte sehr vielen Menschen.

    2. Und der nächste Satz nach dem Zitat im gleichen Absatz lautet: “Und wer sich auf das Präventionsparadox beruft, um die massivsten Einschränkungen unserer Grundrechte seit Beginn der Bundesrepublik zu rechtfertigen, muss zunächst belegen, dass es hier überhaupt greift.

    Er differenziert an dieser Stelle also zwischen gültigen und ungültigen Begründungen des Präventionsparadoxes. Und er bleibt dabei auf der Ebene der Begründungen und nicht der Maßnahmen selbst.

  43. #50 stone1
    20. Mai 2021

    @aristius fuscus

    -ist nicht übergriffig gemeint.

    Schön zu sehen, dass es hier auch immer noch Kommentatoren gibt, die gewisse Grundprinzipien der Höflichkeit nicht über Bord geschmissen haben, allerdings war es wirklich nicht nötig, sich hier gleich vorab ohne Ursache zu entschuldigen. Die Frage war zwar an den Gastgeber gerichtet, es ist hier allerdings durchaus üblich, dass auch andere eingeladen sind, auf Fragen zu antworten.

    Danke für die Antwort, da man das Wort seit Corona öfters hört, hab ich mich halt gefragt, ob und wo das auch früher schon ein Thema war, im Zusammenhang mit der Masernimpfung ist es mir sicher auch schon begegnet.

  44. #51 Alisier
    20. Mai 2021

    @ Jolly
    Deswegen mein Vorschlag mit dem Buch, der nicht als Derailversuch gedacht war, sondern als Tipp sich die Argumentationsweise von Gabriels am Beispiel eines längeren Textes mal genau anzuschauen.
    Und ich halte die Interpretation Joseph Kuhns nach wie vor durchaus für plausibel, mit den von dir bereits geposteten Präzisierungen und Einschränkungen.
    Wie gesagt, die innere Widersprüchlichkeit seiner diversen Positionen halte ich für ihm eigen.
    Und dass er sich deswegen bei einem Thema nicht festnageln lässt, gehört zur Technik dazu.
    Das zu begreifen halte ich für wichtig, wenn man sich mit Äußerungen oder Texten von ihm beschäftigt.

  45. #52 schlappohr
    20. Mai 2021

    @Joachim

    Doch manchmal hilft erst einmal nur „ausprobieren“.

    Besonders wenn man es mit etwas grundlegend Neuem zu tun und keine Ahnung hat, wohin die Reise geht. Und _ganz_ besonders, wenn es um einen hochinfektiösen Virus geht. Da kann eine einzelne verhinderte Neuinfektion eine ganze Lawine von weiteren Infektionen vermeiden. Aus diesem Grund ist es mehr als angemessen, eine potenzielle Präventionsmaßnahme zu ergreifen, auch wenn man noch nicht weiß, wie groß ihre Wirkung ist.
    Wir sollten der jungen Philosophengeneration nachsehen, wenn sie solche Zusammenhänge noch nicht vollumfänglich durchschaut. Bei _dieser_ Pandemie geht das noch als Welpenschutz durch.

  46. #53 Kai
    20. Mai 2021

    Während das Tragen eines Gurts im Autoverkehr niemandem schadet, schadet die teils medizinisch begründete, teils eindeutig viel zu weit gehende Beschränkung unserer Grund- und damit unserer Menschenrechte sehr vielen Menschen.

    Hier liegt allerdings auch gleiche eine Wertung vor: die Grundrechteinschränkungen gehen “eindeutig viel zu weit”. Da muss man aber differenzieren. Ist zum Beispiel das Tragen von Masken in Innenräumen eine größere Grundrechteinschränkung als das, ebenfalls existierende, Verbot sich nackt in der Öffentlichkeit aufzuhalten 😉 Sind die Ausgangsbeschränkungen (die ja in voller Wirksamkeit erst nach Mitternacht greifen und auch zeitlich sehr begrenzt sind) eine Einschränkung, die uns in unserem Alltag groß betrifft?

    Ich entsinne mich, dass die Einführung der Gurtpflicht mit exakt denselben Diskussionen von Einschränkung der Freiheit und Bevormundung begleitet wurden. Komischerweise hielten damals viele Menschen dies ebenfalls für eine eindeutig zu weit gehende Einschränkung der Grundrechte, heute findet man solche Überlegungen dagegen völlig irrsinnig.

    Natürlich muss jede Maßnahme diskutiert werden. Ich würde mir wünschen, die öffentliche Diskussion würde sich mehr in die Richtung bewegen, warum alle Einschränkungen immer nur unser Privatleben betreffen, nicht aber das Berufsleben (obwohl dort womöglich die meisten Infektionen stattfinden). Statt zu fragen, ob wir nicht zu viele Maßnahmen haben, sollte man in Anbetracht der Infektionszahlen (und der geringen Wirksamkeit des lockdown-lights) eher fragen: wie kann man die Lasten der Pandemie besser verteilen. Welche Einschränkungen treffen bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders stark und sollten daher zurückgefahren werden. Teils wird das ja getan (aber meiner Meinung nach zu wenig). Daher sind die Ausgangsbeschränkungen vielleicht doch sinnvoller als z.B. das Schließen der Kitas.

  47. #54 Spritkopf
    20. Mai 2021

    @Kai

    Ist es nicht müßig, über einen Text zu diskutieren, den wir wegen der Bezahlschranke ohnehin nicht einsehen können?

    Da gibt es Abhilfe.

    Disclaimer: Die unter dem Link vertretenen Tendenzen sind nicht die meinen.

  48. #55 Jolly
    20. Mai 2021

    @all

    Noch ein etwas aktuellerer Beleg dafür, dass Markus Gabriel nicht alle Maßnahmen generell ablehnt oder für unbegründet hält (Quelle, Presseportal, 25.04.21, Hervorhebung durch mich);

    Die Dringlichkeit und Gefährlichkeit der viralen Pandemie darf keine Ausrede dafür sein, dass wir unsere kritischen, analytischen Instrumente unter Hinweis auf das bestehende und teils gut begründete Notstandsregime aus dem Verkehr ziehen

    Es darf also eventuell sogar in die Hände geklatscht werden.

  49. #56 stone1
    20. Mai 2021

    @RainerO

    steht dir nicht zu, als Gast in einem Blog darüber zu bestimmen, wer weiterhin beachtet werden darf und wer nicht

    Da stimme ich dir natürlich zu, gebe allerdings zu bedenken, dass bei foobar Vorsicht angebracht ist. Ich habe schon einige Diskussionen erlebt, vor allem im Astrodicticum Simplex, die eigentlich interessant und auf einem guten Weg waren, und auf einmal drehte sich alles nur noch um Sachen, die dieser Kommentator zerpflückt hatte, und die nur noch am Rande, wenn überhaupt, mit dem eigentlichen Thema zu tun hatten. Er ist ein i-Tüpfelchenreiter wie er im Buche steht und deshalb besteht hohe Derailinggefahr, womit ich ihm allerdings nicht unterstelle, dass er dies mit Absicht macht.

  50. #57 Alisier
    20. Mai 2021

    @ Jolly #54
    Genau das meine ich mit wohlfeil.
    Und würde das von dir zitierte auch noch windelweich opportunistisch nennen wollen.
    Wie gesagt: er positioniert sich so gut wie nie wirklich, sondern lässt sich immer diverse Hintertürchen offen.
    Kann man machen. Muss man aber nicht schätzen.
    Mir machts halt kaum Freude einen Pudding an die Wand zu nageln.
    Das lasse ich dann doch lieber andere ausprobieren.

  51. #58 RainerO
    20. Mai 2021

    @ stone1
    Ich nehme foobar407 ähnlich wahr, wie du. Trotzdem bestand hier bisher noch keine Derailing-Gefahr durch ihn(?). Seine Einwände fand ich (teilweise) berechtigt und habe sie nicht als Ablenkung vom eigentlichen Thema gesehen. Das Derailing kam erst durch Alisier, als er “vorschlug”, foobar407 nicht mehr zu beachten.
    Und damit beende ich meinen Beitrag zum weiteren Entgleisen dieses Threads.

  52. #59 stone1
    20. Mai 2021

    @Robert aka hwied (u.v.a.)

    Was Du beschrieben hast, passt nicht. Das ist allenfalls ein Dilemma für die betroffene Person, aber kein Präventionsparadoxon. Paradox ist nicht gleichbedeutend mit absurd. Trotzdem Danke für deine Antwort.

  53. #60 schlappohr
    20. Mai 2021

    Die vielzitierten Grundrechte. Interessanterweise gerade jetzt häufig von denen beweint, die es ansonsten nicht so arg genau damit nehmen. Aber das ist eine andere Geschichte.

    Erinnern wir uns: Es gibt kein Grundrecht, das besagt, dass man tun kann, was man will. Es gibt aber ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster und behaupte, dass bis auf einen vernachlässignar kleinen Teil der Menscheit alle diesem Grundrecht die höchte Priorität zuordnen würden. Man könnte jetzt argumentieren, dass das bei den vielen Konflikten auf dieser Welt ohnehin Makulatur ist. Aber wir leben hier in einer hochentwickelten westlichen Demokratie, die unter anderem deswegen seit rund 70 Jahren so stabil ist, weil das Recht auf körperliche Unversehrtheit hier verdammt ernst genommen wird und in keiner Weise verhandelbar oder interpretierbar ist. Jetzt haben wir also eine Pandemie am Hals, und schon stimmen einige ein Geheul an wie die Wölfe bei Vollmond, weil ihr “Menschenrecht auf den Verzehr eines Latte Macchiato in einem vollen Staßencafe” eingeschränkt wird. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass sich in den letzten Jahrzehnten die Prioritäten schleichend in die falsche Richtung verschoben haben. Das sollten wir schleunigst korrigieren, andernfalls könnte in Zukunft eine Pandemie wie diese eines unserer kleineren Probleme sein.

  54. #61 Jens
    20. Mai 2021

    @59
    “””
    Erinnern wir uns: Es gibt kein Grundrecht, das besagt, dass man tun kann, was man will
    “””

    Sehe ich nicht so. Es gibt eine allgemeine Handlungsfreiheit.

