Sozialtechnologische Zugriffe auf das Mindset der Bürger/innen schwächen es auch. Das „AEIOU-Modell“ will Gesundheitsverhalten effizient steuern. Vertrauenserweckend ist das nicht. Es weist den Steuernden die aktive Subjektrolle zu, die Bürger/innen kommen nur als passive Objekte vor. Ihre Ziele und Motive werden, über die oben angesprochene Exkulpationsformel hinaus, nicht weiter thematisiert. Implizit lassen die Empfehlungen, die der Artikel ausspricht, zudem ein heikles Menschenbild erkennen: Man solle in der Gesundheitskommunikation eine einfache Sprache pflegen, kurz- statt langfristige Vorteile einer Verhaltensänderung hervorheben, darauf hinweisen, dass andere es auch so machen usw. Das ist alles sicher nicht ganz falsch, aber vor meinem inneren Auge taucht da als Objekt der Verhaltenssteuerung ein geistig etwas schlichter, im Marshmallow-Test nicht zum Belohnungsaufschub fähiger und sozialkonformistischer Mensch auf.
Es mag sein, dass das „AEIOU-Modell“ effizient ist. Empirische Befunde gäbe es noch nicht, heißt es in dem Artikel. Aber ist Effizienz im Umgang mit Menschen überhaupt der Punkt, auf den es ankommt? Effizienz kennt man als Marketing-Buzzword. Effiziente Problemlösungen lassen sich gut verkaufen. Aber wessen Probleme werden mit dem „AEIOU-Modell“ effizient gelöst? Wer möchte gerne Objekt einer effizienten Verhaltenssteuerung sein? Immerhin hat Mathias Krisam bei der Erklärung der Interessenkonflikte offengelegt, dass er neben seiner Tätigkeit am Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin der Charité auch Geschäftsführer einer Consulting-Firma ist, „die verschiedene Firmen der Gesundheitswirtschaft in Bezug auf Verhaltenswissenschaften berät“. Ihnen wird er wohl effiziente Problemlösungen anbieten. Sollte man den Artikel somit vielleicht eher als product placement denn als wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft einordnen?
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