    Dass auch für diese Schranken gelten (wie bei jedem anderen Grundrecht auch), bedeutet nicht, dass es sie nicht gibt; sonst würde es gar keine Grundrechte geben.

    ganz basal:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Handlungsfreiheit#Sachlicher_Schutzbereich

  55. #62 stone1
    20. Mai 2021

    Diese Lücke zwischen pompöser Vorhersage und faktischer Wirklichkeit wird nun, ein erwartbarer diskursiver Mechanismus, mit einem (…) kleinlauten Hinweis auf das vermeintliche Präventionsparadox im logischen Hauruckverfahren geschlossen.“

    Stimmt das denn überhaupt? Wird das Präventionsparadox quasi als Totschlagargument eingesetzt, um nicht mehr begründen zu müssen, ob und wie stark welche Maßnahmen zur Eindämmung geholfen haben?

    Ich bekomme ja nicht so genau mit, wie das in D diskutiert wird, aber hier in Ö war das Präventionsparadoxon eigentlich kein größeres Thema. Wie man sich überhaupt hier weniger, zumindest seitens der Politik, bemüht hat, Maßnahmen genauer zu begründen.

    Mir reicht es auch, wenn diese Maßnahmen logisch nachvollziehbar sind, unter den Voraussetzungen, dass das Virus hochansteckend ist und hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion übertragen wird. Dass es darüber hinaus potentiell tödlich ist, reicht mir auch als Grund aus, bei Maßnahmen mitzumachen, über deren Wirkung ich mir vorläufig noch unsicher bin. Solange es sich halt nicht um HokusPokus handelt.

  56. #63 Lercherl
    20. Mai 2021

    @schlappohr

    Wir sollten der jungen Philosophengeneration nachsehen, wenn sie solche Zusammenhänge noch nicht vollumfänglich durchschaut. Bei _dieser_ Pandemie geht das noch als Welpenschutz durch.

    Wenn die jungen Philosophen sich so aufführen wie ausgewachsene Rottweiler, ist es mit dem Welpenschutz vorbei.

  57. #64 schlappohr
    20. Mai 2021

    @Jens

    Es gibt eine allgemeine Handlungsfreiheit.

    die durch den Zusatz “[…] soweit er nicht die Rechte anderer verletzt […]” ganz deutlich von ein einem “Tu was du willst” unterschieden wird.
    Ein Gesetz, das Rechte zusichert, muss auch Grenzen setzen. Das eine gibt’s nicht ohne das andere, und wir sind gerade in einer Situation, ind er die Grenzsetzung greift.

  58. #65 Jolly
    20. Mai 2021

    @Spritkopf, @foobar407

    Danke für die Ergänzungen und für den Link. Immer gut, möglichst viel vom Text zu kennen, den man bespricht (Teile des Originals sind auch im Link noch ausgelassen).

    @Alisier

    Wie gesagt, die innere Widersprüchlichkeit seiner diversen Positionen halte ich für ihm eigen

    Wenn du Gabriels Aussagen hier für widersprüchlich hältst, dann solltest du bei Gelegenheit vielleicht überprüfen, soweit das überhaupt möglich ist, ob es nicht generell an deiner jeweiligen Interpretation oder Urteilskraft liegen könnte, warum du ihm Ähnliches auch an anderen Stellen attestierst.

    Markus Gabriel argumentiert in Sachen Corona-Maßnahmen vollkommen konsistent. Zumindest gibt es Interpretationen seiner Texte, die diese Sicht zulassen und sogar nahelegen.

    In der Philosophie ist es oft ausgeschlossen, zu einer offenen Frage oder einem bestimmten Problem zu einem abschließenden Urteil zu finden. Es ist aber meistens möglich, die Argumente für das ein oder andere genauer zu Untersuchen. Bei den Corona-Maßnahmen ist die Antwort eindeutig, auch für Gabriel. Allerdings kann man auch hier immer noch gute und schlechte Argumente dafür und dagegen finden.

    Mehr wird in dem Welt-Beitrag anscheinend gar nicht versucht.

    Disclaimer: Ich vertrete im Allgemeinen nicht die philosophischen Ansichten von Markus Gabriel.

  59. #66 foobar407
    20. Mai 2021

    @stone1

    Stimmt das denn überhaupt? Wird das Präventionsparadox quasi als Totschlagargument eingesetzt, um nicht mehr begründen zu müssen, ob und wie stark welche Maßnahmen zur Eindämmung geholfen haben?

    Das habe ich mich auch schon gefragt, aber auf die Schnelle nichts dazu gefunden. Belegt ist es nicht im Welt-Artikel.

  60. #67 Jens
    20. Mai 2021

    “””
    die durch den Zusatz “[…] soweit er nicht die Rechte anderer verletzt […]” ganz deutlich von ein einem “Tu was du willst” unterschieden wird.
    Ein Gesetz, das Rechte zusichert, muss auch Grenzen setzen. Das eine gibt’s nicht ohne das andere, und wir sind gerade in einer Situation, ind er die Grenzsetzung greift.
    “””

    Jedes Grundrecht ist mindestens durch andere Grundrechte eingeschränkt. Das was sie beschreiben, kann gar kein Grundrecht sein. Es ist ein schwarzer Schimmel.

  61. #68 Jolly
    20. Mai 2021

    @Joseph Kuhn

    Niemand begründet Maßnahmen mit dem Präventionsparadox.

    Gut, soweit ich das jetzt sehe hat auch Markus Gabriel das niemandem unterstellt. Das Präventionsparadox taucht laut ihm ebenfalls erst anschließend in den Diskussionen auf:

    Demnach ist, zugespitzt formuliert, das Ausbleiben einer Katastrophe der Beweis für den Erfolg von Schutzmaßnahmen – und niemals Beleg für deren Überflüssigkeit. Dies wird mit der stets unbelegten, also überhaupt nicht evidenzbasierten Behauptung gekoppelt, dass das Ausbleiben von Schreckensszenarien durch die Schreckwirkung der Modelle bewirkt wird.

    Das klingt doch auch, man berücksichtige das ‘zugespitzt formuliert’, irgendwie zustimmungswürdig, oder nicht?

    Das Präventionsparadox ist auch keine Begründung dafür, sich Wirksamkeitsnachweise durch eine reine Möglichkeitsform zu sparen.

    Da besteht Konsens.

    • #69 Joseph Kuhn
      20. Mai 2021

      @ Jolly:

      “Das klingt doch … irgendwie zustimmungswürdig”

      Also, für mich nicht. Richtig ist, dass das Ausbleiben einer Katastrophe nicht der Beweis für den Erfolg von Schutzmaßnahmen ist. Siehe das Löwenbeispiel.

      Wenn er meint, dass alle Schutzmaßnahmen nicht gut genug belegt sind (er spricht ja explizit davon “um nur einige Beispiele zu wählen”), ebenso wenig wie eine psychologische Wirkung der “Schreckensszenarien”, überzieht er m.E. eine vernünftige Kritik an der Evidenzlage. Zur Wirksamkeit mancher Maßnahmen gibt es ja Studien, andere (z.B. Lüften in Räumen mit mehreren Personen) haben zumindest einige Plausibilität für sich. Und auch die Announcement-Effekte sind nicht aus der Luft gegriffen.

      Und ganz fein wäre, wenn er sagen würde, warum seiner Meinung nach die Entwicklung an Ostern nicht so dramatisch wie von manchen befürchtet war. Meint er, die Saisonalität hat gereicht – ohne dass ich das in Gänze als “Saisonalitätsparadox” abtun möchte. Oder was hat er sonst vor Augen? Wer plausible Erklärungsansätze verwirft, oder zumindest als erklärungsunfähig infragestellt, sollte Alternativen anbieten.

  62. #70 schlappohr
    20. Mai 2021

    Jedes Grundrecht ist mindestens durch andere Grundrechte eingeschränkt. Das was sie beschreiben, kann gar kein Grundrecht sein. Es ist ein schwarzer Schimmel.

    Zumindest zeitweise, wenn es die Situation erfordert. Aber obwohl ein Regelwerk dieser Komplexität kaum widerspruchsfrei sein kann, sind wir gut damit gefahren seit dem WW2. Nur muss man manchmal bereit sein, zeitweise auf die weniger wichtigen Dinge verzichten, um die wichtigen zu schützen. Ohne diesen Willen funktioniert keine Gesellschaft.

  63. #71 Kai
    20. Mai 2021

    @Spritkopf: Danke für den Link. Nach dem Lesen des Beitrags kann ich verstehen, warum einige hier über Gabriel so den Kopf schütteln. Der Mann wagt sich ziemlich weit aus dem Fenster und redet dabei, meiner Meinung nach, auch eine Menge Unsinn.

    Natürlich ist das Präventionsparadox real. Es ist, soweit ich weiß, auch in der Medizin bekannt, schon vor Corona. Richtig ist lediglich, dass das Präventionsparadox nicht als Beweis taugt. Das hat aber auch meines Wissens nie jemand behauptet. Um z.B. die Effektivität einzelner Maßnahmen zu berechnen, muss man daher vergleichende Studien durchführen. Mir ist auch nicht klar, was er damit meint, dass die “Horrorszenarien”um die britische Variante nicht eingetreten seien. Die zweite und dritte Welle waren meiner Meinung nach “horror” genug. Seine Behauptung, dass epidemiologische Modelle nicht angepasst werden, wenn sie mal daneben liegen, ist natürlich blanker Unsinn. Auch seine Bemerkung, dass es nie ein pandemisches Virus gegeben habe, das alle Menschen infiziert hätte, erscheint mir falsch, auch wenn ich da kein Fachmann bin. Die Aussage Drostens war ja eben, dass dieses Virus endemisch wird, und damit über kurz oder lang alle ansteckt. Das ist sehr wohl schon in der Vergangenheit der Fall gewesen (prominentes Beispiel: die Grippe, die genau wie COVID ursprünglich einmal vom Tier auf den Menschen übersprang und sich pandemisch ausbreitete).

    Ansonsten versucht sein Beitrag hauptsächlich andere Meinungen abzuwerten, in dem er sie polemisch überspitzt. Dann werden eben Modellprognosen zu Wahrsagerei, Wissenschaft zu Pseudowissenschaft,und natürlich sind die Menschen wieder alle verängstigt und nicht aufgeklärt – im letzten Punkt hört man schon die Querdenker heraus (auch wenn ich Gabriel natürlich nicht als solchen bezeichnen möchte).g

  64. #72 Takeshi Watanabe
    Norderstedt
    20. Mai 2021

    Moins 🙂

    Vielleicht mal ganz unvoreingenommen diesen Artikel
    von Rüdiger Lenz lesen und sich auf der Zunge zergehen lassen.

    https://kenfm.de/die-impfung-ein-geplanter-homozid-von-ruediger-lenz/

    MfG,
    Takeshi

  65. #73 RainerO
    20. Mai 2021

    Also ich würde den Artikel von Rüdiger Lenz eher im Klo zergehen lassen.
    Was KenFM ist, muss man hier wohl niemandem weiter erklären.

  66. #74 ADFGVX
    Esslingen am Neckar
    20. Mai 2021

    @Takeshi
    Unvoreingenommen Propaganda-Mist lesen, welcher mit höchst sachlichem Titel aufwartet, ganz intelligent !

  67. #76 stone1
    20. Mai 2021

    Erfreulicherweise sind die Horrorszenarien, die im Gefolge der „britischen“ Variante durch die Talkshows und andere Medien geisterten, (wieder einmal) nicht eingetreten (es sei noch einmal eingeschärft: Es gibt weder britische noch indische oder sonstige nationale Varianten, hinter diesem Gerede verbergen sich stereotypische, teils nationalistische Denkmuster).

    (aus dem dankenswerterweise von Spritkopf zur Verfügung gestellten Link)

    Da rollen sich einem doch die Fußnägel auf! Mir ist schon klar, dass Joseph Kuhn den ‘einschärfenden’ Teil weggelassen hat, weil das Thema das Präventionsparadox sein soll, aber da müssen doch alle Verharmlosungsalarmglocken klingeln. Natürlich gibt es Varianten, sprich Mutanten des Virus, und die haben in Wirklichkeit andere Bezeichnungen wie etwa B 1.1.7, umgangssprachlich wird halt von Ländervarianten gesprochen, je nachdem, wo sie erstmals nachgewiesen worden sind. Ein Problem wird man dann bekommen, wenn wieder eine neue Variante in einem Land gefunden wird, in dem schon mal ein Mutant entdeckt wurde.

    So, wie es der Herr Jungphilosoph da hingeschrieben hat, und im Zusammenhang des Textes, könnte man bei oberflächlichem Lesen aber auch mitnehmen, dass er meint, es gäbe gar keine Varianten, obwohl das nicht explizit so da steht.
    Ich bin ein Freund von klarer Sprache, was Herr Gabriel da macht, finde ich nicht gut. Man könnte sich bei solchen Aussagen sogar fragen, ob sie nicht bewusst manipulativ sind.

  68. #77 Uli Schoppe
    20. Mai 2021

    Aber wir leben hier in einer hochentwickelten westlichen Demokratie, die unter anderem deswegen seit rund 70 Jahren so stabil ist, weil das Recht auf körperliche Unversehrtheit hier verdammt ernst genommen wird und in keiner Weise verhandelbar oder interpretierbar ist.

    Nein. Du solltest Dir mal die Regeln reinziehen nach denen ich vor gut 30 Jahren Zuvieldienst leisten musste.

  69. #78 Joachim
    20. Mai 2021

    Sorry, ich blicke immer noch nicht durch bei dieser Diskussion.

    1) Grundrechte, wenn man vom Grundgesetz ausgeht, sind ein Abwehrrecht gegen staatliche Willkür. Grundrechte sind eingeschränkt, zum Beispiel auf den Jugendschutz. Sie hören da auf, wo andere gefährdet oder in ihren Rechten eingeschränkt werden. Wer da auf sein Bier in der Kneipe in geselliger Runde besteht, hat etwas nicht verstanden. Das gilt selbst dann, wenn die abendliche Ausgangssperre meiner Meinung nach nicht sinnvoll ist.

    2) Das Präventionsparadox existiert nicht. Denn es gibt eine Kausalität. Das Löwenbeispiel weist keine Kausalität auf. Die Ansteckungswege mit Corona folgen einer klaren und nachgewiesenen Kausalität. Da ist gar nichts paradox!
    Prävention versucht diese Kausalitätskette zu unterbrechen. Es ist nicht mehr möglich, die Ursache zu beseitigen und die Fledermäuse in China besser in Ruhe zu lassen. Keine Maßnahme alleine ist wirksam. Jede Maßnahme kann aber Ansteckung verhindern, einige mehr, andere weniger. Ohne quantitativen Beleg der Wirksamkeit ist Kritik pure Behauptung. Diese Kritik ist wie Lotto. Ich setze darauf, dass nichts geschieht, wenn…? Diese Entscheidung darf definitiv aber nicht für Dritte getroffen werden. Es braucht Evidenz, nicht nur bei den Maßnahmen sondern auch bei der Kritik. Evidenz durch Studien ist aber nur mögliche, wenn ich es (die „Maßnahme“) gemacht habe.

    3) So sehr es mir auch vielleicht nicht passt, Regierungen sind gewählt um Entscheidungen zu treffen. Ich kann und muss kritisieren, Fehler nachweisen, protestieren, doch ich habe mich zum Teufel daran zu halten. Bis ich nach diesem unserem Grundgesetz, auf das sich die berufen, die nun ihre vermeintlichen „Rechte“ einfordern, Regeln Mehrheiten gefunden und etabliert habe. Mit „etabliert“ meine ich Wahlen. Heb den Hintern, dann darfst du auch mitreden. Damit meine ich zum Beispiel die “Rechtstagstürmer” oder populistische “Kritiker”.

  70. #79 Jolly
    20. Mai 2021

    @stone1

    umgangssprachlich wird halt von Ländervarianten gesprochen, je nachdem, wo sie erstmals nachgewiesen worden sind.
    […]
    So, wie es der Herr Jungphilosoph da hingeschrieben hat, und im Zusammenhang des Textes, könnte man bei oberflächlichem Lesen aber auch mitnehmen, dass er meint, es gäbe gar keine Varianten

    Genau, deshalb spricht der ein oder andere ja auch gerne vom chinesischen Virus. Ohne Nennung des Ursprunglandes könnte man ja glatt meinen, es gäbe kein Virus.

  71. #80 Alisier
    20. Mai 2021

    @ Jolly
    Was sind denn die philosophischen Ansichten von Herrn Gabriel?
    Ich könnte das so pauschal gar nicht sagen, außer ich kennte alle oder zumindest einen großen Teil davon.
    Das nur als Beispiel, dass ich ähnlich vorgehen könnte wie Du, was dann aber ebenfalls nicht im geringsten zur Klärung des Sachverhalts beitrüge.
    Mit süffisanter Arroganz kommt man selten weiter, und für konsistent halte ich seine sich teilweise sich auch nach genauerer Betrachtung sich immer noch widersprechenden Positionen auch nicht.
    Gut, ich bin also zu doof um das perfekt austarierte Gedankengebäude zu erkennen.
    Auch gut.

  72. #81 RPGNo1
    20. Mai 2021

    @RainerO

    Also ich würde den Artikel von Rüdiger Lenz eher im Klo zergehen lassen.
    Was KenFM ist, muss man hier wohl niemandem weiter erklären.

    Strike! 🙂

  73. #82 Jolly
    20. Mai 2021

    @Alisier

    Was sind denn die philosophischen Ansichten von Herrn Gabriel?

    Da du ja auch gegen das Derailen bist, lass uns doch einfach beim Thema bleiben.

    Welche der Aussagen von Markus Gabriel zu Corona, speziell zum Präventionsparadox, sind widersprüchlich (oder gar paradox)?

  74. #83 Joachim
    20. Mai 2021

    @Jolly, @Alisier
    Joseph Kuhn hat es doch auf den Punkt gebracht:

    “Wer sagt, dass die Infektionsschutzmaßnahmen die Fallzahlen verringert haben, argumentiert nach Gabriel wie der Mann, der klatscht, um Löwen zu vertreiben.”

    Wenn ich das als korrekt voraussetzen darf, dann ist Gabriels Aussage falsch. Denn er missachtet die Gesetze der Kausalität, wie in #75 unter 2) beschrieben.

  75. #84 Joseph Kuhn
    20. Mai 2021

    Variationen zum Thema

    In Kommentar #44 hat aristius fuscus das verhinderte (ausgebliebene?) Waldsterben angeführt.

    Das kann man etwas fortsetzen:

    1. Ist eine Katastrophe durch BSE infolge der damaligen Maßnahmen verhindert worden, oder ist sie einfach ausgeblieben, Maßnahmen hin oder her?

    2. Dass sich das Ozonloch nicht weiter vergrößert hat, wurde das durch die Umweltschutzmaßnahmen bewirkt, oder ist es einfach aus anderen Gründen so gekommen?

    3. Falls der Klimawandel nach großen Anstrengungen milder ausfällt als prognostiziert, lag es an den Klimaschutzanstrengungen oder darf auch da Herr Gabriel sagen, dass man nichts sieht, lässt sich nicht mit dem Präventionsparadox erklären?

    Vielleicht sollte man ein paar solcher Beispiele durchexperimentieren, um unterschiedliche Realisierungsbedingungen des Präventionsparadoxons herauszuarbeiten?

  76. #85 foobar407
    20. Mai 2021

    XXX

    [Edit: Kommentar gelöscht. Lassen Sie’s woanders raus. Danke, JK]

  77. #86 Pollo
    20. Mai 2021

    @J. Kuhn
    Weitere Variation – mit ähnlichen anschließenden Diskussionen:
    Ist das (IT-)Jahr-2000-Problem durch Maßnahmen gemäßigt worden, oder existierte es gar nicht?

    Disclaimer: ich habe für einen weltweit operierenden Konzern die Jahr-2000-Tests (und die nachfolgenden Schaltjahr und -Sekunden-Tests etc.) organisiert, mit Millionenaufwand, betreffend die gesamte Toolkette von der Messtechnik bis zur Faktura. Zahlreiche Schwachstellen wurden anschließend unter Hinzuziehung von bereits verrenteten PDP-, RPG, COBOL-Spezialisten und Digital-, Siemens-, IBM-, HP- und weiteren Hardware-/Firmware-Freaks beseitigt.
    Der Übergang ins neue Jahrtausend lief dann eben problemlos.

  78. #87 Alisier
    20. Mai 2021

    @ Pollo
    Ach komm……..es wäre doch nie im Leben irgendwas passiert……die ganzen Leute haben das nur in die Welt gesetzt um sich wichtig zu machen…… 😉

  79. #88 foobar407
    20. Mai 2021

    @stone1

    So, wie es der Herr Jungphilosoph da hingeschrieben hat, und im Zusammenhang des Textes, könnte man bei oberflächlichem Lesen aber auch mitnehmen, dass er meint, es gäbe gar keine Varianten, obwohl das nicht explizit so da steht.

    Man kann einen Autor nur für das verantwortlich machen, was er geschrieben hat, und nicht dafür, was andere dort hinein- oder herauslesen.

  80. #89 Alisier
    20. Mai 2021

    Wenn ein Autor durch gezielte Nichtpräzisierung unterschiedlichen Interpretationen Tür und Tor öffnet, so spricht das nicht unbedingt für ihn.
    Exegese ist nicht unbedingt das, was man betreiben können müsste um einen Text überhaupt verstehen zu können.
    Und Rabulistik ist immer eine ziemliche Zumutung, aber es ist eben keine Rabulistik, wenn ein Text verschiedene Interpretationen zulässt, respektive gerade dazu einlädt, und jeder das hineininterpretieren kann, was ihm gerade gefällt, sondern eher eine Schwäche des Autors.
    Und Kommentatoren, die eigentlich gar nicht diskutieren wollen, sondern irgendwas vom Zaun brechen um des vom Zaun Brechens willen, sind im Allgemeinen keine sehr angenehmen Zeitgenossen.
    Zurück zum Thema bitte.

  81. #90 Joachim
    20. Mai 2021

    @Josep Kuhn #84
    BSE? Keine Ahnung. Werd’ noch Rinder-wahnsinnig 😉

    Aber vom Ozonloch weiß man, dass es 2020 erstmalig über dem Nordpol aufgetreten ist. Keine Entwarnung also. Man kennt die auslösenden Stoffe sind (H-FBKW, H-FCKW z.B.) und das diese Stoffe menschengemacht sind. Es ist logisch, diese Stoffe zu reduzieren, wenn man kein Ozonloch will.

    “Paradox” ist höchstens, das wir es nicht (hinreichend) etwas tun/geran haben und da dummerweise eine Art Kettenreaktion stattfindet.

    Noch mehr Evidenz existiert zum Klimawandel.

    Zu Paradoxien nur ganz kurz (umpf):
    Eine Paradoxie, wie etwa „alle Athener lügen“ ist nicht auflösbar. Wittgenstein meinte, sie seien ohne Aussagekraft und zu ignorieren. Gödel bewies damit, dass jedes hinreichend komplexe formale System unvollständig oder widersprüchlich ist.

    Der Schluss, Paradoxien seinen toll und Gabriel bewiese mit dem Präventionsparadoxon, dass Corona-Maßnahmen ein Affentheater wären, Grundrechtseinschränkungen also nicht gerechtfertigt wären, hat vielleicht mit BSE, aber nichts mit Realität zu tun. Es ist nichts, als ein tatsachenverdrehender populistischer Trick, angesichts eines Wittgensteins, Gödel oder die alten Griechen ziemlich vermessen.

    Denn

    wir wissen um die Kausalität von Kontrakten und Ansteckung. Wir kennen die Auswirkungen der Krankheit. Wir wissen, wie Grundrechte funktionieren. Wir wissen, dass Kontaktvermeidung Ansteckung verhindert und Grundrechte berührt.

    Die Entscheidung „Opa tot“ vs. „ich darf feiern“ klärt die Verhältnismäßigkeit logisch aus den Regeln der Grundrechte.

    Bleibt einzig die Frage, welche Maßnahmen angemessen sind. Darüber muss man Reden. Aber ohne falsche Totschlagargumente. Lieber eine unwirksame Maßnahme, als der Exponentialfunktion im real live wieder zu erlauben, was sie immer tut.

    Letzteres ist eine als Meinung verpackte, nachgewiesene Beschreibung der Wirklichkeit. Es ist die totsichere Ankündigung der Konsequenz.

  82. #91 Jolly
    20. Mai 2021

    @Joachim

    Wer sagt, dass die Infektionsschutzmaßnahmen die Fallzahlen verringert haben, argumentiert nach Gabriel wie der Mann, der klatscht, um Löwen zu vertreiben

    Nur, so sagt das Gabriel gar nicht. Das ist nicht auf den Punkt gebracht, sondern seltsam interpretiert.

  83. #92 Jolly
    20. Mai 2021

    @Joseph Kuhn

    Wenn er meint, dass alle Schutzmaßnahmen nicht gut genug belegt sind (er spricht ja explizit davon “um nur einige Beispiele zu wählen”)

    Eventuell lässt sich mit seiner Aussage von einigen Maßnahmen auf viele schließen, die er kritisch sieht, aber daraus zu schließen, Markus Gabriel müsse alle meinen, ist logisch nicht drin. – Ich habe bereits ein Statement von ihm zitiert, in dem er explizit äußert, dass einige Maßnahmen berechtigt und gut begründet seien. (Damit könnten ja die von Ihnen aufgeführten gemeint sein.)

    Und ganz fein wäre, wenn er sagen würde, warum seiner Meinung nach die Entwicklung an Ostern nicht so dramatisch wie von manchen befürchtet war.

    Das wäre sicher fein, aber nein, da muss er nicht liefern. Er betrachtet ein Argument, und das verwirft er gut begründet. Es ist Aufgabe der Wissenschaft zu klären, warum was passiert ist.

    • #93 Joseph Kuhn
      21. Mai 2021

      @ Jolly:

      “das verwirft er gut begründet”

      Das sehe ich anders. Er verwirft es ohne Begründung. Er behauptet schlicht, das Präventionsparadox könne hier nicht als Erklärung herangezogen werden. Wenn es nicht herangezogen werden kann, setzt das voraus, dass nichts dafür spricht, dass präventive Maßnahmen einschließlich des Announcementeffekts (beides spricht er an) wirksam waren. Da ist zunächst er in der Begründungspflicht, und zwar nicht mit dem selektiven Verweis auf Maßnahmen, bei denen man mit guten Gründen an der Wirksamkeit zweifeln kann.

      Ansonsten ist es natürlich richtig, empirische Untersuchungen sind nicht seine Aufgabe, aber wildes Herumspekulieren sollte es auch nicht sein.

      Im Bhakdi-Thread hatten wir jemanden, der bezweifelt hat, dass der Rückgang der Sterbefälle in Israel mit der Impfung zusammenhängt. Im Grunde hat er nichts anderes gemacht.

  84. #94 Joachim
    21. Mai 2021

    @Jolly: da hast du allerdings einen Punkt. Falls das Zitat von oben aber korrekt ist:

    „Solange nicht nachgewiesen ist, dass die Schließung von Museen, Außengastronomie und Theatern (um nur einige Beispiele zu wählen) die Ursache für einen faktisch erheblich besseren Verlauf des Infektionsgeschehens ist, ist die Berufung auf das angebliche Präventionsparadox unbegründet.“

    ist die Aussage falsch. Der Kritiker muss seine Aussage belegen. Wäre das nicht so, dann könnte man einfach alles kritisieren, ohne sich mit Fakten auseinanderzusetzen.

    Immerhin gilt: wenn die Schließung eines Theaters auch nur ein Menschenleben rettete, so hatte sie ihren Sinn.

  85. #95 Jolly
    21. Mai 2021

    @Joachim

    Immerhin gilt: wenn die Schließung eines Theaters auch nur ein Menschenleben rettete, so hatte sie ihren Sinn.

    Und wenn die Schließung Menschenleben gekostet hätte, (Leute infinzieren sich an anderem Ort bestimmt leichter als in der Außengastronomie), wäre sie kontraindiziert gewesen. Ebenso wenn sie niemanden gerettet hätte, aber finanzielle Einbußen für viele Künstler und Angestellte der betroffenen Einrichtungen bedeutet.

    Der Kritiker muss seine Aussage belegen

    Belegen muss der Wissenschaftler. Philosophen müssen ihre Aussagen begründen. Das hat Makus Gabriel getan. Und wie ich finde, auch leicht nachvollziehbar.

  86. #96 stone1
    21. Mai 2021

    @foobar407

    Man kann einen Autor nur für das verantwortlich machen, was er geschrieben hat, und nicht dafür, was andere dort hinein- oder herauslesen.

    Ich unterstelle ihm aber, dass er Fehlinterpretationen bewusst in Kauf nimmt, denn ich glaube kaum, dass ihm dieser Interpretationsspielraum bloß ‘passiert’ ist. Aber lassen wir das, halten wir uns an Alisier:

    Zurück zum Thema bitte.

  87. #97 Joachim
    21. Mai 2021

    @Jolly
    ich bin anderer Meinung. Aber ich finde Diskussion – wie soll ich sagen? Ergebnisorientiert. Irgendwie wünsche ich mir, du würdest Recht behalten.

    Also: Theater ist nicht Außengastronomie. Leben retten ist nicht mit Geld aufzuwiegen. Man muss hier den Staat wegen seiner mangelhaften Organisation der Hilfszahlungen kritisieren. Er hat sein Versprechen nicht gehalten.

    Begründen, ja wenigstens das. Korrekt. Wie hat Gabriel das getan? Ich halte das nicht für eine Begründung. Eine Begründung habe ich in #90 nach “Denn” gegeben. Übrigens eine, ohne jegliche Moral!

  88. #98 stone1
    21. Mai 2021

    Ob eigentlich das Informationsparadoxon auch ein Präventionsparadox sein könnte, bei dem die Vernichtung von Information verhindert, dass sich ständig der Zeitpfeil im Universum dreht, eine Gefahr, von der wir gar nichts ahnen? Und nein, das ist natürlich kein Seitenhieb auf die Frisur des Gastgebers.
    Es ist spät und man nähert sich der #100, ich hoffe da ist dieser kleine Scherzkommentar gestattet.

  89. #99 Jolly
    21. Mai 2021

    @stone1

    Ich unterstelle ihm aber, dass er Fehlinterpretationen bewusst in Kauf nimmt

    An der Stelle, an der du einen Spielraum siehst, man könne das Gesagte anders als gemeint interpretieren, gibt es keinen. Falls da jemand was anderes versteht, hat der Betroffene einen Fehler beim Lesen gemacht.

    Welchen Vorteil sollte Gabriel sich denn von so einem Missverständnis auch versprechen?

    Deine Unterstellung ist einfach nur albern.

    • #100 Joseph Kuhn
      21. Mai 2021

      @ Jolly:

      Dass Markus Gabriel es auf Missverständnisse angelegt hat, glaube ich auch nicht. Er argumentiert ja klar – und wie ich finde, eben falsch. Warum, habe ich jetzt oft genug begründet.

      Wenn man wie er davon ausgeht, solange nicht die Wirksamkeit jeder einzelnen Maßnahme nachgewiesen sei, könne man das Präventionsparadox nicht bemühen, überzieht man eine skeptische Position, suspendiert das Vorsorgeprinzip und ist letzten Endes nahe an der denialistischen Argumentationsfigur, von der Wissenschaft Unmögliches zu fordern. Letzteres gilt insbesondere dann, falls seine Forderung, die Maßnahmen als “Ursache für einen faktisch erheblich besseren Verlauf des Infektionsgeschehens” nachzuweisen, auf die Wirksamkeit der Maßnahmen speziell in den letzten Wochen abzielen sollte.

      Das Motiv Gabriels ist ehrenwert, er will nicht, dass Grundrechte ohne guten Grund eingeschränkt werden oder bleiben. Aber wer will das schon.

      Wobei ich mir unsicher bin, ob es Markus Gabriel überhaupt gibt. Solange die WELT (die, die es gibt) nicht seine Geburtsurkunde und einen humangenetischen Nachweis vorlegt, …. 😉

  90. #101 Staphylococcus rex
    21. Mai 2021

    @JK, interessanter Gedanke. Die Personen, die unerfüllbare Forderungen an die Wissenschaft stellen, sollten nachweisen, dass ihr Ansinnen berechtigt ist. Z.B. indem sie nicht mit ihrem Namen, sondern mit der Gesamtsequenz ihres persönlichen Genoms unterschreiben. 😉

  91. #102 Alisier
    21. Mai 2021

    @ Joseph Kuhn
    Zustimmung. Er hat es auch aus meiner Sicht mit ziemlicher Sicherheit nicht auf Missverständnisse angelegt, und soweit ich das nachvollziehen kann hat ihm das auch hier niemand unterstellt.
    Meine These, auch aufgrund diverser Interviews, die er gegeben hat, ist, dass er sich einfach nicht gerne festlegt, sondern in solchen Fällen gezielt Nadelstiche setzt, sich dann zurückzieht und anschließend seine Position relativiert.
    Diese Taktik mag einem klassischen Provokationspolitiker (Stil Palmer) manchmal sinnvoll und nützlich erscheinen, bei Philosophen in seiner Position wirkt das dann eher schräg.
    Und vor allem: wo bleibt der Erkenntnisgewinn, und wie soll man mit dem Mann überhaupt diskutieren?
    Aber er kommt mit seiner Art zunehmend an. Das möchte ich nicht bestreiten.
    Sie passt wahrscheinlich ausgesprochen gut zu sozialen Medien und neueren Kommunikationsgepflogenheiten.
    Böse Zungen könnten meinen er schmeiße sich an den Zeitgeist ran, und zwar ohne Rücksicht auf Konsistenz.
    Ein Grund, weswegen ich ziemlich sicher bin, dass es sich beim Hype, der ihn gerade umgibt, um ein Strohfeuer handelt.
    An ihm echtes Holz nachzulegen.

  92. #103 knorke
    21. Mai 2021

    @Alisier
    “Diese Taktik mag einem klassischen Provokationspolitiker (Stil Palmer) manchmal sinnvoll und nützlich erscheinen, bei Philosophen in seiner Position wirkt das dann eher schräg.”

    Ja klar, aus dem off Schlaumeiern und denn mit den Konsequenzen so wenig wie möglich zu tun haben wollen ist ja auch eine sehr angenehme Rolle. Und da es sich immer leicht kritisieren lässt, solange man nicht auch selbst handeln muss, dürfte einem Beifall von irgendwoher sicher sein. Woher genau, dafür kann man ja auch wieder nichts.

  93. #104 stone1
    21. Mai 2021

    @Alisier

    Diese Taktik mag einem klassischen Provokationspolitiker (Stil Palmer) manchmal sinnvoll und nützlich erscheinen, bei Philosophen in seiner Position wirkt das dann eher schräg.

    Das trifft es ganz gut, so sehe ich das auch. Meine ‘Unterstellung’ war wohl tatsächlich etwas dreist und albern, aber ich konnte irgendwie nicht besser ausdrücken, warum mir der ganze Text von ihm nicht gefällt. Von wegen Pudding und Nagel.

    • #105 Joseph Kuhn
      21. Mai 2021

      @ stone1, Alisier, knorke:

      Wie dem auch sei, die Person Gabriel sollte uns weniger beschäftigen, viel interessanter ist doch, was man mit dem Präventionsparadox unter welchen konkreten Rahmenbedingungen erklären kann und was nicht.

      Dazu gibt es unter den Kommentatoren hier unterschiedliche Meinungen, eine gute Diskussion, die auch die eine oder andere Untiefe ein Stück weit ausleuchtet.

  94. #106 Alisier
    21. Mai 2021

    @ Joseph Kuhn
    Das Thema Gabriel ist ausgereizt. Sehe ich genau so.
    Und ich möchte betonen, dass es mich ungemein freut, dass eine Diskussion entstanden ist.
    Mal sehen, was sich beim Präventionsparadoxon noch so an Interessantem entwickelt.

  95. #107 stone1
    21. Mai 2021

    @Joseph Kuhn

    Um es mal mit einem einfachen Beispiel zu versuchen:

    Person A putzt sich jeden Tag zweimal die Zähne.
    Person B putzt sich hin und wieder die Zähne.
    Nach einer gewissen Zeit gehen beide zur Zahnärztin. Bei A muss nicht gebohrt werden, bei B schon.
    Damit habe ich ein Indiz, dass Zähne regelmäßig putzen vor Zahnschäden schützt.
    Was ist aber, wenn man das Experiment wiederholt und dabei haben dann beide Zahnschäden?
    Man hat ein Indiz dafür, dass Zähneputzen alleine nicht erklären kann, ob Zähne gesund bleiben.

    Ich vermute, das ist der springende Punkt. Mit dem Präventionsparadox kann man nur Dinge erklären, die einen einzigen Kausalzusammenhang haben. Wenn die Sachlage komplizierter ist – und meistens ist das ja so – lässt sich mit dem Präventionsparadox nur wenig Aussagekräftiges anfangen.

    Das hab ich mir jetzt aber auch nur kurz in einer Kaffepause zusammengereimt, keine Ahnung ob etwas und wenn ja, wieviel da wirklich dran ist.

    • #108 Joseph Kuhn
      21. Mai 2021

      @ stone1:

      “Mit dem Präventionsparadox kann man nur Dinge erklären, die einen einzigen Kausalzusammenhang haben.”

      Das wäre zu streng, aber das Beispiel macht darauf aufmerksam, dass man das Präventionsparadox nicht als logisches Schlussverfahren interpretieren darf, nach dem Motto, wenn eine Gefahr nicht eingetreten ist, muss eine bestimmte Intervention dafür verantwortlich sein. Homöopathen können das gut. Den Schluss dürfte man in der Tat nur unter ganz restriktiven Bedingungen ziehen, z.B. einem monokausalen Entwicklungspfad ohne störende Einflüsse. Ansonsten muss die Behauptung der Wirksamkeit einer Intervention empirische Evidenz oder zumindest Plausibilität auf ihrer Seite haben. Diese Fragen spielen in der Evaluation komplexer Interventionen eine wichtige Rolle, weil man da regelmäßig keine klaren kausalen Pfade hat, schon gar keine monokausalen.

      Im zweiten Fall sprechen die Zahnschäden übrigens auch nicht gegen den Nutzen des Zähneputzens. Wenn der Nutzen belegt ist (was hier gilt), spricht es nur für die Überlagerung des Effekts durch andere Einflussfaktoren, z.B. übermäßigen Konsum von Bonbons oder unguter genetischer Veranlagung. Hätte man aber statt Zähne zu putzen mit Milch gegurgelt, was vermutlich nicht hilft, müsste man nicht nach überlagernden Effekten suchen.

      Deswegen oben in Kommentar #84 der Vorschlag, das Ganze unter verschiedenen Realisierungsbedingungen durchzuexperimentieren.

  96. #109 Balanus
    21. Mai 2021

    @Joachim hat oben gemeint, das Präventionsparadox existiere nicht.

    Das sehe ich auch so. es gibt hier kein Paradox. Es gibt lediglich einen Unterschied zwischen dem Infektionsverlauf in einem Szenario (oder war’s eine Prognose?) unter bestimmten angenommen Bedingungen und dem tatsächlichen Infektionsverlauf unter den tatsächlichen Bedingungen.

    Im Grunde ist es mir ein Rätsel, warum dieser Unterschied mit dem Begriff „Präventionsparadox“ belegt wurde. Vielleicht, weil es manchem paradox vorkommt, wenn ein Szenarium von der Wirklichkeit abweicht?

  97. #110 Joseph Kuhn
    21. Mai 2021

    Das Präventionsparadox im Ngram Viewer:

    Beim google Ngram Viewer gibt es erste Funde zum Präventionsparadox in deutschen Büchern nach 1987, mit einem Höhepunkt 2008.

    In englischen Büchern ist der Begriff prevention paradox interessanterweise auf niedrigem Fallzahlniveau schon um das Jahr 1920 herum zu finden, auch in den 1950ern, in den 1970ern und dann steil ansteigend nach 1980.

  98. #111 PDP10
    21. Mai 2021

    @Balanus:

    @Joachim hat oben gemeint, das Präventionsparadox existiere nicht.

    Ich bin mir nicht sicher, ob er das wirklich so gemeint hat.

    Es gibt lediglich einen Unterschied zwischen dem Infektionsverlauf in einem Szenario[..]

    In diesem Unterschied liegt aber nicht das Paradox.

    Das liegt in der Wahrnehmung.

    Ein Virus tritt auf und die Vorhersage lautet: Wenn wir nichts unternehmen wird es sich ausbreiten und viele Menschen töten. Dann unternimmt man was und das Virus breitet sich nicht aus.
    Die paradoxe Wahrnehmung ist jetzt unter Umständen: Das Virus hat sich gar nicht ausgebreitet. Wozu der ganze Zirkus mit der Prävention?

    Die Frage, die dabei gar nicht so leicht zu beantworten ist, ist jetzt: Waren es die Maßnahmen, die die Ausbreitung verhindert haben, oder war einfach die Vorhersage falsch.

  99. #112 Alisier
    21. Mai 2021

    @ PDP10
    Wahrnehmung ist wahrscheinlich das entscheidende Stichwort:
    Es ist eher ein psychologisches Problem, und kein wissenschaftliches.
    Es scheint in vielen Fällen ein Streit um des Kaisers Bart zu sein. Das einzige Ziel: die eigene Meinung und/oder das eigene Verhalten und die eigene Weltsicht nicht ändern zu müssen.
    Dafür gehen die Querdenker auf die Straße, deswegen gibts die AfD: “Keine Veränderung! Höchstens eine Rückkehr in alte Zeiten, weil schon zuviel verändert wurde!”
    Und um das zu erreichen ist jedes Mittel recht.
    Kein Paradox. Sondern das Verweigern von Logik und intellektueller Redlichkeit um nichts ändern zu müssen, insbesondere nicht die eigene Weltsicht.
    Mehr ist es m.E. gar nicht.
    Die Behauptung es gäbe ein Paradox ist nur Mittel zum Zweck.

    • #113 Joseph Kuhn
      21. Mai 2021

      @ Alisier:

      Es geht um Wahrnehmung und die Erklärung dazu, richtig. Aber der Rest ist etwas unausgegoren. Empfehle noch mal die Lektüre des Stichworts in den BZgA-Leitbegriffen.

      Nur nebenbei: Der Artikel “Präventionsparadox” in den Leitbegriffen wurde nur 3 mal angeklickt. Der Artikel zum Schnelltest für Drachen in der SZ, den PDP10 verlinkt hat, fast 50 mal. Ob jetzt der Artikel in der SZ noch öfter angeklickt wird oder nicht und ob das etwas Paradoxes zeigt, weiß ich nicht.

  100. #114 Jolly
    21. Mai 2021

    @Balanus

    Du hier, hast du dich verlaufen?

    Im Grunde ist es mir ein Rätsel, warum dieser Unterschied mit dem Begriff „Präventionsparadox“ belegt wurde.

    Lies doch mal den Absatz in den BZgA-Leitlinien durch, der mit den Worten beginnt, “Ein anderes Verständnis des Präventionsparadoxons findet sich im bevölkerungsbezogenen Impfschutz und der Infektions-/Impfepidemiologie.”

    Das dort Gesagte würde ich so paraphrasieren:

    Wenn man mehr impft muss man weniger impfen;
    wenn man weniger impft muss man mehr impfen.

    Das klingt für mich schon etwas paradox.

    Gruß
    Joker (hier unter Pseudonym unterwegs)

  101. #115 Joachim
    21. Mai 2021

    Es existiert eine zweite „Interpretation“ des Präventionsparadox neben der, die PDP10 da netterweise gegeben hat. Wie die erste Definition geht es um die Akzeptanz.

    Die Wikipedia schreibt:

    „Beispielsweise kann bei der Durchführung einer Präventionsmaßnahme für viele Personen mit leicht erhöhtem Blutdruck – was ein geringes Krankheitsrisiko darstellt – die Sterblichkeit durch kardiovaskuläre Erkrankungen der Gesamtbevölkerung gesenkt werden, auch wenn Einzelpersonen nur geringfügige Verbesserungen ihrer Gesundheit erfahren (Bevölkerungsstrategie). Umgekehrt bringt die Präventionsmaßnahme bei einer kleinen Hochrisikogruppe mit stark erhöhtem Blutdruck, die durch die Intervention stark profitiert, keinen vergleichbar großen Effekt für die Gesamtbevölkerung“

    Weil sich die Präventionsmaßnahme gegen den leicht erhöhten Blutdruck kaum auf den Einzelnen auswirkt, ist die gefühlte Wirksamkeit und damit die Akzeptanz geringer.

    Auch dies sehe ich nicht als Paradoxie an. Der Fehler in der Überlegung ist einfach, dass Äpfel mit Birnen vermischt werden. Die Wikipedia geht davon aus, dass die erste Maßname „besser“ sei, weil viele davon was haben (doch leider keine Zustimmung erfährt). Ist das so? Kann man da einen Vergleich ziehen? Ich meine nein.

    Beide Präventionsmaßnahmen haben nichts miteinander zu tun. Im Notfall, bei Akzeptanzproblemen muss einfach abgewogen und aufgeklärt werden.

  102. #116 rolak
    21. Mai 2021

    nur 3 mal angeklickt

    Da steh ich im Moment wohl noch etwas auf dem Schlauch: seit er dort vorhanden ist (inkl auch vor der letzten Überarbeitung in 2018) oder seit Deiner Präsentation vorgestern? Ehrlich gesagt klingt mir beides unwahrscheinlich, wenn auch mit deutlich unterschiedlicher Quote…

    • #117 Joseph Kuhn
      21. Mai 2021

      @ rolak:

      Angeklickt von den Leser/innen meines Blogs gestern und heute – soweit das eben von WordPress registriert werden kann. Und jetzt bitte runter vom Schlauch, sonst hört es auf zu regnen.

    • #118 rolak
      21. Mai 2021

      Ahso, danke für die Klärung!

  103. #119 Jolly
    21. Mai 2021

    @Balanus

    Auf das Szenario mit den nichtpharmazeutischen Interventionen könnte man sagen.

    Wenn ich Maßnahmen ergreife, sagen mir die Zahlen, dass ich keine Maßnahmen benötige.
    Wenn ich keine Maßnahmen ergreife, sagen mir die Zahlen, dass ich Maßnahmen benötige.

    Daraus kann man dann schließen, wenn mir die Zahlen sagen, dass ich keine Maßnahmen brauche, dass alle Maßnahmen berechtigt sind.

    So weit klar jetzt?

  104. #120 Joachim
    21. Mai 2021

    @Jolly
    Oder die Zahlen sagen mir, ob ich Erfolg hatte oder nicht. Immerhin hatte ich einen Grund, warum ich Maßnahmen ergriffen habe. Selbstverständlich ist Erfolg alleine kein Beweis. Aber ein starkes Indiz dafür, dass ich richtig lag.

  105. #121 Alisier
    21. Mai 2021

    @ Joseph Kuhn
    Unausgegoren ist sicher richtig 🙂
    Manchmal brauch ich das…..

  106. #122 Kai
    21. Mai 2021

    Ein Paradoxon ist eigentlich ein Widerspruch. Das Wort wird aber, auch in der Wissenschaft, oft für “scheinbare Widersprüche” genutzt (man denke nur an Achilles und die Schildkröte ;)).

    Genau das Gleiche trifft auch hier zu. Natürlich ist an der Prävention und ihrer Notwendigkeit nichts widersprüchlich. Es erscheint aber Widersprüchlich.

    Korrekt ist sicher auch, dass die nachträgliche Begründung einer Präventionsmaßnahme aufgrund der ausgebliebenen Katastrophe problematisch ist. Wie aber schon mehrmals hingewiesen wurde gibt es durchaus einen Unterschied zwischen den Löwen und dem Händeklatschen, und Kontaktbeschränkungsmaßnahmen in einer Pandemie. Für ersteres lässt sich kein plausibler kausaler Zusammenhang herstellen, für letzteres sehr wohl.

    Dementsprechend ist es unsinnig zu sagen: es gab nie eine Pandemie, denn die Infektionszahlen sind ja nie über einen langen Zeitraum exponentiell angestiegen. Denn es ist ja zu erwarten, dass dies durch die getroffenen Maßnahmen eben nicht passiert. Andersrum ist aber das Ausbleiben des exponentiellen Wachstums allein kein Beweis für die Wirksamkeit der Maßnahmen. Dafür braucht man dann eben vergleichende Studien (die es ja gibt!), und muss eben zeigen, dass die Infektionszahlen in Regionen, wo Maßnahmen später eingeführt wurden, auch länger angestiegen sind.
    Bedauerlicherweise verlangen solche vergleichenden Studien (bzw. eine solche Pandemie im Allgemeinen) aber eben auch, dass man Maßnahmen ergreift, bevor man sichere Erkenntnisse über deren Wirksamkeit hat. Für die nächste Pandemie, die sicher kommen wird, sind wir hoffentlich besser vorbereitet.

  107. #123 Joseph Kuhn
    21. Mai 2021

    Ein Blick nach nebenan:

    Der Volksverpetzer hat in einem Beitrag über die kehrtwendige WELT-Berichterstattung zu den Intensivbetten einen Passus zitiert, das wie ein deja vu zur Diskussion hier klingt: https://www.volksverpetzer.de/wp-content/uploads/2021/05/E1siG73XEAEp-5A.png

    Wenn das der Gabriel liest!

  108. #124 Balanus
    21. Mai 2021

    @Jolly

    »So weit klar jetzt? «

    Nun ja, klar kann man einen Sachverhalt so formulieren, dass er paradox klingt, aber was folgt daraus für die Sache selbst?

    Dass es bei diversen Maßnahmen ja nach betrachtetem Gegenstand gegenläufige Entwicklungen, Verläufe oder Ergebnisse gibt oder geben kann, ist wenig verwunderlich bei komplexen Systemen. Das genau aufzudröseln, ist wohl meist mit erheblichem Aufwand verbunden (wurde hier im Blog alles schon angesprochen).

    Aber aktuell geht es meinem Verständnis nach um etwas anderes, nämlich, wie gesagt, um die Diskrepanz zwischen angenommenem Szenario oder einer Prognose und dem tatsächlich beobachteten Verlauf).

    Das heißt, ich kann da keinen sachlichen Zusammenhang erkennen zwischen den beiden Begriffsbestimmungen von „Präventionsparadox“ in der BZgA und dem Gebrauch dieses Begriffs während der aktuellen Pandemie. Meiner Wahrnehmung und Erinnerung nach wurde der Begriff erstmals von Drosten gebraucht, als es um den ausbleibenden Anstieg der Infektionszahlen ging (ist schon eine Weile her) und darob die geforderten Maßnahmen in Frage gestellt wurden.

    (Bin übrigens schon ziemlich lange (zumeist) stiller Leser hier beim Gesundheits-Check, und dass Joker = Jolly ist mir nicht verborgen geblieben, aber schön, dass Du drauf hingewiesen hast).

  109. #125 PDP10
    21. Mai 2021

    @Joseph Kuhn:

    Nur nebenbei: Der Artikel “Präventionsparadox” in den Leitbegriffen wurde nur 3 mal angeklickt. Der Artikel zum Schnelltest für Drachen in der SZ, den PDP10 verlinkt hat, fast 50 mal.

    Ich möchte hier zu meiner Verteidigung anführen, dass ich einer der drei war, die den Artikel bei der BZgA angeklickt haben. Und ich habe ihn sogar gelesen! (Das war allerdings nach meiner #111. Sonst hätte ich das präziser formuliert.)

    Ob jetzt der Artikel in der SZ noch öfter angeklickt wird oder nicht und ob das etwas Paradoxes zeigt, weiß ich nicht.

    Das weiß ich auch nicht.

  110. #126 stone1
    22. Mai 2021

    @PDP10

    /total OT, sorry
    Der Keller und ich vermissen Dich.
    /OT

    ~~~

    @Joseph Kuhn

    Wenn das der Gabriel liest!

    The proof of the pudding is in the eating, oder so. ; )

    ~~~

    @Jolly

    Wenn man mehr impft muss man weniger impfen;
    wenn man weniger impft muss man mehr impfen.

    Danke dafür, mir war vor diesem Kommentar eigentlich auch noch nicht ganz klar, was an dem Thema eigentlich paradox sein soll. Ich gebs zu, ich war keiner von den Dreien, die den Link zum BZgA angeklickt haben.

  111. #127 PDP10
    22. Mai 2021

    @stone1:

    Das ist sehr freundlich von dir das hier zu posten, du alter Menschenfreund.

    Aber ich halte es trotzdem fürs erste mit rolaks Party-Analogie.

    (Was nicht heißt, dass sich nicht später ein Weg und ein Wegbier finden. Aber im Moment nicht.)

  112. #128 Alisier
    23. Mai 2021

    @ stone1
    OT, aber ich bin inzwischen ganz bei PDP10 und rolak mit der Party-Analogie.
    Hier ist es zwar nicht immer samthandschuhig und auch mal etwas robust, aber letztendlich überwiegt das Positive, und es gibt jemanden, der nach dem Rechten sieht.
    Immer die Zähne zusammenbeißen ist mir auf die Dauer zu anstrengend, denn dann geht nicht nur die Authentizität flöten.
    Das Paradox bei dem ich mich zweiteilen, und meinen Beißring immer griffbereit halten musste ist für mich erledigt
    Das Paradox hier ist spannender und vor allem entspannender. Und unterschiedliche Charaktere, unterschiedliche Sichtweisen, sowie unterschiedliche Stile sind kein Problem, solange gewisse Grenzen nicht immer wieder überschritten werden.
    Intellektuelle Redlichkeit und Höflichkeit sowie Zurückhaltung im rechten Moment sind nämlich nicht egal, sondern Grundlagen für faire Diskussionen.
    Der Blogger möge mir den Exkurs in die Gefilde der erweiterten Netiquette verzeihen.

  113. #129 Joseph Kuhn
    23. Mai 2021

    Assoziatives zum Thema

    Die Diskussion zum Thema scheint sich ihrem Ermüdungsende zu nähern. Hier noch ein Hinweis auf einen schon älteren Blogbeitrag, der manche Aspekte des Themas anspricht, sowie ein Hinweis auf einen sehr guten Beitrag “Sehnsucht nach Einfachheit” von Sibylle Anderl in der FAZ am Sonntag, leider hinter der Paywall.

  114. #130 stone1
    23. Mai 2021

    @PDP10

    /noch mal OT, letztes Mal hier, sorry

    rolaks Party-Analogie

    Okay, alles klar.

    später ein Weg und ein Wegbier

    Das würde mich freuen und ich werd drauf achten, dass jederzeit ein Bierchen für dich eingekühlt ist. Heiße Gulaschsuppe dazu ist natürlich auch immer drin. ; )
    /OT

  115. #131 hwied
    24. Mai 2021

    Paradox ist, wenn man auf alten Fotos jünger aussieht.
    Auch das ist paradox: Gefrierbrand, Doppelhaushälfte,
    Selbsthilfegruppe, Brennholzverleih und natürlich die Nichterkrankung bei Nichtimpfung.
    Jemand Hals und Beinbruch zu wünschen,,,,

  116. #132 Staphylococcus rex
    24. Mai 2021

    Um die Diskussion um das Präventionsparadoxon zum Feiertag etwas zu entspannen möchte ich ein Beispiel aus der Literatur in den Raum werfen: Die Herr der Ringe Trilogie, dort wo das Wetter heute nicht mitspielt, kann jeder dieses Paradoxon durch das Anschauen der eigenen DVD Sammlung überprüfen.

    Problem: Allmachtsanspruch durch Sauron, primäre Lösung durch ein gemeinsames Heer von Menschen , Zwergen, Elfen und Zauberern. Das Problem wurde gelöst, aber die Ursache, der Ring der Macht, wurde nicht beseitigt. Nach mehreren Zeitaltern der Ruhe gerieten Zauron und der Ring der Macht in Vergessenheit und Sauron konnte neue Kraft sammeln. Aus meiner Sicht ein klassisches Präventionsparadoxon. Die Folgen dieses Präventionsparadoxons füllen mittlerweile 6 DVD’s (Hobbit und Herr der Ringe).

    Die Angriffe der Heerscharen der Orks und eine Epidemie haben durchaus Analogien. Ich versuche mir gerade vorzustellen, was passiert wäre, wenn bei der Schlacht am Helms Klamm die Verteidiger erst versucht hätten, evidenzbasiert (randomisiert und doppelblind) zu überprüfen, welche Waffen und welche Taktik gegen Orks die beste Wirkung haben. Oder der Kampf der Adler gegen die Nazguls auf ihren geflügelten Wesen, im Film wurde einfach genommen, was da war und was halbwegs Erfolg versprach, und hinterher konnte man über Details diskutieren.

  117. #133 Balanus
    24. Mai 2021

    Zeit für ein Fazit (bzw. einige Binsen)

    1. Der von Rose eingeführte Begriff „Präventionsparadox“ bezieht sich auf bestimmte systembedingte Erscheinungen bei manchen Präventionsmaßnahmen, die paradox erscheinen, aber durchaus ihre Folgerichtigkeit haben (merke: im Naturgeschehen gibt es nichts Paradoxes).

    2. Der aktuelle Gebrauch dieses Begriffes durch manche Akteure zur Erklärung der Diskrepanz zwischen Corona-Infektionsszenarien und dem tatsächlichen Verlauf der Fallzahlen war irreführend.

    3. Man mag zu Markus Gabriel und seiner Art zu philosophieren stehen wie man will, insoweit liegt er mit seiner Kritik („Pseudowissenschaft“) durchaus richtig.

    4. Mein Dank gilt dem Blog-Autor Joseph Kuhn und den zahlreichen Kommentatoren, ohne die ich nicht verstanden hätte, was es mit dem sogenannten „Präventionsparadox“ überhaupt auf sich hat.

    • #134 Joseph Kuhn
      24. Mai 2021

      @ Belanus:

      Was Punkt 2 und 3 angeht, bin ich in dem Fall etwas rechthaberisch. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass der aktuelle Rückgang der Zahlen mit den Präventionsmaßnahmen zusammenhängt (weniger Kontakte, Impfungen) und nicht nur saisonal oder zufällig zustande kommt. Insofern sehe ich nicht, warum er richtig liegen sollte.

  118. #135 Balanus
    24. Mai 2021

    @Joseph Kuhn

    Ich sehe auch gute Gründe dafür, dass der aktuelle Rückgang der Zahlen mit den Präventionsmaßnahmen zusammenhängt, aber dass das Ausbleiben einer Katastrophe für sich genommen nichts „beweist“ oder belegt, wie Gabriel sinngemäß schreibt, kann man wohl auch nicht von der Hand weisen.

    Und das Ganze hat eben kaum etwas mit dem sogenannten „Präventionsparadox“ von Rose zu tun, wenn überhaupt. Das ist mein eigentlicher Punkt. Und nur insoweit hat Gabriel m.E. Recht mit seiner (ansonsten reichlich überzogenen) Kritik. Mehr habe ich nicht sagen wollen.

    • #136 Joseph Kuhn
      25. Mai 2021

      @ Balanus:

      1. Es geht nicht darum, was das “Ausbleiben einer Katastrophe für sich genommen” beweist, sondern darum, wie man das Ausbleiben einer befürchteten Entwicklung unter den konkreten Gegebenheiten erklärt. Wenn es gute Gründe gibt, dass die Präventionsmaßnahmen etwas damit zu tun haben, ist das Präventionsparadox ein richtiger Hinweis, wenn gefragt wird, warum man die befürchtete Entwicklung nicht sieht. In dem Punkt liegt Gabriel begründungslogisch falsch.

      2. Das Präventionsparadox in der Version von Rose kritisiert Gabriel nicht, er erwähnt es nur und er behauptet, die andere, kritisierte Version sei “eine argumentations- und wissenschaftstheoretisch bizarre Erfindung (…) des öffentlichen Corona-Diskurses in Deutschland”. Das ist empirisch falsch.

      Ich empfehle noch einmal den Beitrag “Sehnsucht nach Einfachheit” von Sibylle Anderl in der FAZ am Sonntag.

  119. #137 Balanus
    25. Mai 2021

    Lieber Herr Kuhn, was die Rechthaberei betrifft, da kann ich locker mit Ihnen mithalten (nur mit dem Recht haben klappt es bei mir nicht immer… :- )

    Zur Sache:

    Das Präventionsparadox in der Version von Rose kritisiert Gabriel nicht…

    Eben, ich auch nicht, diesbezüglich kritisiere ich nur die schräge Begrifflichkeit (“Paradox”), das mit diesem Begriff beschriebene jeweilige Dilemma ist ja real vorhanden.

    Aber was heißt hier überhaupt „Version?“ Gibt es denn noch eine dritte Version oder Definition des Begriffs neben den beiden, die in den BZgA-Leitbegriffen aufgeführt werden?

    Es geht […] darum […], wie man das Ausbleiben einer befürchteten Entwicklung unter den konkreten Gegebenheiten erklärt.

    Aber das liegt doch klar auf der Hand: Wenn sich die Bedingungen und Voraussetzungen, unter denen das Szenario modelliert wurde, ändern, dann ändert sich schlussendlich auch das Ergebnis (hier also der tatsächliche Infektions-Verlauf).

    Das ist ähnlich wie beim Crash-Test. Szenario/Vorhersage: Nicht angeschnallt gibt’s bei 50 km/h böse Verletzungen. Realität: Angeschnallt geht die Sache glimpflich aus. Ich sehe da nichts Paradoxes in diesem Kausalzusammenhang, kein Dilemma, nichts, wofür ich als Erklärung das sogenannte Präventionsparadox heranziehen müsste.

    Der Beitrag von Sibylle Anderl in der FAZ ist leider nicht frei zugänglich. Aber es scheint darin um das Verhalten komplexer Systeme zu gehen. Also u. a. um genau solche verwickelten Dinge, für die Geoffrey Rose den Begriff „Präventionsparadox“ erfunden hat.

    Btw, Lars Weisbrod spricht im Zusammenhang mit den Corona-Modellen in seinem kleinen Beitrag in der ZEIT Nr. 21 von einer „Selfdestroying Prophecy“. Mir scheint, auch er übersieht, dass die „Prophezeiungen“ in aller Regel an ganz bestimmte, vorausgesetzte Bedingungen geknüpft waren (Wenn…, dann…).

    Ich schätze, Sie werden bei Ihrer Sicht der Dinge bleiben, dann verwenden Sie halt, aus meiner Sicht, einen erweiterten Präventionsparadox-Begriff. Kann ich mit leben… ;- )

    Danke für den Gedankenaustausch!

  120. #139 Balanus
    25. Mai 2021

    @Joseph Kuhn

  121. #140 Joseph Kuhn
    26. Mai 2021

    Hendrik Streeck heute in der WELT

    In der WELT, wiederum die, die es gibt, ist heute ein Beitrag von Hendrik Streeck, aus dem ich einen kurzen Passus zitieren will:

    “Der Philosoph Markus Gabriel hat dieses ‘Präventionsparadox-Paradox’ unlängst in einem WELT-Essay beschrieben. Kürzlich erzählte er mir dazu die folgende Geschichte: Otto stand am Straßenrand und schrie und schrie. Als Josef dazu kam und nach den Gründen für den Lärm fragte, erklärte Otto: ‘Ich vertreibe den rosa Elefanten.’ Als Josef fragte, welchen Elefanten er meinte, antwortete Otto: ‘Eben, ich habe ihn ja vertrieben.’ Das Geschrei ist natürlich kein Beweis für die Existenz des Tieres.”

    Alle Ähnlichkeiten mit den Ausführungen oben im Blogbeitrag sind selbstverständlich rein zufällig. Jedenfalls handelt es sich bei dem erwähnten Josef nicht um mich, wie man an der Schreibweise sieht. Seine Frage könnte gleichwohl auch von mir sein – bezogen auf den rosa Elefanten. Dessen Existenz wäre übrigens auch aus anderen Gründen zweifelhaft, Gabriel hat auch seine Analogie nicht gut gewählt.

    Streeck gefällt die Geschichte offensichtlich so sehr, dass er nicht mehr darüber nachdenkt, wie sie dazu passt, was er kurz vorher gesagt hat:

    “Das Sars-CoV2, wie wir das Virus nennen, ist ohne Zweifel deutlich gefährlicher als eine Grippe. Es war und ist daher richtig, das Virus einzudämmen. Auch, dass wir uns in einer Pandemie befinden, steht außer Frage. Ja, es steht außer Frage, dass, wenn wir keine Maßnahmen ergriffen hätten, sehr viel mehr Unheil über die Menschen gekommen wäre, mehr Menschen an Corona verstorben wären und unser Gesundheitssystem womöglich an die Belastungsgrenze gekommen wäre.”

  122. #141 Balanus
    27. Mai 2021

    @Joseph Kuhn

    Ob rosa Elefanten (Gabriel/Streeck) oder Löwen in der Stadt (Kuhn): Beide Analogien gehen m. E. fehl. Besser funktionieren würde das wohl mit Tauben: Solange richtig Lärm gemacht wird, bleibt die (nähere) Umgebung taubenfrei (sofern die Tauben nicht vollends taub sind). Das heißt, die Präventionsmaßnahme wirkt, wie angenommen. Der Einwand des Publikums, es seien aber doch gar keine Tauben vorhanden und daher das Geschrei unnötig, beruht dann schlicht auf einem Trugschluss—und nicht etwa auf einem „paradoxen“ Verständnis über den komplexen Zusammenhang von Maßnahmen und Auswirkungen.

    Wenn überhaupt, dann könnte das spezielle Corona-Präventionsparadox wohl nur so definiert werden, wie Sie das an @Jolly gerichtet bereits formuliert hatten (20. Mai 2021):

    »Das Präventionsparadox ist schlicht und einfach eine Erklärung, warum manche Leute glauben, wenn man keine katastrophale Entwicklung sieht, wäre sie auch ohne Gegenmaßnahmen nicht eingetreten.«

    Demnach wäre dieses Variante des „Präventionsparadox‘“ jene, die Gabriel die „zweite Version“ genannt hat und nach meiner Zählung die dritte wäre, denn es gibt gemäß den BZgA-Leitbegriffen ja bereits zwei unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs, je nach Anwendungsbereich.

    (Das ist mir übrigens erst im Nachhinein beim nochmaligen Lesen von Gabriels Beitrag aufgefallen.)

    Zusammengenommen sehe ich damit mein Argument gestärkt: Das aktuell ins Feld geführte „Präventionsparadox“ kann keine Erklärung für die beobachtete „Divergenz zwischen Vorhersage und Wirklichkeit“ (M. Gabriel) liefern, sondern allenfalls das Unverständnis des Publikums mit einem wissenschaftlich klingenden Schlagwort (Buzzword?) umschreiben. Was ja, nach meinem Verständnis, auch das eigentliche Anliegen von Markus Gabriel war.

  123. […] Philosoph Markus Gabriel hat vor kurzem kritisiert, man könne das sog. „Präventionsparadox“ nicht heranziehen, um zu erklären, warum die […]

  124. #143 Balanus
    30. Mai 2021

    Übrigens, am 27.05.21 hat es der Physiker Dirk Brockmann als „Modellierer“ auf sich genommen, im ZDF („Markus Lanz“) zu erklären, wie es zu den teils erheblichen Divergenzen zwischen Vorhersage und Wirklichkeit kommt. Wie zu erwarten war (Brockmann ist Naturwissenschaftler!), spielte das sogenannte „Präventionsparadox“ bei den Ausführungen keine Rolle, es wurde nicht einmal erwähnt.

  125. #144 Joseph Kuhn
    2. September 2021

    Lars Hemkens und Gerd Antes haben im Laborjournal vor kurzem ebenfalls die Anwendung des Präventionsparadoxons zur Erklärung nichteingetretener Infektionen kritisiert:

    https://www.laborjournal.de/rubric/essays/essays2021/e21_03.php

    “Das Ziel präventiver Interventionen ist es, dass bestimmte Ereignisse nicht eintreten. (…) Werden nach einer Intervention dann solche Ereignisse nicht beobachtet, dann ist das Ziel erreicht. Natürlich ist diese Beobachtung durchaus damit vereinbar, dass die Interventionen wirken. Irreführend ist es aber, deswegen nun zu behaupten, dass die Intervention der Grund für das Nichteintreten ist”.

    In der Tat, “deswegen” wäre kein Argument. Man muss schon mehr Gründe haben, die Wirksamkeit der Intervention anzunehmen als das Ergebnis eines genehmen (Nicht-)Ereignisses nach einer Intervention. Siehe Löwen und Klatschen.

    Inzwischen bin ich der Meinung, das Präventionsparadox und seine Rolle in unterschiedlichen Argumentationen wären ein schönes Thema für eine Session auf einer Tagung. Vielleicht organisiere ich nächstes Jahr so was – wenn man wieder Präsenztagungen machen kann.

  126. #145 Joseph Kuhn
    14. September 2021

    Noch eine Art Präventionsparadoxon:

    Auch ein interessanter Effekt im Zusammenhang mit Präventionsmaßnahmen: der “Peltzmann-Effekt”. Das Argument kannte ich, den Begriff bisher nicht.

  127. […] der Infektionskontrolle verbunden gewesen, dürfte kaum zu erbringen sein. Hier würde das Präventionsparadoxon jedenfalls nicht weiterhelfen. Dafür könnte die Frage des Vertrauens des Staates in die Vernunft […]

  128. […] gab hier der Philosoph Markus Gabriel mit seinen etwas eigenwilligen Anmerkungen zur Coronakrise Anlass zum Nachdenken über das „Präventionsparadoxon“. Er war im Herbst 2021 auch einer der Interviewpartner der Querdenker-Initiative […]